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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Siebendes Buch.
"Das, glaub ich, war ihr Rath. Wer aber kann die Lieb,
610"Den Eifer, die Begier, der Ehrfurcht edlen Trieb
"So leicht mißbilligen, den man mit Recht empfindet,
"Da er der Herzen Macht durch Anzugs-Kraft entzündet?
"Doch, weil es ihr Befehl, so leben wir darnach;
"Der Weeg zum Ziel der Frag ist noch viel hundertfach;
615"Nur einen wählen wir. Ergreiffen wir das Mittel:
"Bezieren wir den Stein mit einem andern Titel.
"Gebt meinem Vorschlag Statt! es kommt nur auf die Wahl:
"Jhr kennt das Helden-Herz in ihrem Ehgemahl?
"Jch weiß, daß ihr ihn auch so wohl, als sie besizet;
620"Daß er den Tugend-Chor so wohl als sie beschüzet.
"Bey diesem bleiben wir; den sezen wir uns vor;
"Mir scheint, Theresia sag' es mir selbst ins Ohr:
"Daß das, was man vor ihn zum Ruhm, zur Ehr errichte,
"So viel ihr eignes Herz, als selber ihn verpflichte.
625
"Jhr Wollen ist so fest verknüpft und einerley,
"Als wann die Wesenheit in zweyen einfach sey.
"Das Bindniß ihres Sinns, ihr zärtliches Vernehmen
"Kann selbst der Einigkeit Verrichtungen beschämen.
"Jhr Thun und Lassen ist von so verbundner Art,
630"Daß eins des andern Sinn als einen Schaz bewahrt.
"Sie will nur, was er will; er denckt, was sie gedencket;
"Jhr Leben ist in ihm, sein Herz in ihr versencket.
"Sie
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Siebendes Buch.
„Das, glaub ich, war ihr Rath. Wer aber kann die Lieb,
610„Den Eifer, die Begier, der Ehrfurcht edlen Trieb
„So leicht mißbilligen, den man mit Recht empfindet,
„Da er der Herzen Macht durch Anzugs-Kraft entzuͤndet?
„Doch, weil es ihr Befehl, ſo leben wir darnach;
„Der Weeg zum Ziel der Frag iſt noch viel hundertfach;
615„Nur einen waͤhlen wir. Ergreiffen wir das Mittel:
„Bezieren wir den Stein mit einem andern Titel.
„Gebt meinem Vorſchlag Statt! es kommt nur auf die Wahl:
„Jhr kennt das Helden-Herz in ihrem Ehgemahl?
„Jch weiß, daß ihr ihn auch ſo wohl, als ſie beſizet;
620„Daß er den Tugend-Chor ſo wohl als ſie beſchuͤzet.
„Bey dieſem bleiben wir; den ſezen wir uns vor;
„Mir ſcheint, Thereſia ſag’ es mir ſelbſt ins Ohr:
„Daß das, was man vor ihn zum Ruhm, zur Ehr errichte,
„So viel ihr eignes Herz, als ſelber ihn verpflichte.
625
„Jhr Wollen iſt ſo feſt verknuͤpft und einerley,
„Als wann die Weſenheit in zweyen einfach ſey.
„Das Bindniß ihres Sinns, ihr zaͤrtliches Vernehmen
„Kann ſelbſt der Einigkeit Verrichtungen beſchaͤmen.
„Jhr Thun und Laſſen iſt von ſo verbundner Art,
630„Daß eins des andern Sinn als einen Schaz bewahrt.
„Sie will nur, was er will; er denckt, was ſie gedencket;
„Jhr Leben iſt in ihm, ſein Herz in ihr verſencket.
„Sie
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[0029] Siebendes Buch. „Das, glaub ich, war ihr Rath. Wer aber kann die Lieb, „Den Eifer, die Begier, der Ehrfurcht edlen Trieb „So leicht mißbilligen, den man mit Recht empfindet, „Da er der Herzen Macht durch Anzugs-Kraft entzuͤndet? „Doch, weil es ihr Befehl, ſo leben wir darnach; „Der Weeg zum Ziel der Frag iſt noch viel hundertfach; „Nur einen waͤhlen wir. Ergreiffen wir das Mittel: „Bezieren wir den Stein mit einem andern Titel. „Gebt meinem Vorſchlag Statt! es kommt nur auf die Wahl: „Jhr kennt das Helden-Herz in ihrem Ehgemahl? „Jch weiß, daß ihr ihn auch ſo wohl, als ſie beſizet; „Daß er den Tugend-Chor ſo wohl als ſie beſchuͤzet. „Bey dieſem bleiben wir; den ſezen wir uns vor; „Mir ſcheint, Thereſia ſag’ es mir ſelbſt ins Ohr: „Daß das, was man vor ihn zum Ruhm, zur Ehr errichte, „So viel ihr eignes Herz, als ſelber ihn verpflichte. „Jhr Wollen iſt ſo feſt verknuͤpft und einerley, „Als wann die Weſenheit in zweyen einfach ſey. „Das Bindniß ihres Sinns, ihr zaͤrtliches Vernehmen „Kann ſelbſt der Einigkeit Verrichtungen beſchaͤmen. „Jhr Thun und Laſſen iſt von ſo verbundner Art, „Daß eins des andern Sinn als einen Schaz bewahrt. „Sie will nur, was er will; er denckt, was ſie gedencket; „Jhr Leben iſt in ihm, ſein Herz in ihr verſencket. „Sie E e 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/29>, abgerufen am 26.04.2024.