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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Eilftes Buch.
"Wo ihrer Jungen Brut, die zwar kein Wetter scheut,
"Von den Verfolgungen des Adler-Feinds befreyt.
455
"Ob also gleich der Ruff des Volcks sich sollte mehren,
"So find ich nicht was er zukünftiges kann lehren.
"Der Pöbel wünscht, verschmäht, liebt, haßt, flieht und begehrt,
"Und alles achtet er vor richtig und bewährt.
"Das Vorurtheil, der Stolz bewohnen sein Gemüthe;
460"Er folgt auch einem Traum, wann er ihm etwas riethe.
"Was seiner Sinnen Kraft und Einfalt nicht erkennt,
"Wird Unglück oder Glück von seinem Wahn genennt.
"Jhm ist die Wissenschaft, der klugen Macht und Stärcke
"Ein Vorwand des Betrugs, ein Schein der Wunderwercke.
465"Er sieht, was künftig ist, nicht was vor Augen steht;
"Er fragt nicht wie es hier, nein: wie es dorten geht.
"Was meine Mühe, Fleiß, Sorg', Arbeit, Kunst vermögen,
"Dem pflegt er den Begriff der Falschheit beyzulegen.
"Er tadelt mein Bemühn. Was er am Abend schilt,
470"Jst, was am Morgen mehr, als was er lobte, gilt.
"Jch richte, was ich will, so treff' ich keine Sache,
"Aus der sein Aberwiz nicht etwas anders mache.
"Nichts ist, worauf er nicht des Tadels Märckmahl schlägt,
"Er, der doch selber es auf seiner Stirne trägt.
475"Er läßt der Gallen-Sucht die Oberhand erlangen:
"Was er besieht, das muß in gelber Farbe prangen.
"Dann,
Eilftes Buch.
„Wo ihrer Jungen Brut, die zwar kein Wetter ſcheut,
„Von den Verfolgungen des Adler-Feinds befreyt.
455
„Ob alſo gleich der Ruff des Volcks ſich ſollte mehren,
„So find ich nicht was er zukuͤnftiges kann lehren.
„Der Poͤbel wuͤnſcht, verſchmaͤht, liebt, haßt, flieht und begehrt,
„Und alles achtet er vor richtig und bewaͤhrt.
„Das Vorurtheil, der Stolz bewohnen ſein Gemuͤthe;
460„Er folgt auch einem Traum, wann er ihm etwas riethe.
„Was ſeiner Sinnen Kraft und Einfalt nicht erkennt,
„Wird Ungluͤck oder Gluͤck von ſeinem Wahn genennt.
„Jhm iſt die Wiſſenſchaft, der klugen Macht und Staͤrcke
„Ein Vorwand des Betrugs, ein Schein der Wunderwercke.
465„Er ſieht, was kuͤnftig iſt, nicht was vor Augen ſteht;
„Er fragt nicht wie es hier, nein: wie es dorten geht.
„Was meine Muͤhe, Fleiß, Sorg’, Arbeit, Kunſt vermoͤgen,
„Dem pflegt er den Begriff der Falſchheit beyzulegen.
„Er tadelt mein Bemuͤhn. Was er am Abend ſchilt,
470„Jſt, was am Morgen mehr, als was er lobte, gilt.
„Jch richte, was ich will, ſo treff’ ich keine Sache,
„Aus der ſein Aberwiz nicht etwas anders mache.
„Nichts iſt, worauf er nicht des Tadels Maͤrckmahl ſchlaͤgt,
„Er, der doch ſelber es auf ſeiner Stirne traͤgt.
475„Er laͤßt der Gallen-Sucht die Oberhand erlangen:
„Was er beſieht, das muß in gelber Farbe prangen.
„Dann,
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[0137] Eilftes Buch. „Wo ihrer Jungen Brut, die zwar kein Wetter ſcheut, „Von den Verfolgungen des Adler-Feinds befreyt. „Ob alſo gleich der Ruff des Volcks ſich ſollte mehren, „So find ich nicht was er zukuͤnftiges kann lehren. „Der Poͤbel wuͤnſcht, verſchmaͤht, liebt, haßt, flieht und begehrt, „Und alles achtet er vor richtig und bewaͤhrt. „Das Vorurtheil, der Stolz bewohnen ſein Gemuͤthe; „Er folgt auch einem Traum, wann er ihm etwas riethe. „Was ſeiner Sinnen Kraft und Einfalt nicht erkennt, „Wird Ungluͤck oder Gluͤck von ſeinem Wahn genennt. „Jhm iſt die Wiſſenſchaft, der klugen Macht und Staͤrcke „Ein Vorwand des Betrugs, ein Schein der Wunderwercke. „Er ſieht, was kuͤnftig iſt, nicht was vor Augen ſteht; „Er fragt nicht wie es hier, nein: wie es dorten geht. „Was meine Muͤhe, Fleiß, Sorg’, Arbeit, Kunſt vermoͤgen, „Dem pflegt er den Begriff der Falſchheit beyzulegen. „Er tadelt mein Bemuͤhn. Was er am Abend ſchilt, „Jſt, was am Morgen mehr, als was er lobte, gilt. „Jch richte, was ich will, ſo treff’ ich keine Sache, „Aus der ſein Aberwiz nicht etwas anders mache. „Nichts iſt, worauf er nicht des Tadels Maͤrckmahl ſchlaͤgt, „Er, der doch ſelber es auf ſeiner Stirne traͤgt. „Er laͤßt der Gallen-Sucht die Oberhand erlangen: „Was er beſieht, das muß in gelber Farbe prangen. „Dann,

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/137>, abgerufen am 28.04.2024.