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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
Man sähnte sich darnach. Sieh da! von ungefähr
Dringt ein erweckter Lerm von Ohr zu Ohr daher.
Wo man von diesem Saal konnt auf die Gasse sehen,
240Dort sieht man ein Gedräng, ein Lust-Getöß entstehen;
Man reißt die Fenster auf; und viele dringen hin
Als wann ein Wunderwerck vor dem Palast erschien.
Man sieht befremdet an, wie sich der Saal verwirret,
Wie die Neugierigkeit durch alle Reihen irret.
245Jch weiß nicht, wie geschwind sich alles lebhaft macht;
Man lispelt, redet, horcht; man sähnt sich, lauft und lacht.
Es fragt die Königinn den Rath was es bedeute?
Was dann den Saal so schnell zu diesem Lerm verleite?
So hör' ich, daß der Greiß selbst voller Wunder spricht:
250Der Zufall sey ihm neu, er wiß' es selber nicht.
Er geht von dorten fort, vielleicht es zu ergründen,
Warum dann dieß Geräusch, die Regungen entstünden.
Weil man nichts trauriges, nur Freuden-Zeichen spührt,
So zeiget jedes Herz sich desto mehr gerührt.
255Jndessen hört man nur ein Wort von Adler-Schaaren:
So will fast jeder Wiz dadurch was offenbaren.
Der Alte kommt zurück, und mit vergnügtem Sinn
Naht er sich zu dem Thron und sagt der Königinn:
Es sey ein Adler-Schwarm auf den Palast geflogen,
260Das habe diesen Saal, auch schon das Volck bewogen.
Zu-
Thereſiade
Man ſaͤhnte ſich darnach. Sieh da! von ungefaͤhr
Dringt ein erweckter Lerm von Ohr zu Ohr daher.
Wo man von dieſem Saal konnt auf die Gaſſe ſehen,
240Dort ſieht man ein Gedraͤng, ein Luſt-Getoͤß entſtehen;
Man reißt die Fenſter auf; und viele dringen hin
Als wann ein Wunderwerck vor dem Palaſt erſchien.
Man ſieht befremdet an, wie ſich der Saal verwirret,
Wie die Neugierigkeit durch alle Reihen irret.
245Jch weiß nicht, wie geſchwind ſich alles lebhaft macht;
Man liſpelt, redet, horcht; man ſaͤhnt ſich, lauft und lacht.
Es fragt die Koͤniginn den Rath was es bedeute?
Was dann den Saal ſo ſchnell zu dieſem Lerm verleite?
So hoͤr’ ich, daß der Greiß ſelbſt voller Wunder ſpricht:
250Der Zufall ſey ihm neu, er wiß’ es ſelber nicht.
Er geht von dorten fort, vielleicht es zu ergruͤnden,
Warum dann dieß Geraͤuſch, die Regungen entſtuͤnden.
Weil man nichts trauriges, nur Freuden-Zeichen ſpuͤhrt,
So zeiget jedes Herz ſich deſto mehr geruͤhrt.
255Jndeſſen hoͤrt man nur ein Wort von Adler-Schaaren:
So will faſt jeder Wiz dadurch was offenbaren.
Der Alte kommt zuruͤck, und mit vergnuͤgtem Sinn
Naht er ſich zu dem Thron und ſagt der Koͤniginn:
Es ſey ein Adler-Schwarm auf den Palaſt geflogen,
260Das habe dieſen Saal, auch ſchon das Volck bewogen.
Zu-
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[0128] Thereſiade Man ſaͤhnte ſich darnach. Sieh da! von ungefaͤhr Dringt ein erweckter Lerm von Ohr zu Ohr daher. Wo man von dieſem Saal konnt auf die Gaſſe ſehen, Dort ſieht man ein Gedraͤng, ein Luſt-Getoͤß entſtehen; Man reißt die Fenſter auf; und viele dringen hin Als wann ein Wunderwerck vor dem Palaſt erſchien. Man ſieht befremdet an, wie ſich der Saal verwirret, Wie die Neugierigkeit durch alle Reihen irret. Jch weiß nicht, wie geſchwind ſich alles lebhaft macht; Man liſpelt, redet, horcht; man ſaͤhnt ſich, lauft und lacht. Es fragt die Koͤniginn den Rath was es bedeute? Was dann den Saal ſo ſchnell zu dieſem Lerm verleite? So hoͤr’ ich, daß der Greiß ſelbſt voller Wunder ſpricht: Der Zufall ſey ihm neu, er wiß’ es ſelber nicht. Er geht von dorten fort, vielleicht es zu ergruͤnden, Warum dann dieß Geraͤuſch, die Regungen entſtuͤnden. Weil man nichts trauriges, nur Freuden-Zeichen ſpuͤhrt, So zeiget jedes Herz ſich deſto mehr geruͤhrt. Jndeſſen hoͤrt man nur ein Wort von Adler-Schaaren: So will faſt jeder Wiz dadurch was offenbaren. Der Alte kommt zuruͤck, und mit vergnuͤgtem Sinn Naht er ſich zu dem Thron und ſagt der Koͤniginn: Es ſey ein Adler-Schwarm auf den Palaſt geflogen, Das habe dieſen Saal, auch ſchon das Volck bewogen. Zu-

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/128>, abgerufen am 28.04.2024.