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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Zehndes Buch.
365Welch ungemeines Glück erfüllte nicht den Saal
Bey diesem Kinder-Chor, bey diesem Freuden-Mahl!
War irgendswo ein Kind hier oder dort umrungen,
So merckten wir daß sich dahin die meisten drungen;
Biß endlich eine dieß, die andre jenes hielt;
370Das machte, daß der Streit sich allgemach gestillt.
Nur bey dem guten Rath gab es noch Artigkeiten,
Die seines Prinzens Aug' und Herz und Hand erfreuten.
Sein ganzes Leben war in solcher Freud' und Lust,
Daß ihn der treue Greiß fast nicht zu halten wußt.
375So lebhaft und erweckt, so geistreich sein Geblüthe;
So Kummer-voll und schwach schien dieses Manns Gemüthe.
Die Frau, die kurz vorher von beyden Prinzen sprach,
Gieng keinem andern mehr als dem des Alten nach;
Sie sahe theils mit Ernst, theils freundlich die Gebärden,
380Besonders wie der Greiß ihn endlich mit Beschwerden
Auf seinem Arm erhielt: so nahte sie sich ihm,
Verstellte Mien und Aug, auch die sonst helle Stimm,
Und redt' ihn an: "Mein Prinz! seynd dieses Fürsten-Hulden?
(Sie nahm ihn auf den Arm) wer kann die Bürde dulden?
385Den Augenblick ergriff er Eingezogenheit,
Geduld in Regungen, im Aug Ernsthaftigkeit;
Gleich wußt er seinen Trieb der Jugend einzuhalten;
Gleich schien er voll Vernunft; gleich wies er Wiz der Alten.
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Zehndes Buch.
365Welch ungemeines Gluͤck erfuͤllte nicht den Saal
Bey dieſem Kinder-Chor, bey dieſem Freuden-Mahl!
War irgendswo ein Kind hier oder dort umrungen,
So merckten wir daß ſich dahin die meiſten drungen;
Biß endlich eine dieß, die andre jenes hielt;
370Das machte, daß der Streit ſich allgemach geſtillt.
Nur bey dem guten Rath gab es noch Artigkeiten,
Die ſeines Prinzens Aug’ und Herz und Hand erfreuten.
Sein ganzes Leben war in ſolcher Freud’ und Luſt,
Daß ihn der treue Greiß faſt nicht zu halten wußt.
375So lebhaft und erweckt, ſo geiſtreich ſein Gebluͤthe;
So Kummer-voll und ſchwach ſchien dieſes Manns Gemuͤthe.
Die Frau, die kurz vorher von beyden Prinzen ſprach,
Gieng keinem andern mehr als dem des Alten nach;
Sie ſahe theils mit Ernſt, theils freundlich die Gebaͤrden,
380Beſonders wie der Greiß ihn endlich mit Beſchwerden
Auf ſeinem Arm erhielt: ſo nahte ſie ſich ihm,
Verſtellte Mien und Aug, auch die ſonſt helle Stimm,
Und redt’ ihn an: „Mein Prinz! ſeynd dieſes Fuͤrſten-Hulden?
(Sie nahm ihn auf den Arm) wer kann die Buͤrde dulden?
385Den Augenblick ergriff er Eingezogenheit,
Geduld in Regungen, im Aug Ernſthaftigkeit;
Gleich wußt er ſeinen Trieb der Jugend einzuhalten;
Gleich ſchien er voll Vernunft; gleich wies er Wiz der Alten.
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[0107] Zehndes Buch. Welch ungemeines Gluͤck erfuͤllte nicht den Saal Bey dieſem Kinder-Chor, bey dieſem Freuden-Mahl! War irgendswo ein Kind hier oder dort umrungen, So merckten wir daß ſich dahin die meiſten drungen; Biß endlich eine dieß, die andre jenes hielt; Das machte, daß der Streit ſich allgemach geſtillt. Nur bey dem guten Rath gab es noch Artigkeiten, Die ſeines Prinzens Aug’ und Herz und Hand erfreuten. Sein ganzes Leben war in ſolcher Freud’ und Luſt, Daß ihn der treue Greiß faſt nicht zu halten wußt. So lebhaft und erweckt, ſo geiſtreich ſein Gebluͤthe; So Kummer-voll und ſchwach ſchien dieſes Manns Gemuͤthe. Die Frau, die kurz vorher von beyden Prinzen ſprach, Gieng keinem andern mehr als dem des Alten nach; Sie ſahe theils mit Ernſt, theils freundlich die Gebaͤrden, Beſonders wie der Greiß ihn endlich mit Beſchwerden Auf ſeinem Arm erhielt: ſo nahte ſie ſich ihm, Verſtellte Mien und Aug, auch die ſonſt helle Stimm, Und redt’ ihn an: „Mein Prinz! ſeynd dieſes Fuͤrſten-Hulden? (Sie nahm ihn auf den Arm) wer kann die Buͤrde dulden? Den Augenblick ergriff er Eingezogenheit, Geduld in Regungen, im Aug Ernſthaftigkeit; Gleich wußt er ſeinen Trieb der Jugend einzuhalten; Gleich ſchien er voll Vernunft; gleich wies er Wiz der Alten. Es P p

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/107>, abgerufen am 28.04.2024.