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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade
"Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder führen:
"So konnten wir uns nicht in diesem Sturm verliehren.
"Ja, was am plözlichsten sonst zu erschrecken pflegt,
250"War, was in unserm Sinn oft neuen Muth erregt.
"Je mehr der Bliz das Grau der blassen Luft zerrizte,
"Je mehr in unsrer Brust sich Trost und Hoffnung stüzte.
"Die Finsterniß nahm uns der Augen Zuversicht,
"Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht,
255"Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten sehen,
"Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen.

"Nun ruff' ich billich auf: Wer halff bey dieser Fart?
"Da ihr noch selber nicht zum Beystand einig wart?
"Wie taugte dazumahl ein menschliches Vermögen?
260"Drum suchten wir die Macht des Himmels zu bewegen:
"Zu solchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht;
"Und so verschwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht.
"GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn seynd wir gerettet,
"Jhn haben wir allein um Beystand angebetet.
265"Was sonst konnt hilfflich seyn, war was vor uns entwich,

"Weil schon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchschlich.
"Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren,
"Und wiedersezte sich den Herrsucht-vollen Schaaren.
"Das hat die Frömmigkeit, ich, mein Gebeth erfüllt.
270"So streitet man umsonst, woher die Wohlfart quillt.
Die

Thereſiade
„Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder fuͤhren:
„So konnten wir uns nicht in dieſem Sturm verliehren.
„Ja, was am ploͤzlichſten ſonſt zu erſchrecken pflegt,
250„War, was in unſerm Sinn oft neuen Muth erregt.
„Je mehr der Bliz das Grau der blaſſen Luft zerrizte,
„Je mehr in unſrer Bruſt ſich Troſt und Hoffnung ſtuͤzte.
„Die Finſterniß nahm uns der Augen Zuverſicht,
„Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht,
255„Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten ſehen,
„Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen.

„Nun ruff’ ich billich auf: Wer halff bey dieſer Fart?
„Da ihr noch ſelber nicht zum Beyſtand einig wart?
„Wie taugte dazumahl ein menſchliches Vermoͤgen?
260„Drum ſuchten wir die Macht des Himmels zu bewegen:
„Zu ſolchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht;
„Und ſo verſchwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht.
„GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn ſeynd wir gerettet,
„Jhn haben wir allein um Beyſtand angebetet.
265„Was ſonſt konnt hilfflich ſeyn, war was vor uns entwich,

„Weil ſchon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchſchlich.
„Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren,
„Und wiederſezte ſich den Herꝛſucht-vollen Schaaren.
„Das hat die Froͤmmigkeit, ich, mein Gebeth erfuͤllt.
270„So ſtreitet man umſonſt, woher die Wohlfart quillt.
Die
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[0091] Thereſiade „Vom Pol entferneten: mich traff das Ruder fuͤhren: „So konnten wir uns nicht in dieſem Sturm verliehren. „Ja, was am ploͤzlichſten ſonſt zu erſchrecken pflegt, „War, was in unſerm Sinn oft neuen Muth erregt. „Je mehr der Bliz das Grau der blaſſen Luft zerrizte, „Je mehr in unſrer Bruſt ſich Troſt und Hoffnung ſtuͤzte. „Die Finſterniß nahm uns der Augen Zuverſicht, „Der Bliz hingegen gab uns wieder Schein und Licht, „Daß wir den Lauf des Sturms, das Wetter konnten ſehen, „Und folglich der Gefahr des Untergangs entgehen. „Nun ruff’ ich billich auf: Wer halff bey dieſer Fart? „Da ihr noch ſelber nicht zum Beyſtand einig wart? „Wie taugte dazumahl ein menſchliches Vermoͤgen? „Drum ſuchten wir die Macht des Himmels zu bewegen: „Zu ſolchem End hab ichs, die Frommigkeit, gebracht; „Und ſo verſchwand der Greul der Schrecken-vollen Nacht. „GOtt gab uns Hilff und Schuz; durch ihn ſeynd wir gerettet, „Jhn haben wir allein um Beyſtand angebetet. „Was ſonſt konnt hilfflich ſeyn, war was vor uns entwich, „Weil ſchon der Feinde Gifft der Freunde Blut durchſchlich. „Nur was uns GOtt verlieh, gieng, trozte die Gefahren, „Und wiederſezte ſich den Herꝛſucht-vollen Schaaren. „Das hat die Froͤmmigkeit, ich, mein Gebeth erfuͤllt. „So ſtreitet man umſonſt, woher die Wohlfart quillt. Die

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/91>, abgerufen am 05.05.2024.