Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade
"Und sagt! was ist im Lauf der Zeiten vorgekommen,
"Wo nicht die Großmuth sich des Wercks hat angenommen?

"Entschliesset, was ihr wollt, des Frieses Ehren-Stein
"Könnt nur durch meinen Preiß und Nahmen prächtig seyn.
155"So wüßt ich nicht wer sonst denselben Platz bewohne,
"Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone?
Jndem die Großmuth so von ihren Thaten sprach,
Gieng meine Wißbegier fast allen Blicken nach;
Jch wurde nimmer satt dieselben zu betrachten,
160Weil sie mein Auge stets in mehr Ergözung brachten.
Die schwieg. Nun merckten wir, daß seitwärts eine Frau
Von reizender Gestalt auf ihre Nächste schau;
Wie, wann sie Rath verlang, ob sie sich melden solte,
Sonst aber ihren Sinn noch nicht eröffnen wolte.
165Ein freundliches Gesicht, in dessen Augen-Paar
Fried, Unschuld, Sittsamkeit und Ruhe kenntlich war;
Man las in ihrer Ernst- und Demuths-vollen Miene,
Daß ihr in diesem Streit noch nichts erwiesen schiene.
Sie trat zwar würcklich auf, doch redte sie noch nicht,
170Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angesicht.
Es sprach ihr jemand zu; daß sie sich endlich wagte,
Und mit Bedachtsamkeit die frommen Worte sagte:
"Man streitet um den Rang, Freundinnen! viel zu sehr:
"Glück, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her.
"Doch

Thereſiade
„Und ſagt! was iſt im Lauf der Zeiten vorgekommen,
„Wo nicht die Großmuth ſich des Wercks hat angenommen?

„Entſchlieſſet, was ihr wollt, des Frieſes Ehren-Stein
„Koͤnnt nur durch meinen Preiß und Nahmen praͤchtig ſeyn.
155„So wuͤßt ich nicht wer ſonſt denſelben Platz bewohne,
„Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone?
Jndem die Großmuth ſo von ihren Thaten ſprach,
Gieng meine Wißbegier faſt allen Blicken nach;
Jch wurde nimmer ſatt dieſelben zu betrachten,
160Weil ſie mein Auge ſtets in mehr Ergoͤzung brachten.
Die ſchwieg. Nun merckten wir, daß ſeitwaͤrts eine Frau
Von reizender Geſtalt auf ihre Naͤchſte ſchau;
Wie, wann ſie Rath verlang, ob ſie ſich melden ſolte,
Sonſt aber ihren Sinn noch nicht eroͤffnen wolte.
165Ein freundliches Geſicht, in deſſen Augen-Paar
Fried, Unſchuld, Sittſamkeit und Ruhe kenntlich war;
Man las in ihrer Ernſt- und Demuths-vollen Miene,
Daß ihr in dieſem Streit noch nichts erwieſen ſchiene.
Sie trat zwar wuͤrcklich auf, doch redte ſie noch nicht,
170Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angeſicht.
Es ſprach ihr jemand zu; daß ſie ſich endlich wagte,
Und mit Bedachtſamkeit die frommen Worte ſagte:
„Man ſtreitet um den Rang, Freundinnen! viel zu ſehr:
„Gluͤck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her.
„Doch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <pb facs="#f0087"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
              <l>&#x201E;Und &#x017F;agt! was i&#x017F;t im Lauf der Zeiten vorgekommen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wo nicht die Großmuth &#x017F;ich des Wercks hat angenommen?</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et, was ihr wollt, des Frie&#x017F;es Ehren-Stein</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ko&#x0364;nnt nur durch meinen Preiß und Nahmen pra&#x0364;chtig &#x017F;eyn.</l><lb/>
              <l><note place="left">155</note>&#x201E;So wu&#x0364;ßt ich nicht wer &#x017F;on&#x017F;t den&#x017F;elben Platz bewohne,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone?</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Jndem die Großmuth &#x017F;o von ihren Thaten &#x017F;prach,</l><lb/>
              <l>Gieng meine Wißbegier fa&#x017F;t allen Blicken nach;</l><lb/>
              <l>Jch wurde nimmer &#x017F;att die&#x017F;elben zu betrachten,</l><lb/>
              <l><note place="left">160</note>Weil &#x017F;ie mein Auge &#x017F;tets in mehr Ergo&#x0364;zung brachten.</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;chwieg. Nun merckten wir, daß &#x017F;eitwa&#x0364;rts eine Frau</l><lb/>
              <l>Von reizender Ge&#x017F;talt auf ihre Na&#x0364;ch&#x017F;te &#x017F;chau;</l><lb/>
              <l>Wie, wann &#x017F;ie Rath verlang, ob &#x017F;ie &#x017F;ich melden &#x017F;olte,</l><lb/>
              <l>Son&#x017F;t aber ihren Sinn noch nicht ero&#x0364;ffnen wolte.</l><lb/>
              <l><note place="left">165</note>Ein freundliches Ge&#x017F;icht, in de&#x017F;&#x017F;en Augen-Paar</l><lb/>
              <l>Fried, Un&#x017F;chuld, Sitt&#x017F;amkeit und Ruhe kenntlich war;</l><lb/>
              <l>Man las in ihrer Ern&#x017F;t- und Demuths-vollen Miene,</l><lb/>
              <l>Daß ihr in die&#x017F;em Streit noch nichts erwie&#x017F;en &#x017F;chiene.</l><lb/>
              <l>Sie trat zwar wu&#x0364;rcklich auf, doch redte &#x017F;ie noch nicht,</l><lb/>
              <l><note place="left">170</note>Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Ange&#x017F;icht.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;prach ihr jemand zu; daß &#x017F;ie &#x017F;ich endlich wagte,</l><lb/>
              <l>Und mit Bedacht&#x017F;amkeit die frommen Worte &#x017F;agte:</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Man &#x017F;treitet um den Rang, Freundinnen! viel zu &#x017F;ehr:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Glu&#x0364;ck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her.</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Doch</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0087] Thereſiade „Und ſagt! was iſt im Lauf der Zeiten vorgekommen, „Wo nicht die Großmuth ſich des Wercks hat angenommen? „Entſchlieſſet, was ihr wollt, des Frieſes Ehren-Stein „Koͤnnt nur durch meinen Preiß und Nahmen praͤchtig ſeyn. „So wuͤßt ich nicht wer ſonſt denſelben Platz bewohne, „Die Krone gibt dem Schmuck den Werth, nicht er der Krone? Jndem die Großmuth ſo von ihren Thaten ſprach, Gieng meine Wißbegier faſt allen Blicken nach; Jch wurde nimmer ſatt dieſelben zu betrachten, Weil ſie mein Auge ſtets in mehr Ergoͤzung brachten. Die ſchwieg. Nun merckten wir, daß ſeitwaͤrts eine Frau Von reizender Geſtalt auf ihre Naͤchſte ſchau; Wie, wann ſie Rath verlang, ob ſie ſich melden ſolte, Sonſt aber ihren Sinn noch nicht eroͤffnen wolte. Ein freundliches Geſicht, in deſſen Augen-Paar Fried, Unſchuld, Sittſamkeit und Ruhe kenntlich war; Man las in ihrer Ernſt- und Demuths-vollen Miene, Daß ihr in dieſem Streit noch nichts erwieſen ſchiene. Sie trat zwar wuͤrcklich auf, doch redte ſie noch nicht, Ein angenehmes Roth durchbrach ihr Angeſicht. Es ſprach ihr jemand zu; daß ſie ſich endlich wagte, Und mit Bedachtſamkeit die frommen Worte ſagte: „Man ſtreitet um den Rang, Freundinnen! viel zu ſehr: „Gluͤck, Wohlfahrt, Rath und Hilff komt nur von oben her. „Doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/87
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/87>, abgerufen am 05.05.2024.