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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade

"Erreicht er seinen Zweck, was fragt er um die Treu?
630"Es ist genug daß ihm die List gelungen sey.

"Den Ausschlag pflegt er dann so lebhaft zu befärben,
"Als sucht' er alles nur durch Freundschaft zu erwerben.
"O GOtt-verhaßte Treu! die nur der Maß-Stab ist,
"Womit die Ländersucht die fremden Rechte mißt!
635"Die, die hab ich bisher verschmäht und so getruzet,

"Daß sie den Feinden mehr geschadet als genuzet.

"Recht, Wahrheit, Glaub und Treu seynd stets verfolgt, verhaßt,
"Doch bleiben sie beherzt mit ihrer Macht gefaßt;
"Sie schüzen Stadt und Wall, sie pflegen nicht zu streiten,
640"Als ihre Wirckungen und Tugend auszubreiten.

"Mit diesen kann ein Thron in höchster Wohlfart stehn,
"Seynd sie entfernt, so muß die gröste Macht vergehn.
"Getreu und redlich seyn lehrt Königliche Herzen
"Der Feinde Drohungen und stillen Groll verschmerzen.
645"Hierdurch wird Land und Volck in Fried und Ruh gesezt,

"Wo Treu den Zepter führt, bleibt alles unverlezt.
"Vertraut man aber sich der Falschheit Spiel und Räncken,
"Da pflegt man Glück und Wohl in den Verfall zu lencken.
"Der herrscht, verbindet sich; die Treu [ma]cht diesen Bund,
650"Und dieser legt dem Staat zu seinem Heil den Grund.

"Der Treu nicht in der That, nur in den Worten nähret,
"Der wundere sich nicht, wann er sich selbst verzehret.
"Läßt

Thereſiade

„Erreicht er ſeinen Zweck, was fragt er um die Treu?
630„Es iſt genug daß ihm die Liſt gelungen ſey.

„Den Ausſchlag pflegt er dann ſo lebhaft zu befaͤrben,
„Als ſucht’ er alles nur durch Freundſchaft zu erwerben.
„O GOtt-verhaßte Treu! die nur der Maß-Stab iſt,
„Womit die Laͤnderſucht die fremden Rechte mißt!
635„Die, die hab ich bisher verſchmaͤht und ſo getruzet,

„Daß ſie den Feinden mehr geſchadet als genuzet.

„Recht, Wahrheit, Glaub und Treu ſeynd ſtets verfolgt, verhaßt,
„Doch bleiben ſie beherzt mit ihrer Macht gefaßt;
„Sie ſchuͤzen Stadt und Wall, ſie pflegen nicht zu ſtreiten,
640„Als ihre Wirckungen und Tugend auszubreiten.

„Mit dieſen kann ein Thron in hoͤchſter Wohlfart ſtehn,
„Seynd ſie entfernt, ſo muß die groͤſte Macht vergehn.
„Getreu und redlich ſeyn lehrt Koͤnigliche Herzen
„Der Feinde Drohungen und ſtillen Groll verſchmerzen.
645„Hierdurch wird Land und Volck in Fried und Ruh geſezt,

„Wo Treu den Zepter fuͤhrt, bleibt alles unverlezt.
„Vertraut man aber ſich der Falſchheit Spiel und Raͤncken,
„Da pflegt man Gluͤck und Wohl in den Verfall zu lencken.
„Der herꝛſcht, verbindet ſich; die Treu [ma]cht dieſen Bund,
650„Und dieſer legt dem Staat zu ſeinem Heil den Grund.

„Der Treu nicht in der That, nur in den Worten naͤhret,
„Der wundere ſich nicht, wann er ſich ſelbſt verzehret.
„Laͤßt
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[0203] Thereſiade „Erreicht er ſeinen Zweck, was fragt er um die Treu? „Es iſt genug daß ihm die Liſt gelungen ſey. „Den Ausſchlag pflegt er dann ſo lebhaft zu befaͤrben, „Als ſucht’ er alles nur durch Freundſchaft zu erwerben. „O GOtt-verhaßte Treu! die nur der Maß-Stab iſt, „Womit die Laͤnderſucht die fremden Rechte mißt! „Die, die hab ich bisher verſchmaͤht und ſo getruzet, „Daß ſie den Feinden mehr geſchadet als genuzet. „Recht, Wahrheit, Glaub und Treu ſeynd ſtets verfolgt, verhaßt, „Doch bleiben ſie beherzt mit ihrer Macht gefaßt; „Sie ſchuͤzen Stadt und Wall, ſie pflegen nicht zu ſtreiten, „Als ihre Wirckungen und Tugend auszubreiten. „Mit dieſen kann ein Thron in hoͤchſter Wohlfart ſtehn, „Seynd ſie entfernt, ſo muß die groͤſte Macht vergehn. „Getreu und redlich ſeyn lehrt Koͤnigliche Herzen „Der Feinde Drohungen und ſtillen Groll verſchmerzen. „Hierdurch wird Land und Volck in Fried und Ruh geſezt, „Wo Treu den Zepter fuͤhrt, bleibt alles unverlezt. „Vertraut man aber ſich der Falſchheit Spiel und Raͤncken, „Da pflegt man Gluͤck und Wohl in den Verfall zu lencken. „Der herꝛſcht, verbindet ſich; die Treu macht dieſen Bund, „Und dieſer legt dem Staat zu ſeinem Heil den Grund. „Der Treu nicht in der That, nur in den Worten naͤhret, „Der wundere ſich nicht, wann er ſich ſelbſt verzehret. „Laͤßt

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/203>, abgerufen am 27.04.2024.