Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Theresiade
Hierauf ward alles still; so trat die Treu hervor,
Weil sie die Mildigkeit vor andern auserkohr.
Ein heiteres Gesicht in den begreißten Haaren
Gab Zeugniß, daß sie mehr versteh' und mehr erfahren,
345Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt;

So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Gehör ertheilt;
Thalia sagte mir: "Aus dieser Tugend Wercken
"Kann man der Staaten Heil, Bestand und Wohlfahrt mercken.
"Der Freundschaft Grund und Macht, Gesez und Recht vergeht,
350"Wann man derselben Amt und Wirckungen verschmäht.

"Jhr Amt ist, nur ein Wort ein theures Wort zu sprechen;
"Von solchem abzugehn, nennt sie ein Staats-Verbrechen.
Sie aber fieng schon an: "Freundinnen! zeigtet ihr
"Nichts als nur eure Pflicht, und brächt' ich jezund hier
355"Nicht mein Vermögen vor, das euch vielmehr genüzet,

"Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorgeschüzet,
"So wär nichts richtigers, als unsrer Frage Schluß,
"Den ich, so viel mir scheint, euch nun erklären muß.
"Oft siegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen;
360"Doch hat der Himmel uns stets seinen Schuz verliehen.

"Warum? die Königinn baut allzeit auf die Treu,
"Der pflichtet GOtt und Mensch mehr als euch allen bey.
"Wann ihr der Königinn nicht wäret treu gewesen,
"Was wurde man von ihr, von euren Thaten lesen?
"Wer
Thereſiade
Hierauf ward alles ſtill; ſo trat die Treu hervor,
Weil ſie die Mildigkeit vor andern auserkohr.
Ein heiteres Geſicht in den begreißten Haaren
Gab Zeugniß, daß ſie mehr verſteh’ und mehr erfahren,
345Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt;

So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Gehoͤr ertheilt;
Thalia ſagte mir: „Aus dieſer Tugend Wercken
„Kann man der Staaten Heil, Beſtand und Wohlfahrt mercken.
„Der Freundſchaft Grund und Macht, Geſez und Recht vergeht,
350„Wann man derſelben Amt und Wirckungen verſchmaͤht.

„Jhr Amt iſt, nur ein Wort ein theures Wort zu ſprechen;
„Von ſolchem abzugehn, nennt ſie ein Staats-Verbrechen.
Sie aber fieng ſchon an: „Freundinnen! zeigtet ihr
„Nichts als nur eure Pflicht, und braͤcht’ ich jezund hier
355„Nicht mein Vermoͤgen vor, das euch vielmehr genuͤzet,

„Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorgeſchuͤzet,
„So waͤr nichts richtigers, als unſrer Frage Schluß,
„Den ich, ſo viel mir ſcheint, euch nun erklaͤren muß.
„Oft ſiegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen;
360„Doch hat der Himmel uns ſtets ſeinen Schuz verliehen.

„Warum? die Koͤniginn baut allzeit auf die Treu,
„Der pflichtet GOtt und Menſch mehr als euch allen bey.
„Wann ihr der Koͤniginn nicht waͤret treu geweſen,
„Was wurde man von ihr, von euren Thaten leſen?
„Wer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0191"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw><lb/>
            <lg>
              <l>Hierauf ward alles &#x017F;till; &#x017F;o trat die <hi rendition="#fr">Treu</hi> hervor,</l><lb/>
              <l>Weil &#x017F;ie die Mildigkeit vor andern auserkohr.</l><lb/>
              <l>Ein heiteres Ge&#x017F;icht in den begreißten Haaren</l><lb/>
              <l>Gab Zeugniß, daß &#x017F;ie mehr ver&#x017F;teh&#x2019; und mehr erfahren,<lb/><note place="left">345</note>Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt;</l><lb/>
              <l>So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Geho&#x0364;r ertheilt;</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Thalia &#x017F;agte mir: &#x201E;Aus die&#x017F;er Tugend Wercken</l><lb/>
              <l>&#x201E;Kann man der Staaten Heil, Be&#x017F;tand und Wohlfahrt mercken.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Freund&#x017F;chaft Grund und Macht, Ge&#x017F;ez und Recht vergeht,<lb/><note place="left">350</note>&#x201E;Wann man der&#x017F;elben Amt und Wirckungen ver&#x017F;chma&#x0364;ht.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jhr Amt i&#x017F;t, nur ein Wort ein theures Wort zu &#x017F;prechen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Von &#x017F;olchem abzugehn, nennt &#x017F;ie ein Staats-Verbrechen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>Sie aber fieng &#x017F;chon an: &#x201E;Freundinnen! zeigtet ihr</l><lb/>
              <l>&#x201E;Nichts als nur eure Pflicht, und bra&#x0364;cht&#x2019; ich jezund hier<lb/><note place="left">355</note>&#x201E;Nicht mein Vermo&#x0364;gen vor, das euch vielmehr genu&#x0364;zet,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorge&#x017F;chu&#x0364;zet,</l><lb/>
              <l>&#x201E;So wa&#x0364;r nichts richtigers, als un&#x017F;rer Frage Schluß,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Den ich, &#x017F;o viel mir &#x017F;cheint, euch nun erkla&#x0364;ren muß.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;Oft &#x017F;iegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen;<lb/><note place="left">360</note>&#x201E;Doch hat der Himmel uns &#x017F;tets &#x017F;einen Schuz verliehen.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Warum? die Ko&#x0364;niginn baut allzeit auf die Treu,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der pflichtet GOtt und Men&#x017F;ch mehr als euch allen bey.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wann ihr der Ko&#x0364;niginn nicht wa&#x0364;ret treu gewe&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was wurde man von ihr, von euren Thaten le&#x017F;en?</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Wer</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] Thereſiade Hierauf ward alles ſtill; ſo trat die Treu hervor, Weil ſie die Mildigkeit vor andern auserkohr. Ein heiteres Geſicht in den begreißten Haaren Gab Zeugniß, daß ſie mehr verſteh’ und mehr erfahren, Als jene, welche dort mit Eifer vorgeeilt; So ward ihr von dem Kreiß auch gleich Gehoͤr ertheilt; Thalia ſagte mir: „Aus dieſer Tugend Wercken „Kann man der Staaten Heil, Beſtand und Wohlfahrt mercken. „Der Freundſchaft Grund und Macht, Geſez und Recht vergeht, „Wann man derſelben Amt und Wirckungen verſchmaͤht. „Jhr Amt iſt, nur ein Wort ein theures Wort zu ſprechen; „Von ſolchem abzugehn, nennt ſie ein Staats-Verbrechen. Sie aber fieng ſchon an: „Freundinnen! zeigtet ihr „Nichts als nur eure Pflicht, und braͤcht’ ich jezund hier „Nicht mein Vermoͤgen vor, das euch vielmehr genuͤzet, „Als alles, was der Kreiß biß jezt hat vorgeſchuͤzet, „So waͤr nichts richtigers, als unſrer Frage Schluß, „Den ich, ſo viel mir ſcheint, euch nun erklaͤren muß. „Oft ſiegten wir im Feld; oft mußten wir auch fliehen; „Doch hat der Himmel uns ſtets ſeinen Schuz verliehen. „Warum? die Koͤniginn baut allzeit auf die Treu, „Der pflichtet GOtt und Menſch mehr als euch allen bey. „Wann ihr der Koͤniginn nicht waͤret treu geweſen, „Was wurde man von ihr, von euren Thaten leſen? „Wer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/191
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/191>, abgerufen am 04.05.2024.