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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade
245
"An diese Tugend ist Theresia gewohnt,
"So wißt ihr nun, warum sie oft die Feinde schont.
"Sie kennt die Rache nicht. Sie scheut das Blut-vergiessen;
"So kann man leicht daraus den Ursprung dessen schliessen,
"Warum sie manchen Feind aus der Gefangenschaft,
250"Jn die derselbe sich aus Furcht oft hingerafft,

"Still und aus Mildigkeit entfliehn, verschwinden liesse:
"Sie wollte nicht daß Blut anstatt der Güte fliesse.
"Jhr wißt den Abzug noch, durch welchen manche Schaar
"Der Noth, des Untergangs, des Schwerts befreyet war.
255"Nein! sagte sie, was hilffts, wann sie für Gram verschmachten?

"Genug, daß sie sich selbst so weit entwaffnet machten;
"Sie wollte nicht, daß sie durch ihrer Krieger Schwert
"Vertilget sollten seyn, durch Elend aufgezehrt.
"Man soll des schärffsten Rechts sich jederzeit enthalten,
260"So lang die Mildigkeit mit Nuzen wurde walten.

"Genug, wann man den Feind aus ihren Staaten trieb,
"Das ist der Sieg, womit ihr Herz zu frieden blieb.
"Sie wollte nicht daß man so vieles Blut versprize,
"Und daß der Helden-Muth sich allzu weit erhize.
265
"Sie fraget selten nach, ob man den Feind besiegt;
"Sie seufzt, erschrickt und fragt: ob viel zu Boden ligt?
"Wie vielmahl klagt sie nicht, daß man zu scharff gestritten,
"Man habe den Befehl unnöthig überschritten.
"The-
Thereſiade
245
„An dieſe Tugend iſt Thereſia gewohnt,
„So wißt ihr nun, warum ſie oft die Feinde ſchont.
„Sie kennt die Rache nicht. Sie ſcheut das Blut-vergieſſen;
„So kann man leicht daraus den Urſprung deſſen ſchlieſſen,
„Warum ſie manchen Feind aus der Gefangenſchaft,
250„Jn die derſelbe ſich aus Furcht oft hingerafft,

„Still und aus Mildigkeit entfliehn, verſchwinden lieſſe:
„Sie wollte nicht daß Blut anſtatt der Guͤte flieſſe.
„Jhr wißt den Abzug noch, durch welchen manche Schaar
„Der Noth, des Untergangs, des Schwerts befreyet war.
255„Nein! ſagte ſie, was hilffts, wann ſie fuͤr Gram verſchmachten?

„Genug, daß ſie ſich ſelbſt ſo weit entwaffnet machten;
„Sie wollte nicht, daß ſie durch ihrer Krieger Schwert
„Vertilget ſollten ſeyn, durch Elend aufgezehrt.
„Man ſoll des ſchaͤrffſten Rechts ſich jederzeit enthalten,
260„So lang die Mildigkeit mit Nuzen wurde walten.

„Genug, wann man den Feind aus ihren Staaten trieb,
„Das iſt der Sieg, womit ihr Herz zu frieden blieb.
„Sie wollte nicht daß man ſo vieles Blut verſprize,
„Und daß der Helden-Muth ſich allzu weit erhize.
265
„Sie fraget ſelten nach, ob man den Feind beſiegt;
„Sie ſeufzt, erſchrickt und fragt: ob viel zu Boden ligt?
„Wie vielmahl klagt ſie nicht, daß man zu ſcharff geſtritten,
„Man habe den Befehl unnoͤthig uͤberſchritten.
„The-
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[0187] Thereſiade „An dieſe Tugend iſt Thereſia gewohnt, „So wißt ihr nun, warum ſie oft die Feinde ſchont. „Sie kennt die Rache nicht. Sie ſcheut das Blut-vergieſſen; „So kann man leicht daraus den Urſprung deſſen ſchlieſſen, „Warum ſie manchen Feind aus der Gefangenſchaft, „Jn die derſelbe ſich aus Furcht oft hingerafft, „Still und aus Mildigkeit entfliehn, verſchwinden lieſſe: „Sie wollte nicht daß Blut anſtatt der Guͤte flieſſe. „Jhr wißt den Abzug noch, durch welchen manche Schaar „Der Noth, des Untergangs, des Schwerts befreyet war. „Nein! ſagte ſie, was hilffts, wann ſie fuͤr Gram verſchmachten? „Genug, daß ſie ſich ſelbſt ſo weit entwaffnet machten; „Sie wollte nicht, daß ſie durch ihrer Krieger Schwert „Vertilget ſollten ſeyn, durch Elend aufgezehrt. „Man ſoll des ſchaͤrffſten Rechts ſich jederzeit enthalten, „So lang die Mildigkeit mit Nuzen wurde walten. „Genug, wann man den Feind aus ihren Staaten trieb, „Das iſt der Sieg, womit ihr Herz zu frieden blieb. „Sie wollte nicht daß man ſo vieles Blut verſprize, „Und daß der Helden-Muth ſich allzu weit erhize. „Sie fraget ſelten nach, ob man den Feind beſiegt; „Sie ſeufzt, erſchrickt und fragt: ob viel zu Boden ligt? „Wie vielmahl klagt ſie nicht, daß man zu ſcharff geſtritten, „Man habe den Befehl unnoͤthig uͤberſchritten. „The-

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/187>, abgerufen am 04.05.2024.