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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Sechstes Buch.
"So bringt Verzweiflung Sieg, wo Mildigkeit veracht;
"So wird der Waffen Stolz in Niedrigkeit gebracht;
"So wird Unmildigkeit durch eignen Troz zernichtet;
"So wird zum eignen Sturz der Abgrund zugerichtet;
225"So findet man Verlust, wo man den Nuzen sucht;

"So wird des Anfangs Glück beym Ausgang oft verflucht.
"Der mich verläßt, verderbt und schwächet sein Geschicke,
"Der meine Macht verschmäht, entfernt sich von dem Glücke.
"Wo meine Güte fehlt, geht manches Werck zu Grund,
230"Das sonsten sich erhielt, wann ich zugegen stund.

"Es kann zu keiner Zeit mir am Gewehr gebrechen,
"Jch weiß durch Mildigkeit für alles gut zu sprechen.
"Das Lager rauchet noch, der Schrecken ist zerstreut,
"Die Mauren seynd entsezt, der Freuden-Tag bereit.
235"Hätt sich der Stürmer Haupt der Mildigkeit bedienet,

"So hätte sich die Stadt zum Ausfall nicht erkühnet.
"Wo die Verzweiflung herrscht, wird Mord und Tod veracht;
"Der Schluß erwächst in Grimm; der Grimm in eine Macht,
"Die schafft sich Luft, und raßt: nichts kann ihr Rasen dämpfen,
240"Derselben wiederstehn heißt wieder Felsen kämpfen.

"Man stürzt sich in Gefahr; so folgt man sonst dem Rath,
"Man gibt derselben Flucht durch goldne Brücken Statt;
"Wann ich befehlen kann, erfährt man nichts dergleichen,
"Wo Zwang unfruchtbar ist laß' ich den Feind verschleichen.
245 "An
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Sechſtes Buch.
„So bringt Verzweiflung Sieg, wo Mildigkeit veracht;
„So wird der Waffen Stolz in Niedrigkeit gebracht;
„So wird Unmildigkeit durch eignen Troz zernichtet;
„So wird zum eignen Sturz der Abgrund zugerichtet;
225„So findet man Verluſt, wo man den Nuzen ſucht;

„So wird des Anfangs Gluͤck beym Ausgang oft verflucht.
„Der mich verlaͤßt, verderbt und ſchwaͤchet ſein Geſchicke,
„Der meine Macht verſchmaͤht, entfernt ſich von dem Gluͤcke.
„Wo meine Guͤte fehlt, geht manches Werck zu Grund,
230„Das ſonſten ſich erhielt, wann ich zugegen ſtund.

„Es kann zu keiner Zeit mir am Gewehr gebrechen,
„Jch weiß durch Mildigkeit fuͤr alles gut zu ſprechen.
„Das Lager rauchet noch, der Schrecken iſt zerſtreut,
„Die Mauren ſeynd entſezt, der Freuden-Tag bereit.
235„Haͤtt ſich der Stuͤrmer Haupt der Mildigkeit bedienet,

„So haͤtte ſich die Stadt zum Ausfall nicht erkuͤhnet.
„Wo die Verzweiflung herꝛſcht, wird Mord und Tod veracht;
„Der Schluß erwaͤchſt in Grimm; der Grimm in eine Macht,
„Die ſchafft ſich Luft, und raßt: nichts kann ihr Raſen daͤmpfen,
240„Derſelben wiederſtehn heißt wieder Felſen kaͤmpfen.

„Man ſtuͤrzt ſich in Gefahr; ſo folgt man ſonſt dem Rath,
„Man gibt derſelben Flucht durch goldne Bruͤcken Statt;
„Wann ich befehlen kann, erfaͤhrt man nichts dergleichen,
„Wo Zwang unfruchtbar iſt laß’ ich den Feind verſchleichen.
245 „An
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[0186] Sechſtes Buch. „So bringt Verzweiflung Sieg, wo Mildigkeit veracht; „So wird der Waffen Stolz in Niedrigkeit gebracht; „So wird Unmildigkeit durch eignen Troz zernichtet; „So wird zum eignen Sturz der Abgrund zugerichtet; „So findet man Verluſt, wo man den Nuzen ſucht; „So wird des Anfangs Gluͤck beym Ausgang oft verflucht. „Der mich verlaͤßt, verderbt und ſchwaͤchet ſein Geſchicke, „Der meine Macht verſchmaͤht, entfernt ſich von dem Gluͤcke. „Wo meine Guͤte fehlt, geht manches Werck zu Grund, „Das ſonſten ſich erhielt, wann ich zugegen ſtund. „Es kann zu keiner Zeit mir am Gewehr gebrechen, „Jch weiß durch Mildigkeit fuͤr alles gut zu ſprechen. „Das Lager rauchet noch, der Schrecken iſt zerſtreut, „Die Mauren ſeynd entſezt, der Freuden-Tag bereit. „Haͤtt ſich der Stuͤrmer Haupt der Mildigkeit bedienet, „So haͤtte ſich die Stadt zum Ausfall nicht erkuͤhnet. „Wo die Verzweiflung herꝛſcht, wird Mord und Tod veracht; „Der Schluß erwaͤchſt in Grimm; der Grimm in eine Macht, „Die ſchafft ſich Luft, und raßt: nichts kann ihr Raſen daͤmpfen, „Derſelben wiederſtehn heißt wieder Felſen kaͤmpfen. „Man ſtuͤrzt ſich in Gefahr; ſo folgt man ſonſt dem Rath, „Man gibt derſelben Flucht durch goldne Bruͤcken Statt; „Wann ich befehlen kann, erfaͤhrt man nichts dergleichen, „Wo Zwang unfruchtbar iſt laß’ ich den Feind verſchleichen. 245 „An Y 2

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/186>, abgerufen am 04.05.2024.