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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade

"Jch unterbrach die Ruh. Kaum hörte sie von mir
390"Der Flutten Raserey, so brandt sie für Begier

"Dem so bedrängten Volck persönlich beyzustehen;
"Sie sprung vom Bett, um Hilff und Rettung umzusehen.
"Sie lief und folgte mir; vergaß die Königinn.
"Es lag ihr nur die Noth des treuen Volcks im Sinn.
395"Was immer helffen konnt, ward plözlich angefrischet;

"Fast hätte sie sich selbst in die Gefahr gemischet.
"Nichts fand' ich unermahnt. Jhr eigner Ehgemahl
"War von der Helffenden Mitleidens-vollen Zahl.
"Fort! hurtig! auf! geschwind! man eile, laufe, renne!
400"So rieff Theresia, damit man Beystand gönne.

"Genug! das ganze Volck, so gar die wilde Flutt
"Mußt ihr gehorsam seyn: sie bog die stolze Wuth,
"Und trug der Schiffe Last auf Pfeilen-schnellen Wellen,
"Dem hart bedrängten Volck die Nahrung zuzustellen,
405"Womit Theresia sie gleich beladen ließ,

"Und die verlassne Stadt der Hungers-Noth entriß.

"Das Kleinod ihrer Brust, so wir Mit-Vater heissen,
"Läßt selber von dem Strohm sich in die Wirbel reissen.
"Er eilt, besteigt den Kahn, gibt Leib und Leben Preiß,
410"Scheut weder die Gewalt der Wässer, noch das Eis.

"Er schwimmt durch die Gefahr; der Ruder-Knecht erblasset,
"Daß dieser Fürst den Muth so kühn zu schiffen, fasset;
"Doch

Thereſiade

„Jch unterbrach die Ruh. Kaum hoͤrte ſie von mir
390„Der Flutten Raſerey, ſo brandt ſie fuͤr Begier

„Dem ſo bedraͤngten Volck perſoͤnlich beyzuſtehen;
„Sie ſprung vom Bett, um Hilff und Rettung umzuſehen.
„Sie lief und folgte mir; vergaß die Koͤniginn.
„Es lag ihr nur die Noth des treuen Volcks im Sinn.
395„Was immer helffen konnt, ward ploͤzlich angefriſchet;

„Faſt haͤtte ſie ſich ſelbſt in die Gefahr gemiſchet.
„Nichts fand’ ich unermahnt. Jhr eigner Ehgemahl
„War von der Helffenden Mitleidens-vollen Zahl.
„Fort! hurtig! auf! geſchwind! man eile, laufe, renne!
400„So rieff Thereſia, damit man Beyſtand goͤnne.

„Genug! das ganze Volck, ſo gar die wilde Flutt
„Mußt ihr gehorſam ſeyn: ſie bog die ſtolze Wuth,
„Und trug der Schiffe Laſt auf Pfeilen-ſchnellen Wellen,
„Dem hart bedraͤngten Volck die Nahrung zuzuſtellen,
405„Womit Thereſia ſie gleich beladen ließ,

„Und die verlaſſne Stadt der Hungers-Noth entriß.

„Das Kleinod ihrer Bruſt, ſo wir Mit-Vater heiſſen,
„Laͤßt ſelber von dem Strohm ſich in die Wirbel reiſſen.
„Er eilt, beſteigt den Kahn, gibt Leib und Leben Preiß,
410„Scheut weder die Gewalt der Waͤſſer, noch das Eis.

„Er ſchwimmt durch die Gefahr; der Ruder-Knecht erblaſſet,
„Daß dieſer Fuͤrſt den Muth ſo kuͤhn zu ſchiffen, faſſet;
„Doch
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[0165] Thereſiade „Jch unterbrach die Ruh. Kaum hoͤrte ſie von mir „Der Flutten Raſerey, ſo brandt ſie fuͤr Begier „Dem ſo bedraͤngten Volck perſoͤnlich beyzuſtehen; „Sie ſprung vom Bett, um Hilff und Rettung umzuſehen. „Sie lief und folgte mir; vergaß die Koͤniginn. „Es lag ihr nur die Noth des treuen Volcks im Sinn. „Was immer helffen konnt, ward ploͤzlich angefriſchet; „Faſt haͤtte ſie ſich ſelbſt in die Gefahr gemiſchet. „Nichts fand’ ich unermahnt. Jhr eigner Ehgemahl „War von der Helffenden Mitleidens-vollen Zahl. „Fort! hurtig! auf! geſchwind! man eile, laufe, renne! „So rieff Thereſia, damit man Beyſtand goͤnne. „Genug! das ganze Volck, ſo gar die wilde Flutt „Mußt ihr gehorſam ſeyn: ſie bog die ſtolze Wuth, „Und trug der Schiffe Laſt auf Pfeilen-ſchnellen Wellen, „Dem hart bedraͤngten Volck die Nahrung zuzuſtellen, „Womit Thereſia ſie gleich beladen ließ, „Und die verlaſſne Stadt der Hungers-Noth entriß. „Das Kleinod ihrer Bruſt, ſo wir Mit-Vater heiſſen, „Laͤßt ſelber von dem Strohm ſich in die Wirbel reiſſen. „Er eilt, beſteigt den Kahn, gibt Leib und Leben Preiß, „Scheut weder die Gewalt der Waͤſſer, noch das Eis. „Er ſchwimmt durch die Gefahr; der Ruder-Knecht erblaſſet, „Daß dieſer Fuͤrſt den Muth ſo kuͤhn zu ſchiffen, faſſet; „Doch

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/165>, abgerufen am 04.05.2024.