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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade

"Er denckt an sie, wann er sein Brod vergnüget ißt,
"Wer weiß, ob unsre Frau, sagt er, die Ruh genießt?
"Es fällt ihm ein, er spührt sein Herz aus Einfalt springen,
300"Um seiner Königinn ein Stuck davon zu bringen.

"Er wagt es; gehet hin und überreicht es ihr;
"Sie nimmt es an und zeigt sich ihm geneigt dafür.
"Der Mann erkennt sein Herz für Lust und Trost beglücket,
"Daß ihn die Königinn so freundlich angeblicket;
305"Hierdurch erfüllt er sich mit Ehrfurchts-voller Freud,

"Und schwört ihr treu zu seyn, von neuem einen Eyd.
"Er wünschet seinen Sinn der ganzen Welt zu zeigen;
"Er heißt es Missethat, die Gnade zu verschweigen.
"Hier ist die Freundlichkeit mehr als das baare Geld;
310"Mehr als was man bisher in diesem Kreiß erzählt.

"Zeig aber jemand sich mit schwülstigem Betragen;
"Wie kann ihr hoher Ernst es nicht in Demuth schlagen?
"Auch mit der Freundlichkeit leutsäligem Bemühn
"Kann sie das stolze Herz des Hochmuths an sich ziehn.
315"Man liebt und fürchtet sie, man legt sich ihr zu Füssen,

"Weil nirgends solche Hilff und Zuflucht zu geniessen.
"Genug: ich bin der Kron erwählter Diamant,
"Der durch sein Feur das Herz des Unterthans entbrannt.
"Desselben Bliz und Glanz seynd ihrer Augen Blicke;
320"Kurz: ich bin ihre Pracht, sie ist mein Meisterstücke.
"So

Thereſiade

„Er denckt an ſie, wann er ſein Brod vergnuͤget ißt,
„Wer weiß, ob unſre Frau, ſagt er, die Ruh genießt?
„Es faͤllt ihm ein, er ſpuͤhrt ſein Herz aus Einfalt ſpringen,
300„Um ſeiner Koͤniginn ein Stuck davon zu bringen.

„Er wagt es; gehet hin und uͤberreicht es ihr;
„Sie nimmt es an und zeigt ſich ihm geneigt dafuͤr.
„Der Mann erkennt ſein Herz fuͤr Luſt und Troſt begluͤcket,
„Daß ihn die Koͤniginn ſo freundlich angeblicket;
305„Hierdurch erfuͤllt er ſich mit Ehrfurchts-voller Freud,

„Und ſchwoͤrt ihr treu zu ſeyn, von neuem einen Eyd.
„Er wuͤnſchet ſeinen Sinn der ganzen Welt zu zeigen;
„Er heißt es Miſſethat, die Gnade zu verſchweigen.
„Hier iſt die Freundlichkeit mehr als das baare Geld;
310„Mehr als was man bisher in dieſem Kreiß erzaͤhlt.

„Zeig aber jemand ſich mit ſchwuͤlſtigem Betragen;
„Wie kann ihr hoher Ernſt es nicht in Demuth ſchlagen?
„Auch mit der Freundlichkeit leutſaͤligem Bemuͤhn
„Kann ſie das ſtolze Herz des Hochmuths an ſich ziehn.
315„Man liebt und fuͤrchtet ſie, man legt ſich ihr zu Fuͤſſen,

„Weil nirgends ſolche Hilff und Zuflucht zu genieſſen.
„Genug: ich bin der Kron erwaͤhlter Diamant,
„Der durch ſein Feur das Herz des Unterthans entbrannt.
„Deſſelben Bliz und Glanz ſeynd ihrer Augen Blicke;
320„Kurz: ich bin ihre Pracht, ſie iſt mein Meiſterſtuͤcke.
„So
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[0161] Thereſiade „Er denckt an ſie, wann er ſein Brod vergnuͤget ißt, „Wer weiß, ob unſre Frau, ſagt er, die Ruh genießt? „Es faͤllt ihm ein, er ſpuͤhrt ſein Herz aus Einfalt ſpringen, „Um ſeiner Koͤniginn ein Stuck davon zu bringen. „Er wagt es; gehet hin und uͤberreicht es ihr; „Sie nimmt es an und zeigt ſich ihm geneigt dafuͤr. „Der Mann erkennt ſein Herz fuͤr Luſt und Troſt begluͤcket, „Daß ihn die Koͤniginn ſo freundlich angeblicket; „Hierdurch erfuͤllt er ſich mit Ehrfurchts-voller Freud, „Und ſchwoͤrt ihr treu zu ſeyn, von neuem einen Eyd. „Er wuͤnſchet ſeinen Sinn der ganzen Welt zu zeigen; „Er heißt es Miſſethat, die Gnade zu verſchweigen. „Hier iſt die Freundlichkeit mehr als das baare Geld; „Mehr als was man bisher in dieſem Kreiß erzaͤhlt. „Zeig aber jemand ſich mit ſchwuͤlſtigem Betragen; „Wie kann ihr hoher Ernſt es nicht in Demuth ſchlagen? „Auch mit der Freundlichkeit leutſaͤligem Bemuͤhn „Kann ſie das ſtolze Herz des Hochmuths an ſich ziehn. „Man liebt und fuͤrchtet ſie, man legt ſich ihr zu Fuͤſſen, „Weil nirgends ſolche Hilff und Zuflucht zu genieſſen. „Genug: ich bin der Kron erwaͤhlter Diamant, „Der durch ſein Feur das Herz des Unterthans entbrannt. „Deſſelben Bliz und Glanz ſeynd ihrer Augen Blicke; „Kurz: ich bin ihre Pracht, ſie iſt mein Meiſterſtuͤcke. „So

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/161>, abgerufen am 04.05.2024.