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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Fünftes Buch.

"Nichts bleibet unerregt; so gar auch von dem Land
"Eilt man den Strassen zu; die Lust nimmt überhand,
"Auch nur auf einen Blick die Königinn zu sehen;
180"Es kann dem treuen Volck nichts Glücklichers geschehen.

"Man rennet, lauft und fliegt, man klimmt auf Mauren hin,
"Springt, hupft, frolockt und rufft: Es kommt die Königinn!
"Man suchet Bäume, Dach und aller Hügel Höhen,
"Da dringet Schwarm auf Schwarm und stellt sich auf die Zehen.
185"Hier schwencket jemand Fuß und Hand um einen Stock,

"Dem steigt ein andrer nach und hält ihn an dem Rock;
"Dort kommet eine Schaar im Jauchzen, Schweiß und Schnaufen,
"Nach welcher andere mit vollem Athem laufen;
"Da kracht schon für der Last der Menschen eine Bühn;
190"Dort ziehen einige sich einen Karren hin,

"Besteigen ihn so schwer, daß Ax und Rad zertrümmert,
"Das Volck zusammen fällt und in dem Haufen wimmert.
"Die Pläze werden voll, der Gassen Raum zu eng;
"So weit das Auge reicht, steht alles im Gedräng.

195
"Warum dann dieß Getöß? die Königinn wird kommen,
"Darum hat jung und alt die Strassen eingenommen;
"Kein Wunder. Ob sie nun in Königlicher Tracht,
"Mit ihres Hofs Gefolg, in sonst bequemer Pracht,
"Jn oder vor der Stadt, in Pomp, auf Lustbarkeiten/
200"Auch im Palast erschein; so wimmelt es von Leuten,
"Die
T 3

Fuͤnftes Buch.

„Nichts bleibet unerregt; ſo gar auch von dem Land
„Eilt man den Straſſen zu; die Luſt nimmt uͤberhand,
„Auch nur auf einen Blick die Koͤniginn zu ſehen;
180„Es kann dem treuen Volck nichts Gluͤcklichers geſchehen.

„Man rennet, lauft und fliegt, man klimmt auf Mauren hin,
„Springt, hupft, frolockt und rufft: Es kommt die Koͤniginn!
„Man ſuchet Baͤume, Dach und aller Huͤgel Hoͤhen,
„Da dringet Schwarm auf Schwarm und ſtellt ſich auf die Zehen.
185„Hier ſchwencket jemand Fuß und Hand um einen Stock,

„Dem ſteigt ein andrer nach und haͤlt ihn an dem Rock;
„Dort kommet eine Schaar im Jauchzen, Schweiß und Schnaufen,
„Nach welcher andere mit vollem Athem laufen;
„Da kracht ſchon fuͤr der Laſt der Menſchen eine Buͤhn;
190„Dort ziehen einige ſich einen Karren hin,

„Beſteigen ihn ſo ſchwer, daß Ax und Rad zertruͤmmert,
„Das Volck zuſammen faͤllt und in dem Haufen wimmert.
„Die Plaͤze werden voll, der Gaſſen Raum zu eng;
„So weit das Auge reicht, ſteht alles im Gedraͤng.

195
„Warum dann dieß Getoͤß? die Koͤniginn wird kommen,
„Darum hat jung und alt die Straſſen eingenommen;
„Kein Wunder. Ob ſie nun in Koͤniglicher Tracht,
„Mit ihres Hofs Gefolg, in ſonſt bequemer Pracht,
„Jn oder vor der Stadt, in Pomp, auf Luſtbarkeiten/
200„Auch im Palaſt erſchein; ſo wimmelt es von Leuten,
„Die
T 3
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[0156] Fuͤnftes Buch. „Nichts bleibet unerregt; ſo gar auch von dem Land „Eilt man den Straſſen zu; die Luſt nimmt uͤberhand, „Auch nur auf einen Blick die Koͤniginn zu ſehen; „Es kann dem treuen Volck nichts Gluͤcklichers geſchehen. „Man rennet, lauft und fliegt, man klimmt auf Mauren hin, „Springt, hupft, frolockt und rufft: Es kommt die Koͤniginn! „Man ſuchet Baͤume, Dach und aller Huͤgel Hoͤhen, „Da dringet Schwarm auf Schwarm und ſtellt ſich auf die Zehen. „Hier ſchwencket jemand Fuß und Hand um einen Stock, „Dem ſteigt ein andrer nach und haͤlt ihn an dem Rock; „Dort kommet eine Schaar im Jauchzen, Schweiß und Schnaufen, „Nach welcher andere mit vollem Athem laufen; „Da kracht ſchon fuͤr der Laſt der Menſchen eine Buͤhn; „Dort ziehen einige ſich einen Karren hin, „Beſteigen ihn ſo ſchwer, daß Ax und Rad zertruͤmmert, „Das Volck zuſammen faͤllt und in dem Haufen wimmert. „Die Plaͤze werden voll, der Gaſſen Raum zu eng; „So weit das Auge reicht, ſteht alles im Gedraͤng. „Warum dann dieß Getoͤß? die Koͤniginn wird kommen, „Darum hat jung und alt die Straſſen eingenommen; „Kein Wunder. Ob ſie nun in Koͤniglicher Tracht, „Mit ihres Hofs Gefolg, in ſonſt bequemer Pracht, „Jn oder vor der Stadt, in Pomp, auf Luſtbarkeiten/ „Auch im Palaſt erſchein; ſo wimmelt es von Leuten, „Die T 3

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/156>, abgerufen am 04.05.2024.