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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Viertes Buch.
455"Die Rotte dieses Weibs zum Thor hinaus zu treiben;
"Umsonst: es war vermaurt; man mußt beysammen bleiben.
"Das Weib verstärckte sich, gewann die Oberhand;
"Die ganze Stadt vollzog, was sie vor gut befand.
"Nicht eine Küche war, die man mehr sahe rauchen,
460"Wo nichts zu braten ist, was soll man Feuer brauchen?

"Des Weibs Gespanschaft ward zum Kellner, Koch und Wirth,
"Nach ihrer Willkühr war so Tisch als Herd geziert.
"Das Fleisch wurd aufgezehrt, so mußt man Pferde schlachten,
"Die fraß der, welcher nicht für Hunger wollt verschmachten.
465"Hier halff der Reichthum nichts; sie stellte manches mahl

"Ein Stuck von einem Roß, auch dieses zimlich schmahl,
"Jn Tafel-Silber vor, und ließ die Gäste nagen,
"Auch oft für Hunger sich um dirre Knochen schlagen.
"Kurz: alles theilte sie nach Gut-befinden aus,
470"Der Wohlgeschmack war nichts, als Eckel, Schaur und Graus.

"Jhr Thun und Lassen war zerfezen, schaben, schinden,
"Den Fraß nach Eigensinn verbergen, wieder finden.
"So wurde dieses Volck bewirthet und verpflegt,
"Bis man es Haufen-weis in Kalch und Sand gelegt;
475"So wurde dieses Volck vom Elend aufgerieben,

"Daß kaum der vierte Theil unaufgezehrt verblieben.

"Nun sehet", redte da die Weisheit weiter fort,
"Das war der Untergang des Feindes, und der Ort
"Jn
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Viertes Buch.
455„Die Rotte dieſes Weibs zum Thor hinaus zu treiben;
„Umſonſt: es war vermaurt; man mußt beyſammen bleiben.
„Das Weib verſtaͤrckte ſich, gewann die Oberhand;
„Die ganze Stadt vollzog, was ſie vor gut befand.
„Nicht eine Kuͤche war, die man mehr ſahe rauchen,
460„Wo nichts zu braten iſt, was ſoll man Feuer brauchen?

„Des Weibs Geſpanſchaft ward zum Kellner, Koch und Wirth,
„Nach ihrer Willkuͤhr war ſo Tiſch als Herd geziert.
„Das Fleiſch wurd aufgezehrt, ſo mußt man Pferde ſchlachten,
„Die fraß der, welcher nicht fuͤr Hunger wollt verſchmachten.
465„Hier halff der Reichthum nichts; ſie ſtellte manches mahl

„Ein Stuck von einem Roß, auch dieſes zimlich ſchmahl,
„Jn Tafel-Silber vor, und ließ die Gaͤſte nagen,
„Auch oft fuͤr Hunger ſich um dirre Knochen ſchlagen.
„Kurz: alles theilte ſie nach Gut-befinden aus,
470„Der Wohlgeſchmack war nichts, als Eckel, Schaur und Graus.

„Jhr Thun und Laſſen war zerfezen, ſchaben, ſchinden,
„Den Fraß nach Eigenſinn verbergen, wieder finden.
„So wurde dieſes Volck bewirthet und verpflegt,
„Bis man es Haufen-weis in Kalch und Sand gelegt;
475„So wurde dieſes Volck vom Elend aufgerieben,

„Daß kaum der vierte Theil unaufgezehrt verblieben.

„Nun ſehet„, redte da die Weisheit weiter fort,
„Das war der Untergang des Feindes, und der Ort
„Jn
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[0136] Viertes Buch. „Die Rotte dieſes Weibs zum Thor hinaus zu treiben; „Umſonſt: es war vermaurt; man mußt beyſammen bleiben. „Das Weib verſtaͤrckte ſich, gewann die Oberhand; „Die ganze Stadt vollzog, was ſie vor gut befand. „Nicht eine Kuͤche war, die man mehr ſahe rauchen, „Wo nichts zu braten iſt, was ſoll man Feuer brauchen? „Des Weibs Geſpanſchaft ward zum Kellner, Koch und Wirth, „Nach ihrer Willkuͤhr war ſo Tiſch als Herd geziert. „Das Fleiſch wurd aufgezehrt, ſo mußt man Pferde ſchlachten, „Die fraß der, welcher nicht fuͤr Hunger wollt verſchmachten. „Hier halff der Reichthum nichts; ſie ſtellte manches mahl „Ein Stuck von einem Roß, auch dieſes zimlich ſchmahl, „Jn Tafel-Silber vor, und ließ die Gaͤſte nagen, „Auch oft fuͤr Hunger ſich um dirre Knochen ſchlagen. „Kurz: alles theilte ſie nach Gut-befinden aus, „Der Wohlgeſchmack war nichts, als Eckel, Schaur und Graus. „Jhr Thun und Laſſen war zerfezen, ſchaben, ſchinden, „Den Fraß nach Eigenſinn verbergen, wieder finden. „So wurde dieſes Volck bewirthet und verpflegt, „Bis man es Haufen-weis in Kalch und Sand gelegt; „So wurde dieſes Volck vom Elend aufgerieben, „Daß kaum der vierte Theil unaufgezehrt verblieben. „Nun ſehet„, redte da die Weisheit weiter fort, „Das war der Untergang des Feindes, und der Ort „Jn R

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/136>, abgerufen am 04.05.2024.