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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

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Theresiade

"Was sich im finstern Glück des Walds nicht konnte retten,
"Mußt um ein Gnaden-Wort vor meinen Führer treten.
385"Was jeden vor Gefahr und Schrecken hätt beschirmt,

"Das fanden wir im Weeg zertrümmert aufgethürmt.
"Wir traffen auf Geräth, auf Rüstungen und Wagen,
"Auf Arme seufzende, die auf der Strasse lagen:
"Bey diesen nahm ich wahr, was Furcht und Fliehen heißt;
390"Was, wann man unverwundt sich aus dem Treffen reißt:

"Wie jene, welche still vom Schwarm den Abschied nahmen,
"Und nur um Menschen-Hilff in unser Lager kamen,
"Mit schluchzendem Geschnauf uns noch bestättigten;
"Der Sache Folgungen es auch bekräfftigten:
395"Sie wären nämlich noch in Noth und auf den Strassen,

"Die sie nach schwerer Qual fast Leben-loß verlassen;
"Wann nicht ein schmachtendes, verachtes kranckes Weib
"So dort auf Röhren saß', und an dem ganzen Leib
"Für Kranckheit zitterte, die Strassen hätt gewiesen;
400"Dort hätten sie die Flucht erst vor beglückt gepriesen.

"Sie waren fast für Noth gelähmt und Athem-loß,
"Doch hielten sie die Qual gleich nimmer vor so groß,
"Da sie den Körper sahn in solchem Elend zagen,
"Weil sie sich gleich erweicht ihn mehr als sich zu klagen.

405
"Man sieht oft das Gemüth der Traurigen erquickt,
"Wann Schmerz und Pein und Noth auch andere bestrickt.
"Allein

Thereſiade

„Was ſich im finſtern Gluͤck des Walds nicht konnte retten,
„Mußt um ein Gnaden-Wort vor meinen Fuͤhrer treten.
385„Was jeden vor Gefahr und Schrecken haͤtt beſchirmt,

„Das fanden wir im Weeg zertruͤmmert aufgethuͤrmt.
„Wir traffen auf Geraͤth, auf Ruͤſtungen und Wagen,
„Auf Arme ſeufzende, die auf der Straſſe lagen:
„Bey dieſen nahm ich wahr, was Furcht und Fliehen heißt;
390„Was, wann man unverwundt ſich aus dem Treffen reißt:

„Wie jene, welche ſtill vom Schwarm den Abſchied nahmen,
„Und nur um Menſchen-Hilff in unſer Lager kamen,
„Mit ſchluchzendem Geſchnauf uns noch beſtaͤttigten;
„Der Sache Folgungen es auch bekraͤfftigten:
395„Sie waͤren naͤmlich noch in Noth und auf den Straſſen,

„Die ſie nach ſchwerer Qual faſt Leben-loß verlaſſen;
„Wann nicht ein ſchmachtendes, verachtes kranckes Weib
„So dort auf Roͤhren ſaß’, und an dem ganzen Leib
„Fuͤr Kranckheit zitterte, die Straſſen haͤtt gewieſen;
400„Dort haͤtten ſie die Flucht erſt vor begluͤckt geprieſen.

„Sie waren faſt fuͤr Noth gelaͤhmt und Athem-loß,
„Doch hielten ſie die Qual gleich nimmer vor ſo groß,
„Da ſie den Koͤrper ſahn in ſolchem Elend zagen,
„Weil ſie ſich gleich erweicht ihn mehr als ſich zu klagen.

405
„Man ſieht oft das Gemuͤth der Traurigen erquickt,
„Wann Schmerz und Pein und Noth auch andere beſtrickt.
„Allein
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[0133] Thereſiade „Was ſich im finſtern Gluͤck des Walds nicht konnte retten, „Mußt um ein Gnaden-Wort vor meinen Fuͤhrer treten. „Was jeden vor Gefahr und Schrecken haͤtt beſchirmt, „Das fanden wir im Weeg zertruͤmmert aufgethuͤrmt. „Wir traffen auf Geraͤth, auf Ruͤſtungen und Wagen, „Auf Arme ſeufzende, die auf der Straſſe lagen: „Bey dieſen nahm ich wahr, was Furcht und Fliehen heißt; „Was, wann man unverwundt ſich aus dem Treffen reißt: „Wie jene, welche ſtill vom Schwarm den Abſchied nahmen, „Und nur um Menſchen-Hilff in unſer Lager kamen, „Mit ſchluchzendem Geſchnauf uns noch beſtaͤttigten; „Der Sache Folgungen es auch bekraͤfftigten: „Sie waͤren naͤmlich noch in Noth und auf den Straſſen, „Die ſie nach ſchwerer Qual faſt Leben-loß verlaſſen; „Wann nicht ein ſchmachtendes, verachtes kranckes Weib „So dort auf Roͤhren ſaß’, und an dem ganzen Leib „Fuͤr Kranckheit zitterte, die Straſſen haͤtt gewieſen; „Dort haͤtten ſie die Flucht erſt vor begluͤckt geprieſen. „Sie waren faſt fuͤr Noth gelaͤhmt und Athem-loß, „Doch hielten ſie die Qual gleich nimmer vor ſo groß, „Da ſie den Koͤrper ſahn in ſolchem Elend zagen, „Weil ſie ſich gleich erweicht ihn mehr als ſich zu klagen. „Man ſieht oft das Gemuͤth der Traurigen erquickt, „Wann Schmerz und Pein und Noth auch andere beſtrickt. „Allein

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/133>, abgerufen am 04.05.2024.