Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Theresiade

"Vom Vaterland verblieb uns nichts fast in den Händen,
"Als unsrer Kronen Schmuck nebst den getreuen Ständen.

105
"Der Norder Moske-Strohm eröffnet oft den Schlund,
"Krümmt, thürmt, wirfft sich herum und schäumt bis auf den Grund,
"Um jener Schiffe Last, die mit dem Wirbel ringen,
"Mit Fraß-Begier und Graus in seine Klufft zuschlingen;
"Der Raub wird aufgewelzt, zerschmettert, umgekehrt,
110"Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt.

"Oft schwimmt ein Mast, ein Kiel, und wird herum geprellet
"Bis er zu Trümmern geht, sich an dem Strand zerschellet.
"Jnzwischen gurgelt sich die noch nicht satte Grufft,
"Und der verschluckte Fraß bricht durch, steigt in die Lufft
115"Mit Gräßlichkeit empor; der Strohm muß wieder speyen,

"Was er so rüstig war im Wirbel einzukäuen.
"So weit hab ich durch Müh und Weisheit es gebracht,
"Daß unsrer Feinde Strohm es eben so gemacht.
"So viel die Ländersucht in ihren Wirbel schlunge,
120"So viel ist, was ich sie auch zu verlassen zwunge.

"Das noch befreyte Land ward so mit GOtt regiert,
"Daß, eh des Feindes Aug und Vorsicht es verspührt,
"Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden,
"Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden.
125"Der Rathschlag, welchen ich zum Ziel zu setzen wußt,

"Bracht unsern Feinden Angst und gab den Freunden Lust.
"Das

Thereſiade

„Vom Vaterland verblieb uns nichts faſt in den Haͤnden,
„Als unſrer Kronen Schmuck nebſt den getreuen Staͤnden.

105
„Der Norder Moske-Strohm eroͤffnet oft den Schlund,
„Kruͤm̃t, thuͤrmt, wirfft ſich herum und ſchaͤumt bis auf den Grund,
„Um jener Schiffe Laſt, die mit dem Wirbel ringen,
„Mit Fraß-Begier und Graus in ſeine Klufft zuſchlingen;
„Der Raub wird aufgewelzt, zerſchmettert, umgekehrt,
110„Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt.

„Oft ſchwimmt ein Maſt, ein Kiel, und wird herum geprellet
„Bis er zu Truͤmmern geht, ſich an dem Strand zerſchellet.
„Jnzwiſchen gurgelt ſich die noch nicht ſatte Grufft,
„Und der verſchluckte Fraß bricht durch, ſteigt in die Lufft
115„Mit Graͤßlichkeit empor; der Strohm muß wieder ſpeyen,

„Was er ſo ruͤſtig war im Wirbel einzukaͤuen.
„So weit hab ich durch Muͤh und Weisheit es gebracht,
„Daß unſrer Feinde Strohm es eben ſo gemacht.
„So viel die Laͤnderſucht in ihren Wirbel ſchlunge,
120„So viel iſt, was ich ſie auch zu verlaſſen zwunge.

„Das noch befreyte Land ward ſo mit GOtt regiert,
„Daß, eh des Feindes Aug und Vorſicht es verſpuͤhrt,
„Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden,
„Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden.
125„Der Rathſchlag, welchen ich zum Ziel zu ſetzen wußt,

„Bracht unſern Feinden Angſt und gab den Freunden Luſt.
„Das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l>
                <pb facs="#f0121"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">There&#x017F;iade</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>&#x201E;Vom Vaterland verblieb uns nichts fa&#x017F;t in den Ha&#x0364;nden,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Als un&#x017F;rer Kronen Schmuck neb&#x017F;t den getreuen Sta&#x0364;nden.</l>
            </lg><lb/>
            <note place="left">105</note>
            <lg>
              <l>&#x201E;Der Norder Moske-Strohm ero&#x0364;ffnet oft den Schlund,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Kru&#x0364;m&#x0303;t, thu&#x0364;rmt, wirfft &#x017F;ich herum und &#x017F;cha&#x0364;umt bis auf den Grund,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Um jener Schiffe La&#x017F;t, die mit dem Wirbel ringen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Mit Fraß-Begier und Graus in &#x017F;eine Klufft zu&#x017F;chlingen;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Raub wird aufgewelzt, zer&#x017F;chmettert, umgekehrt,<lb/><note place="left">110</note>&#x201E;Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Oft &#x017F;chwimmt ein Ma&#x017F;t, ein Kiel, und wird herum geprellet</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bis er zu Tru&#x0364;mmern geht, &#x017F;ich an dem Strand zer&#x017F;chellet.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Jnzwi&#x017F;chen gurgelt &#x017F;ich die noch nicht &#x017F;atte Grufft,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Und der ver&#x017F;chluckte Fraß bricht durch, &#x017F;teigt in die Lufft<lb/><note place="left">115</note>&#x201E;Mit Gra&#x0364;ßlichkeit empor; der Strohm muß wieder &#x017F;peyen,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Was er &#x017F;o ru&#x0364;&#x017F;tig war im Wirbel einzuka&#x0364;uen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg>
              <l>&#x201E;So weit hab ich durch Mu&#x0364;h und Weisheit es gebracht,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß un&#x017F;rer Feinde Strohm es eben &#x017F;o gemacht.</l><lb/>
              <l>&#x201E;So viel die La&#x0364;nder&#x017F;ucht in ihren Wirbel &#x017F;chlunge,<lb/><note place="left">120</note>&#x201E;So viel i&#x017F;t, was ich &#x017F;ie auch zu verla&#x017F;&#x017F;en zwunge.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Das noch befreyte Land ward &#x017F;o mit GOtt regiert,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Daß, eh des Feindes Aug und Vor&#x017F;icht es ver&#x017F;pu&#x0364;hrt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden.<lb/><note place="left">125</note>&#x201E;Der Rath&#x017F;chlag, welchen ich zum Ziel zu &#x017F;etzen wußt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Bracht un&#x017F;ern Feinden Ang&#x017F;t und gab den Freunden Lu&#x017F;t.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Das</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] Thereſiade „Vom Vaterland verblieb uns nichts faſt in den Haͤnden, „Als unſrer Kronen Schmuck nebſt den getreuen Staͤnden. „Der Norder Moske-Strohm eroͤffnet oft den Schlund, „Kruͤm̃t, thuͤrmt, wirfft ſich herum und ſchaͤumt bis auf den Grund, „Um jener Schiffe Laſt, die mit dem Wirbel ringen, „Mit Fraß-Begier und Graus in ſeine Klufft zuſchlingen; „Der Raub wird aufgewelzt, zerſchmettert, umgekehrt, „Bis ihn des Rachens Hauch in einem Schluck verzehrt. „Oft ſchwimmt ein Maſt, ein Kiel, und wird herum geprellet „Bis er zu Truͤmmern geht, ſich an dem Strand zerſchellet. „Jnzwiſchen gurgelt ſich die noch nicht ſatte Grufft, „Und der verſchluckte Fraß bricht durch, ſteigt in die Lufft „Mit Graͤßlichkeit empor; der Strohm muß wieder ſpeyen, „Was er ſo ruͤſtig war im Wirbel einzukaͤuen. „So weit hab ich durch Muͤh und Weisheit es gebracht, „Daß unſrer Feinde Strohm es eben ſo gemacht. „So viel die Laͤnderſucht in ihren Wirbel ſchlunge, „So viel iſt, was ich ſie auch zu verlaſſen zwunge. „Das noch befreyte Land ward ſo mit GOtt regiert, „Daß, eh des Feindes Aug und Vorſicht es verſpuͤhrt, „Der Baur zum tapfern Mann, das Volck zum Helden-Orden, „Der Schmuck zum Kriegs-Metall, der Pflug zum Degen worden. „Der Rathſchlag, welchen ich zum Ziel zu ſetzen wußt, „Bracht unſern Feinden Angſt und gab den Freunden Luſt. „Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/121
Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 1. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade01_1746/121>, abgerufen am 04.05.2024.