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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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Dichter dergleichen an, indem er sie immer beschäftigt zeigt. psc_256.002
Der Dichter schreibt z. B. Essen vor: für das Lustspiel psc_256.003
außerordentlich dankbar. Oder was mit den Händen geschieht: psc_256.004
da kann man auf dem Theatre francais die wunderbarsten psc_256.005
Sachen sehen. Der Eine ist mit dem Spazierstock psc_256.006
gekommen, und dieser Spazierstock wandert mechanisch hin und psc_256.007
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Doch von der Darstellung abgesehen! Jm Drama selbst psc_256.009
haben wir:

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1) Abwechselung im Stoff, die keiner weiteren Erläuterung psc_256.011
bedarf. Bei der ersten Ausbildung des Stoffs muß psc_256.012
auf Motive gedacht werden, die Abwechselung hineinbringen.

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2) Abwechselung in der Form, d. h. zunächst in den psc_256.014
Personen und ihrem Auftreten, in der Art der Rede: schicklicher psc_256.015
Wechsel zwischen Monolog und Dialog; keine Häufung psc_256.016
von Monologen. Jn der Oper wird das besonders deutlich: psc_256.017
Wechsel zwischen Ensembles, Duetten, Terzetten, Quartetten, psc_256.018
Solostücken. -- Dagegen wird im Drama die äußere Form psc_256.019
weniger gewechselt; Wechsel z. B. im Metrum wirkt nicht psc_256.020
günstig. Doch ist das oft versucht worden: Wechsel zwischen psc_256.021
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Schiller noch selten: in der "Jungfrau" Trimeter; "Braut von psc_256.023
Messina"; auch bei Goethe in der "Jphigenie" an Stellen psc_256.024
lyrischer Stimmung. Bei den Romantikern stark, besonders psc_256.025
bei Zacharias Werner. Es scheint, als ob das mehr eintönige psc_256.026
Gewand der fünffüßigen Jamben festzuhalten sich empfehle.

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Ebenso ist nun aber die Abwechselung auch im Roman psc_256.028
günstig. Nicht zu viel Situationen, wo der Held allein sein

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Der Dichter schreibt z. B. Essen vor: für das Lustspiel psc_256.003
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Sachen sehen. Der Eine ist mit dem Spazierstock psc_256.006
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  Doch von der Darstellung abgesehen! Jm Drama selbst psc_256.009
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bedarf. Bei der ersten Ausbildung des Stoffs muß psc_256.012
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Wechsel zwischen Monolog und Dialog; keine Häufung psc_256.016
von Monologen. Jn der Oper wird das besonders deutlich: psc_256.017
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Solostücken. — Dagegen wird im Drama die äußere Form psc_256.019
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/272>, abgerufen am 13.05.2024.