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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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D. Die Arten der Rede.
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Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003
verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004
Rede sich darstellt:

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Erster Eintheilungsgrund. Die Rede -- im wirklichen psc_242.006
Leben oder in poetischer Fiction -- ist entweder einsame psc_242.007
Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008
Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009
der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010
schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011
Dialog. Danach:

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1. Monolog;

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2. Vortrag;

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3. Dialog.

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Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016
lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017
sagen: Chorrede.

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Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019
sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020
Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021
darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022
wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023
überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024
vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025
ein.

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Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027
complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028
Dialog zu Zweien.

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D. Die Arten der Rede.
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  Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003
verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004
Rede sich darstellt:

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  Erster Eintheilungsgrund. Die Rede — im wirklichen psc_242.006
Leben oder in poetischer Fiction — ist entweder einsame psc_242.007
Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008
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2. Vortrag;

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  Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016
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sagen: Chorrede.

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  Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019
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[242/0258] psc_242.001 D. Die Arten der Rede. psc_242.002   Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003 verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004 Rede sich darstellt: psc_242.005   Erster Eintheilungsgrund. Die Rede — im wirklichen psc_242.006 Leben oder in poetischer Fiction — ist entweder einsame psc_242.007 Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008 Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009 der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010 schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011 Dialog. Danach: psc_242.012 1. Monolog; psc_242.013 2. Vortrag; psc_242.014 3. Dialog. psc_242.015   Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016 lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017 sagen: Chorrede. psc_242.018   Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019 sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020 Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021 darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022 wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023 überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024 vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025 ein. psc_242.026   Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027 complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028 Dialog zu Zweien.

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/258>, abgerufen am 13.05.2024.