Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003 verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004 Rede sich darstellt:
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Erster Eintheilungsgrund. Die Rede -- im wirklichen psc_242.006 Leben oder in poetischer Fiction -- ist entweder einsame psc_242.007 Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008 Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009 der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010 schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011 Dialog. Danach:
psc_242.012
1. Monolog;
psc_242.013
2. Vortrag;
psc_242.014
3. Dialog.
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Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016 lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017 sagen: Chorrede.
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Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019 sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020 Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021 darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022 wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023 überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024 vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025 ein.
psc_242.026
Für den Dialog ist die Anzahl der Zuhörer gleichgiltig: psc_242.027 complicirtere Formen sind eben zurückzuführen auf den psc_242.028 Dialog zu Zweien.
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D. Die Arten der Rede.
psc_242.002
Die Poesie ist lebendig zu denken, wie schon im 1. Kap. psc_242.003 verlangt, also als lebendige Rede. Wir fragen, wie die psc_242.004 Rede sich darstellt:
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Erster Eintheilungsgrund. Die Rede — im wirklichen psc_242.006 Leben oder in poetischer Fiction — ist entweder einsame psc_242.007 Rede, in der Poesie zuweilen fictive Vertretung einsamen psc_242.008 Denkens; oder Rede zu Andern oder zu einem Andern: sofern psc_242.009 der oder die Andern bloß Zuhörer sind und selbst psc_242.010 schweigen, ist es Vortrag; sofern Antwort erfolgt, ist es Gespräch, psc_242.011 Dialog. Danach:
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1. Monolog;
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2. Vortrag;
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3. Dialog.
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Die Poesie darf auch mehrere Personen zugleich sprechen psc_242.016 lassen, fingiren, daß mehrere Personen gleichzeitig dasselbe psc_242.017 sagen: Chorrede.
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Monolog und Vortrag sind natürlich nahe verwandt, psc_242.019 sofern nur Einer redet. Aber ob der Eine für sich oder für psc_242.020 Andere redet, ist doch ein tiefer Unterschied. Jch wies oft psc_242.021 darauf hin: der Andere genirt; er fordert Rücksichten, Überlegung, psc_242.022 wie man es am besten macht, um zu überreden, zu psc_242.023 überzeugen, zu unterhalten. Mit dem Andern ist ein Publicum psc_242.024 vorhanden, und hier treten alle Forderungen des Publicums psc_242.025 ein.
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/258>, abgerufen am 16.02.2025.
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