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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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sich stark ins Ungewohnte erheben, da verwischen das die beschränkteren psc_136.002
Verbreiter, theils aus Unfähigkeit (das Gewöhnliche psc_136.003
findet sich in ihrem Gedächtniß leichter ein), theils aus psc_136.004
Mangel an ästhetischer Bildung (das Gewöhnliche gefällt psc_136.005
ihnen besser). Man kann Studien über die Verbreiter machen psc_136.006
bis auf die Gegenwart: Volkssänger, Sammler, sogar Abschreiber, psc_136.007
ja noch Setzer, so auch Reporter. Das schnellere psc_136.008
Schreibtempo im 15. Jahrhundert -- eine Folge der größeren psc_136.009
Nachfrage -- zieht leichtsinnigere Überlieferung nach sich: der psc_136.010
Schreiber liest den ganzen Satz nur einmal und gestaltet ihn psc_136.011
sich nun um; so ist es noch heute mit den Setzern. Der Reporter, psc_136.012
der eine Rede wiederzugeben hat, macht sie ordinärer: psc_136.013
z. B. wo der Redner nur eine Strophe anführt, da verlängert psc_136.014
der Reporter das Citat, und wo jener einen Gedanken als psc_136.015
trivial verschweigt, da findet man ihn sicher im Bericht ausgesprochen. psc_136.016
So macht ein Gedicht, das von Mund zu Mund psc_136.017
durch viele Leute geht, alle Moden mit und gewinnt auf psc_136.018
diese Weise etwas Typisches und Formelhaftes. Das eben psc_136.019
ist das Typische und Formelhafte der "Volkspoesie", und dies psc_136.020
beruht auf der mangelhaften Überlieferung: das Jndividuelle psc_136.021
hat eine geringere Macht in der mündlich verbreiteten ungeschriebenen psc_136.022
Poesie.

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Etwas Anderes, aber verwandt, ist der Gegensatz der psc_136.024
großen natürlichen Talente und derer, die es nicht sind; jene psc_136.025
sind von Natur Dichter, diese bloß durch Reflexion und psc_136.026
Bildung. Mit dieser Frage hat der Streit des 18. Jahrhunderts, psc_136.027
ob es auf Natur und Genie oder Kunst und Regel psc_136.028
ankomme, den Gegensatz von Naturdichtung und Kunstdichtung

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sich stark ins Ungewohnte erheben, da verwischen das die beschränkteren psc_136.002
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findet sich in ihrem Gedächtniß leichter ein), theils aus psc_136.004
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Schreiber liest den ganzen Satz nur einmal und gestaltet ihn psc_136.011
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der eine Rede wiederzugeben hat, macht sie ordinärer: psc_136.013
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beruht auf der mangelhaften Überlieferung: das Jndividuelle psc_136.021
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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/152>, abgerufen am 25.11.2024.