erlangen. Es würde nicht rathsam seyn, zu einer Zeit, wo doch in keiner Richtung die Ab¬ solutheit wahrhaft erreicht werden kann, dasje¬ nige Wissen zu anticipiren, das seiner Natur nach darauf beruht und diesen Charakter zugleich allem anderen Wissen mittheilt. Ja auch von Wissenschaften, deren Stoff zum Theil in Kenntnissen besteht, die nur im Zusammen¬ hang des Ganzen ihren wahren Werth erlan¬ gen können, jene mitzutheilen, ehe der Geist durch die höheren Wissenschaften in diesen ein¬ geweiht ist, könnte nur die spätere Vernachläs¬ sigung, aber keinen Vortheil zur Folge haben. Der Erziehungseifer der letzten Zeit hat auch die niedrern Schulen nur nicht ganz zu Acade¬ mieen umzuschaffen zum Theil versucht, aber nur der Halbheit in der Wissenschaft neuen Vorschub gethan.
Es ist überhaupt nöthig, auf jeder Stufe zu verweilen, bis man das sichre Gefühl hat, sich auf ihr festgesetzt zu haben. Nur wenigen scheint es verstattet, Stufen zu überspringen,
erlangen. Es wuͤrde nicht rathſam ſeyn, zu einer Zeit, wo doch in keiner Richtung die Ab¬ ſolutheit wahrhaft erreicht werden kann, dasje¬ nige Wiſſen zu anticipiren, das ſeiner Natur nach darauf beruht und dieſen Charakter zugleich allem anderen Wiſſen mittheilt. Ja auch von Wiſſenſchaften, deren Stoff zum Theil in Kenntniſſen beſteht, die nur im Zuſammen¬ hang des Ganzen ihren wahren Werth erlan¬ gen koͤnnen, jene mitzutheilen, ehe der Geiſt durch die hoͤheren Wiſſenſchaften in dieſen ein¬ geweiht iſt, koͤnnte nur die ſpaͤtere Vernachlaͤſ¬ ſigung, aber keinen Vortheil zur Folge haben. Der Erziehungseifer der letzten Zeit hat auch die niedrern Schulen nur nicht ganz zu Acade¬ mieen umzuſchaffen zum Theil verſucht, aber nur der Halbheit in der Wiſſenſchaft neuen Vorſchub gethan.
Es iſt uͤberhaupt noͤthig, auf jeder Stufe zu verweilen, bis man das ſichre Gefuͤhl hat, ſich auf ihr feſtgeſetzt zu haben. Nur wenigen ſcheint es verſtattet, Stufen zu uͤberſpringen,
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erlangen. Es wuͤrde nicht rathſam ſeyn, zu
einer Zeit, wo doch in keiner Richtung die Ab¬
ſolutheit wahrhaft erreicht werden kann, dasje¬
nige Wiſſen zu anticipiren, das ſeiner Natur
nach darauf beruht und dieſen Charakter zugleich
allem anderen Wiſſen mittheilt. Ja auch von
Wiſſenſchaften, deren Stoff zum Theil in
Kenntniſſen beſteht, die nur im Zuſammen¬
hang des Ganzen ihren wahren Werth erlan¬
gen koͤnnen, jene mitzutheilen, ehe der Geiſt
durch die hoͤheren Wiſſenſchaften in dieſen ein¬
geweiht iſt, koͤnnte nur die ſpaͤtere Vernachlaͤſ¬
ſigung, aber keinen Vortheil zur Folge haben.
Der Erziehungseifer der letzten Zeit hat auch
die niedrern Schulen nur nicht ganz zu Acade¬
mieen umzuſchaffen zum Theil verſucht, aber
nur der Halbheit in der Wiſſenſchaft neuen
Vorſchub gethan.
Es iſt uͤberhaupt noͤthig, auf jeder Stufe
zu verweilen, bis man das ſichre Gefuͤhl hat,
ſich auf ihr feſtgeſetzt zu haben. Nur wenigen
ſcheint es verſtattet, Stufen zu uͤberſpringen,
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/81>, abgerufen am 24.11.2024.
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