selbst. Der Zweck alles Brodstudium ist, daß man die bloßen Resultate kennen lernt, entwe¬ der mit gänzlicher Vernachlässigung der Gründe, oder daß man auch diese nur um eines äußeren Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten Prüfungen nothdürftige Rechenschaft geben zu können, historisch kennen lernt.
Man kann sich dazu entschließen, einzig, weil man die Wissenschaft zu einem bloß empi¬ rischen Gebrauch erlernen will, d. h. sich selbst bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß niemand, der nur einen Funken von Achtung für sich selbst hat, sich gegenüber von der Wis¬ senschaft selbst so niedrig fühlen, daß sie für ihn nur als Abrichtung für empirische Zwecke Werth hätte. Die nothwendigen Folgen einer solchen Art zu studieren, sind diese.
Erstens ist es unmöglich, sich auch nur das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬ dig also, daß man es falsch anwende, da der Besitz desselben nicht auf einem lebendigen Or¬ gan der Anschauung, sondern nur auf dem Ge¬ dächtniß beruht. Wie oft senden Universitäten
ſelbſt. Der Zweck alles Brodſtudium iſt, daß man die bloßen Reſultate kennen lernt, entwe¬ der mit gaͤnzlicher Vernachlaͤſſigung der Gruͤnde, oder daß man auch dieſe nur um eines aͤußeren Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten Pruͤfungen nothduͤrftige Rechenſchaft geben zu koͤnnen, hiſtoriſch kennen lernt.
Man kann ſich dazu entſchließen, einzig, weil man die Wiſſenſchaft zu einem bloß empi¬ riſchen Gebrauch erlernen will, d. h. ſich ſelbſt bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß niemand, der nur einen Funken von Achtung fuͤr ſich ſelbſt hat, ſich gegenuͤber von der Wiſ¬ ſenſchaft ſelbſt ſo niedrig fuͤhlen, daß ſie fuͤr ihn nur als Abrichtung fuͤr empiriſche Zwecke Werth haͤtte. Die nothwendigen Folgen einer ſolchen Art zu ſtudieren, ſind dieſe.
Erſtens iſt es unmoͤglich, ſich auch nur das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬ dig alſo, daß man es falſch anwende, da der Beſitz deſſelben nicht auf einem lebendigen Or¬ gan der Anſchauung, ſondern nur auf dem Ge¬ daͤchtniß beruht. Wie oft ſenden Univerſitaͤten
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ſelbſt. Der Zweck alles Brodſtudium iſt, daß
man die bloßen Reſultate kennen lernt, entwe¬
der mit gaͤnzlicher Vernachlaͤſſigung der Gruͤnde,
oder daß man auch dieſe nur um eines aͤußeren
Zwecks willen, z. B. um bey angeordneten
Pruͤfungen nothduͤrftige Rechenſchaft geben zu
koͤnnen, hiſtoriſch kennen lernt.
Man kann ſich dazu entſchließen, einzig,
weil man die Wiſſenſchaft zu einem bloß empi¬
riſchen Gebrauch erlernen will, d. h. ſich ſelbſt
bloß als Mittel betrachtet. Nun kann gewiß
niemand, der nur einen Funken von Achtung
fuͤr ſich ſelbſt hat, ſich gegenuͤber von der Wiſ¬
ſenſchaft ſelbſt ſo niedrig fuͤhlen, daß ſie fuͤr ihn
nur als Abrichtung fuͤr empiriſche Zwecke Werth
haͤtte. Die nothwendigen Folgen einer ſolchen
Art zu ſtudieren, ſind dieſe.
Erſtens iſt es unmoͤglich, ſich auch nur
das Empfangene richtig anzueignen, nothwen¬
dig alſo, daß man es falſch anwende, da der
Beſitz deſſelben nicht auf einem lebendigen Or¬
gan der Anſchauung, ſondern nur auf dem Ge¬
daͤchtniß beruht. Wie oft ſenden Univerſitaͤten
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/77>, abgerufen am 24.11.2024.
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