sicht einer darnach geordneten Geschichte nicht sowohl eine weltbürgerliche als eine bürgerliche heißen müßte, den Fortgang nämlich der Menschheit zum ruhigen Verkehr, Gewerbe und Handelsbetrieb unter sich, und dieses so¬ nach überhaupt als die höchsten Früchte des Menschenlebens und seiner Anstrengungen dar¬ zustellen.
Es ist klar, daß, da die bloße Verknüp¬ fung der Begebenheiten nach empirischer Noth¬ wendigkeit immer nur pragmatisch seyn kann, die Historie aber in ihrer höchsten Idee von aller subjectiven Beziehung unabhängig und befreyt seyn muß, auch überhaupt der em¬ pirische Standpunct nicht der höchste ihrer Darstellungen seyn könne.
Auch die wahre Historie beruht auf einer Synthesis des Gegebenen und Wirklichen mit dem Idealen, aber nicht durch Philosophie, da diese die Wirklichkeit vielmehr aufhebt und ganz ideal ist: Historie aber ganz in jener und doch zugleich ideal seyn soll. Dieses ist nirgend als in der Kunst möglich, welche das Wirkliche
ſicht einer darnach geordneten Geſchichte nicht ſowohl eine weltbuͤrgerliche als eine buͤrgerliche heißen muͤßte, den Fortgang naͤmlich der Menſchheit zum ruhigen Verkehr, Gewerbe und Handelsbetrieb unter ſich, und dieſes ſo¬ nach uͤberhaupt als die hoͤchſten Fruͤchte des Menſchenlebens und ſeiner Anſtrengungen dar¬ zuſtellen.
Es iſt klar, daß, da die bloße Verknuͤp¬ fung der Begebenheiten nach empiriſcher Noth¬ wendigkeit immer nur pragmatiſch ſeyn kann, die Hiſtorie aber in ihrer hoͤchſten Idee von aller ſubjectiven Beziehung unabhaͤngig und befreyt ſeyn muß, auch uͤberhaupt der em¬ piriſche Standpunct nicht der hoͤchſte ihrer Darſtellungen ſeyn koͤnne.
Auch die wahre Hiſtorie beruht auf einer Syntheſis des Gegebenen und Wirklichen mit dem Idealen, aber nicht durch Philoſophie, da dieſe die Wirklichkeit vielmehr aufhebt und ganz ideal iſt: Hiſtorie aber ganz in jener und doch zugleich ideal ſeyn ſoll. Dieſes iſt nirgend als in der Kunſt moͤglich, welche das Wirkliche
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ſicht einer darnach geordneten Geſchichte nicht
ſowohl eine weltbuͤrgerliche als eine buͤrgerliche
heißen muͤßte, den Fortgang naͤmlich der
Menſchheit zum ruhigen Verkehr, Gewerbe
und Handelsbetrieb unter ſich, und dieſes ſo¬
nach uͤberhaupt als die hoͤchſten Fruͤchte des
Menſchenlebens und ſeiner Anſtrengungen dar¬
zuſtellen.
Es iſt klar, daß, da die bloße Verknuͤp¬
fung der Begebenheiten nach empiriſcher Noth¬
wendigkeit immer nur pragmatiſch ſeyn kann,
die Hiſtorie aber in ihrer hoͤchſten Idee von
aller ſubjectiven Beziehung unabhaͤngig und
befreyt ſeyn muß, auch uͤberhaupt der em¬
piriſche Standpunct nicht der hoͤchſte ihrer
Darſtellungen ſeyn koͤnne.
Auch die wahre Hiſtorie beruht auf einer
Syntheſis des Gegebenen und Wirklichen mit
dem Idealen, aber nicht durch Philoſophie, da
dieſe die Wirklichkeit vielmehr aufhebt und ganz
ideal iſt: Hiſtorie aber ganz in jener und doch
zugleich ideal ſeyn ſoll. Dieſes iſt nirgend als
in der Kunſt moͤglich, welche das Wirkliche
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/229>, abgerufen am 01.05.2024.
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