der Glaube bedarf, beständig von neuem das empirische Christenthum an die Stelle der Idee gesetzt haben, welche unabhängig von ihnen bestehen kann, und lauter durch die ganze Geschichte der neuen Welt in Vergleich mit der alten, als durch jene verkündet wird, wo sie noch sehr unentwickelt liegt.
Der Geist der neuen Zeit geht mit sicht¬ barer Consequenz auf Vernichtung aller bloß endlichen Formen und es ist Religion, ihn auch hierin zu erkennen. Nach diesem Gesetz mu߬ te der Zustand eines allgemeinen und öffentli¬ chen Lebens, den die Religion im Christen¬ thum mehr oder weniger erreicht hatte, ver¬ gänglich seyn, da er nur einen Theil der Absichten des Weltgeistes realisirt darstellte. Der Protestantismus entstand und war auch zur Zeit seines Ursprungs eine neue Zurück¬ führung des Geistes zum Unsinnlichen, ob¬ gleich dieses bloß negative Bestreben, außer¬ dem daß es die Stetigkeit in der Ent¬ wickelung des Christenthums aufhob, nie eine positive Vereinung und eine äußere sym¬
der Glaube bedarf, beſtaͤndig von neuem das empiriſche Chriſtenthum an die Stelle der Idee geſetzt haben, welche unabhaͤngig von ihnen beſtehen kann, und lauter durch die ganze Geſchichte der neuen Welt in Vergleich mit der alten, als durch jene verkuͤndet wird, wo ſie noch ſehr unentwickelt liegt.
Der Geiſt der neuen Zeit geht mit ſicht¬ barer Conſequenz auf Vernichtung aller bloß endlichen Formen und es iſt Religion, ihn auch hierin zu erkennen. Nach dieſem Geſetz mu߬ te der Zuſtand eines allgemeinen und oͤffentli¬ chen Lebens, den die Religion im Chriſten¬ thum mehr oder weniger erreicht hatte, ver¬ gaͤnglich ſeyn, da er nur einen Theil der Abſichten des Weltgeiſtes realiſirt darſtellte. Der Proteſtantismus entſtand und war auch zur Zeit ſeines Urſprungs eine neue Zuruͤck¬ fuͤhrung des Geiſtes zum Unſinnlichen, ob¬ gleich dieſes bloß negative Beſtreben, außer¬ dem daß es die Stetigkeit in der Ent¬ wickelung des Chriſtenthums aufhob, nie eine poſitive Vereinung und eine aͤußere ſym¬
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[200/0209]
der Glaube bedarf, beſtaͤndig von neuem das
empiriſche Chriſtenthum an die Stelle der
Idee geſetzt haben, welche unabhaͤngig von
ihnen beſtehen kann, und lauter durch die
ganze Geſchichte der neuen Welt in Vergleich
mit der alten, als durch jene verkuͤndet wird,
wo ſie noch ſehr unentwickelt liegt.
Der Geiſt der neuen Zeit geht mit ſicht¬
barer Conſequenz auf Vernichtung aller bloß
endlichen Formen und es iſt Religion, ihn auch
hierin zu erkennen. Nach dieſem Geſetz mu߬
te der Zuſtand eines allgemeinen und oͤffentli¬
chen Lebens, den die Religion im Chriſten¬
thum mehr oder weniger erreicht hatte, ver¬
gaͤnglich ſeyn, da er nur einen Theil der
Abſichten des Weltgeiſtes realiſirt darſtellte.
Der Proteſtantismus entſtand und war auch
zur Zeit ſeines Urſprungs eine neue Zuruͤck¬
fuͤhrung des Geiſtes zum Unſinnlichen, ob¬
gleich dieſes bloß negative Beſtreben, außer¬
dem daß es die Stetigkeit in der Ent¬
wickelung des Chriſtenthums aufhob, nie
eine poſitive Vereinung und eine aͤußere ſym¬
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/209>, abgerufen am 24.11.2024.
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