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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

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tes in Christo keineswegs und fanden bloß
seltsam, daß bey den Christen nur Einmal
geschehen sey, was sich bey ihnen oftmals
und in steter Wiederholung zutrage. Man
kann nicht läugnen, daß sie von ihrer Reli¬
gion mehr Verstand gehabt haben, wie die
christlichen Missionarien von der ihrigen.

Die historische Construction des Christen¬
thums kann wegen dieser Universalität seiner
Idee nicht ohne die religiöse Construction der
ganzen Geschichte gedacht werden. Sie ist
also eben so wenig mit dem, was man bis¬
her allgemeine Religionsgeschichten genannt
hat, (obgleich von nichts weniger als Reli¬
gion darinn die Rede ist), als mit der par¬
tieliern Geschichte der christlichen Religion und
Kirche zu vergleichen.

Eine solche Construction ist schon an sich
selbst nur der höhern Erkenntnißart möglich,
welche sich über die empirische Verkettung der
Dinge erhebt; sie ist also nicht ohne Phi¬
losophie, welche das wahre Organ der Theo¬

13*

tes in Chriſto keineswegs und fanden bloß
ſeltſam, daß bey den Chriſten nur Einmal
geſchehen ſey, was ſich bey ihnen oftmals
und in ſteter Wiederholung zutrage. Man
kann nicht laͤugnen, daß ſie von ihrer Reli¬
gion mehr Verſtand gehabt haben, wie die
chriſtlichen Miſſionarien von der ihrigen.

Die hiſtoriſche Conſtruction des Chriſten¬
thums kann wegen dieſer Univerſalitaͤt ſeiner
Idee nicht ohne die religioͤſe Conſtruction der
ganzen Geſchichte gedacht werden. Sie iſt
alſo eben ſo wenig mit dem, was man bis¬
her allgemeine Religionsgeſchichten genannt
hat, (obgleich von nichts weniger als Reli¬
gion darinn die Rede iſt), als mit der par¬
tieliern Geſchichte der chriſtlichen Religion und
Kirche zu vergleichen.

Eine ſolche Conſtruction iſt ſchon an ſich
ſelbſt nur der hoͤhern Erkenntnißart moͤglich,
welche ſich uͤber die empiriſche Verkettung der
Dinge erhebt; ſie iſt alſo nicht ohne Phi¬
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[195/0204] tes in Chriſto keineswegs und fanden bloß ſeltſam, daß bey den Chriſten nur Einmal geſchehen ſey, was ſich bey ihnen oftmals und in ſteter Wiederholung zutrage. Man kann nicht laͤugnen, daß ſie von ihrer Reli¬ gion mehr Verſtand gehabt haben, wie die chriſtlichen Miſſionarien von der ihrigen. Die hiſtoriſche Conſtruction des Chriſten¬ thums kann wegen dieſer Univerſalitaͤt ſeiner Idee nicht ohne die religioͤſe Conſtruction der ganzen Geſchichte gedacht werden. Sie iſt alſo eben ſo wenig mit dem, was man bis¬ her allgemeine Religionsgeſchichten genannt hat, (obgleich von nichts weniger als Reli¬ gion darinn die Rede iſt), als mit der par¬ tieliern Geſchichte der chriſtlichen Religion und Kirche zu vergleichen. Eine ſolche Conſtruction iſt ſchon an ſich ſelbſt nur der hoͤhern Erkenntnißart moͤglich, welche ſich uͤber die empiriſche Verkettung der Dinge erhebt; ſie iſt alſo nicht ohne Phi¬ loſophie, welche das wahre Organ der Theo¬ 13*

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/204>, abgerufen am 02.05.2024.