sum, die Anschauung desselben als Geschichte und als einer Welt der Vorsehung ist.
Dieß ist die große historische Richtung des Christenthums: dieß der Grund, warum die Wissenschaft der Religion in ihm von der Ge¬ schichte unzertrennlich, ja mit ihr völlig Eins seyn muß. Jene Synthese mit der Geschichte, oh¬ ne welche Theologie selbst nicht gedacht werden kann, fodert aber hinwiederum zu ihrer Bedin¬ gung die höhere christliche Ansicht der Ge¬ schichte.
Der Gegensatz, der insgemein zwischen Historie und Philosophie gemacht wird, be¬ steht nur, so lange die Geschichte als eine Rei¬ he zufälliger Begebenheiten, oder als bloß em¬ pirische Nothwendigkeit begriffen wird: das erste ist die ganz gemeine Ansicht, über die sich die andere zu erheben meynt, da sie ihr an Be¬ schränkung gleich ist. Auch die Geschichte kommt aus einer ewigen Einheit, und hat ihre Wurzel eben so im Absoluten wie die Natur, oder irgend ein anderer Gegenstand des Wis¬ sens. Die Zufälligkeit der Begebenheiten und
12
ſum, die Anſchauung deſſelben als Geſchichte und als einer Welt der Vorſehung iſt.
Dieß iſt die große hiſtoriſche Richtung des Chriſtenthums: dieß der Grund, warum die Wiſſenſchaft der Religion in ihm von der Ge¬ ſchichte unzertrennlich, ja mit ihr voͤllig Eins ſeyn muß. Jene Syntheſe mit der Geſchichte, oh¬ ne welche Theologie ſelbſt nicht gedacht werden kann, fodert aber hinwiederum zu ihrer Bedin¬ gung die hoͤhere chriſtliche Anſicht der Ge¬ ſchichte.
Der Gegenſatz, der insgemein zwiſchen Hiſtorie und Philoſophie gemacht wird, be¬ ſteht nur, ſo lange die Geſchichte als eine Rei¬ he zufaͤlliger Begebenheiten, oder als bloß em¬ piriſche Nothwendigkeit begriffen wird: das erſte iſt die ganz gemeine Anſicht, uͤber die ſich die andere zu erheben meynt, da ſie ihr an Be¬ ſchraͤnkung gleich iſt. Auch die Geſchichte kommt aus einer ewigen Einheit, und hat ihre Wurzel eben ſo im Abſoluten wie die Natur, oder irgend ein anderer Gegenſtand des Wiſ¬ ſens. Die Zufaͤlligkeit der Begebenheiten und
12
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0186"n="177"/>ſum, die Anſchauung deſſelben als Geſchichte<lb/>
und als einer Welt der Vorſehung iſt.</p><lb/><p>Dieß iſt die große hiſtoriſche Richtung des<lb/>
Chriſtenthums: dieß der Grund, warum die<lb/>
Wiſſenſchaft der Religion in ihm von der Ge¬<lb/>ſchichte unzertrennlich, ja mit ihr voͤllig Eins ſeyn<lb/>
muß. Jene Syntheſe mit der Geſchichte, oh¬<lb/>
ne welche Theologie ſelbſt nicht gedacht werden<lb/>
kann, fodert aber hinwiederum zu ihrer Bedin¬<lb/>
gung die hoͤhere chriſtliche Anſicht der Ge¬<lb/>ſchichte.</p><lb/><p>Der Gegenſatz, der insgemein zwiſchen<lb/>
Hiſtorie und Philoſophie gemacht wird, be¬<lb/>ſteht nur, ſo lange die Geſchichte als eine Rei¬<lb/>
he zufaͤlliger Begebenheiten, oder als bloß em¬<lb/>
piriſche Nothwendigkeit begriffen wird: das<lb/>
erſte iſt die ganz gemeine Anſicht, uͤber die ſich<lb/>
die andere zu erheben meynt, da ſie ihr an Be¬<lb/>ſchraͤnkung gleich iſt. Auch die Geſchichte<lb/>
kommt aus einer ewigen Einheit, und hat ihre<lb/>
Wurzel eben ſo im Abſoluten wie die Natur,<lb/>
oder irgend ein anderer Gegenſtand des Wiſ¬<lb/>ſens. Die Zufaͤlligkeit der Begebenheiten und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">12<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[177/0186]
ſum, die Anſchauung deſſelben als Geſchichte
und als einer Welt der Vorſehung iſt.
Dieß iſt die große hiſtoriſche Richtung des
Chriſtenthums: dieß der Grund, warum die
Wiſſenſchaft der Religion in ihm von der Ge¬
ſchichte unzertrennlich, ja mit ihr voͤllig Eins ſeyn
muß. Jene Syntheſe mit der Geſchichte, oh¬
ne welche Theologie ſelbſt nicht gedacht werden
kann, fodert aber hinwiederum zu ihrer Bedin¬
gung die hoͤhere chriſtliche Anſicht der Ge¬
ſchichte.
Der Gegenſatz, der insgemein zwiſchen
Hiſtorie und Philoſophie gemacht wird, be¬
ſteht nur, ſo lange die Geſchichte als eine Rei¬
he zufaͤlliger Begebenheiten, oder als bloß em¬
piriſche Nothwendigkeit begriffen wird: das
erſte iſt die ganz gemeine Anſicht, uͤber die ſich
die andere zu erheben meynt, da ſie ihr an Be¬
ſchraͤnkung gleich iſt. Auch die Geſchichte
kommt aus einer ewigen Einheit, und hat ihre
Wurzel eben ſo im Abſoluten wie die Natur,
oder irgend ein anderer Gegenſtand des Wiſ¬
ſens. Die Zufaͤlligkeit der Begebenheiten und
12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/186>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.