Schicksal, indem sie in den wirklichen Wider¬ streit mit der Freyheit tritt. Dieß war das Ende der alten Welt, deren Geschichte eben deswegen im Ganzen genommen als die tragi¬ sche Periode betrachtet werden kann. Die neue Welt beginnt mit einem allgemeinen Sünden¬ fall, einem Abbrechen des Menschen von der Natur. Nicht die Hingabe an diese selbst ist die Sünde, sondern, so lange sie ohne Bewußt¬ seyn des Gegentheils ist, vielmehr das goldne Zeitalter. Das Bewußtseyn darüber hebt die Unschuld auf und fodert daher auch unmittel¬ bar die Versöhnung und die freywillige Unter¬ werfung, in der die Freyheit als besiegt und siegend zugleich aus dem Kampf hervorgeht. Diese bewußte Versöhnung, die an die Stelle der bewußtlosen Identität mit der Natur und an die der Entzweyung mit dem Schicksal tritt, und auf einer höhern Stufe die Einheit wieder¬ herstellt, ist in der Idee der Vorsehung ausge¬ drückt. Das Christenthum also leitet in der Geschichte jene Periode der Vorsehung ein, wie die in ihm herrschende Anschauung des Univer¬
Schickſal, indem ſie in den wirklichen Wider¬ ſtreit mit der Freyheit tritt. Dieß war das Ende der alten Welt, deren Geſchichte eben deswegen im Ganzen genommen als die tragi¬ ſche Periode betrachtet werden kann. Die neue Welt beginnt mit einem allgemeinen Suͤnden¬ fall, einem Abbrechen des Menſchen von der Natur. Nicht die Hingabe an dieſe ſelbſt iſt die Suͤnde, ſondern, ſo lange ſie ohne Bewußt¬ ſeyn des Gegentheils iſt, vielmehr das goldne Zeitalter. Das Bewußtſeyn daruͤber hebt die Unſchuld auf und fodert daher auch unmittel¬ bar die Verſoͤhnung und die freywillige Unter¬ werfung, in der die Freyheit als beſiegt und ſiegend zugleich aus dem Kampf hervorgeht. Dieſe bewußte Verſoͤhnung, die an die Stelle der bewußtloſen Identitaͤt mit der Natur und an die der Entzweyung mit dem Schickſal tritt, und auf einer hoͤhern Stufe die Einheit wieder¬ herſtellt, iſt in der Idee der Vorſehung ausge¬ druͤckt. Das Chriſtenthum alſo leitet in der Geſchichte jene Periode der Vorſehung ein, wie die in ihm herrſchende Anſchauung des Univer¬
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Schickſal, indem ſie in den wirklichen Wider¬
ſtreit mit der Freyheit tritt. Dieß war das
Ende der alten Welt, deren Geſchichte eben
deswegen im Ganzen genommen als die tragi¬
ſche Periode betrachtet werden kann. Die neue
Welt beginnt mit einem allgemeinen Suͤnden¬
fall, einem Abbrechen des Menſchen von der
Natur. Nicht die Hingabe an dieſe ſelbſt iſt
die Suͤnde, ſondern, ſo lange ſie ohne Bewußt¬
ſeyn des Gegentheils iſt, vielmehr das goldne
Zeitalter. Das Bewußtſeyn daruͤber hebt die
Unſchuld auf und fodert daher auch unmittel¬
bar die Verſoͤhnung und die freywillige Unter¬
werfung, in der die Freyheit als beſiegt und
ſiegend zugleich aus dem Kampf hervorgeht.
Dieſe bewußte Verſoͤhnung, die an die Stelle
der bewußtloſen Identitaͤt mit der Natur und
an die der Entzweyung mit dem Schickſal tritt,
und auf einer hoͤhern Stufe die Einheit wieder¬
herſtellt, iſt in der Idee der Vorſehung ausge¬
druͤckt. Das Chriſtenthum alſo leitet in der
Geſchichte jene Periode der Vorſehung ein, wie
die in ihm herrſchende Anſchauung des Univer¬
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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