Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

sich Natur und Geschichte überhaupt als die
reale und ideale Einheit verhalten; aber eben
so verhält sich die Religion der griechischen Welt
zu der christlichen, in welcher das Göttliche
aufgehört hat, sich in der Natur zu offenbaren
und nur in der Geschichte erkennbar ist. Die
Natur ist allgemein die Sphäre des In-sich-
selbst-Seyns der Dinge, in der diese, kraft
der Einbildung des Unendlichen in ihr Endli¬
ches, als Symbole der Ideen zugleich ein von
ihrer Bedeutung unabhängiges Leben haben.
Gott wird daher in der Natur gleichsam exote¬
risch, das Ideale erscheint durch ein Anderes
als es selbst, durch ein Seyn; aber nur in wie
fern dieses Seyn für das Wesen, das Sym¬
bol unabhängig von der Idee, genommen wird,
ist das Göttliche wahrhaft exoterisch, der Idee
nach aber esoterisch. In der idealen Welt, also
vornehmlich der Geschichte, legt das Göttliche
die Hülle ab, sie ist das lautgewordene Myste¬
rium des göttlichen Reiches.

Wie in den Sinnbildern der Natur lag in
den griechischen Dichtungen die Intellectual¬

ſich Natur und Geſchichte uͤberhaupt als die
reale und ideale Einheit verhalten; aber eben
ſo verhaͤlt ſich die Religion der griechiſchen Welt
zu der chriſtlichen, in welcher das Goͤttliche
aufgehoͤrt hat, ſich in der Natur zu offenbaren
und nur in der Geſchichte erkennbar iſt. Die
Natur iſt allgemein die Sphaͤre des In-ſich-
ſelbſt-Seyns der Dinge, in der dieſe, kraft
der Einbildung des Unendlichen in ihr Endli¬
ches, als Symbole der Ideen zugleich ein von
ihrer Bedeutung unabhaͤngiges Leben haben.
Gott wird daher in der Natur gleichſam exote¬
riſch, das Ideale erſcheint durch ein Anderes
als es ſelbſt, durch ein Seyn; aber nur in wie
fern dieſes Seyn fuͤr das Weſen, das Sym¬
bol unabhaͤngig von der Idee, genommen wird,
iſt das Goͤttliche wahrhaft exoteriſch, der Idee
nach aber eſoteriſch. In der idealen Welt, alſo
vornehmlich der Geſchichte, legt das Goͤttliche
die Huͤlle ab, ſie iſt das lautgewordene Myſte¬
rium des goͤttlichen Reiches.

Wie in den Sinnbildern der Natur lag in
den griechiſchen Dichtungen die Intellectual¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0182" n="173"/>
&#x017F;ich Natur und Ge&#x017F;chichte u&#x0364;berhaupt als die<lb/>
reale und ideale Einheit verhalten; aber eben<lb/>
&#x017F;o verha&#x0364;lt &#x017F;ich die Religion der griechi&#x017F;chen Welt<lb/>
zu der chri&#x017F;tlichen, in welcher das Go&#x0364;ttliche<lb/>
aufgeho&#x0364;rt hat, &#x017F;ich in der Natur zu offenbaren<lb/>
und nur in der Ge&#x017F;chichte erkennbar i&#x017F;t. Die<lb/>
Natur i&#x017F;t allgemein die Spha&#x0364;re des In-&#x017F;ich-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t-Seyns der Dinge, in der die&#x017F;e, kraft<lb/>
der Einbildung des Unendlichen in ihr Endli¬<lb/>
ches, als Symbole der Ideen zugleich ein von<lb/>
ihrer Bedeutung unabha&#x0364;ngiges Leben haben.<lb/>
Gott wird daher in der Natur gleich&#x017F;am exote¬<lb/>
ri&#x017F;ch, das Ideale er&#x017F;cheint durch ein Anderes<lb/>
als es &#x017F;elb&#x017F;t, durch ein Seyn; aber nur in wie<lb/>
fern die&#x017F;es Seyn fu&#x0364;r das We&#x017F;en, das Sym¬<lb/>
bol unabha&#x0364;ngig von der Idee, genommen wird,<lb/>
i&#x017F;t das Go&#x0364;ttliche wahrhaft exoteri&#x017F;ch, der Idee<lb/>
nach aber e&#x017F;oteri&#x017F;ch. In der idealen Welt, al&#x017F;o<lb/>
vornehmlich der Ge&#x017F;chichte, legt das Go&#x0364;ttliche<lb/>
die Hu&#x0364;lle ab, &#x017F;ie i&#x017F;t das lautgewordene My&#x017F;te¬<lb/>
rium des go&#x0364;ttlichen Reiches.</p><lb/>
        <p>Wie in den Sinnbildern der Natur lag in<lb/>
den griechi&#x017F;chen Dichtungen die Intellectual¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0182] ſich Natur und Geſchichte uͤberhaupt als die reale und ideale Einheit verhalten; aber eben ſo verhaͤlt ſich die Religion der griechiſchen Welt zu der chriſtlichen, in welcher das Goͤttliche aufgehoͤrt hat, ſich in der Natur zu offenbaren und nur in der Geſchichte erkennbar iſt. Die Natur iſt allgemein die Sphaͤre des In-ſich- ſelbſt-Seyns der Dinge, in der dieſe, kraft der Einbildung des Unendlichen in ihr Endli¬ ches, als Symbole der Ideen zugleich ein von ihrer Bedeutung unabhaͤngiges Leben haben. Gott wird daher in der Natur gleichſam exote¬ riſch, das Ideale erſcheint durch ein Anderes als es ſelbſt, durch ein Seyn; aber nur in wie fern dieſes Seyn fuͤr das Weſen, das Sym¬ bol unabhaͤngig von der Idee, genommen wird, iſt das Goͤttliche wahrhaft exoteriſch, der Idee nach aber eſoteriſch. In der idealen Welt, alſo vornehmlich der Geſchichte, legt das Goͤttliche die Huͤlle ab, ſie iſt das lautgewordene Myſte¬ rium des goͤttlichen Reiches. Wie in den Sinnbildern der Natur lag in den griechiſchen Dichtungen die Intellectual¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/182
Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/182>, abgerufen am 03.05.2024.