und in ihr Eins. Es ist also immer nur die Wissenschaft, wie sie in irgend eines Men¬ schen Kopf existiert; und ist diese mit der Wissenschaft aller Wissenschaften im Wider¬ streit, desto schlimmer für sie! Warum ist denn die Geometrie seit langen Zeiten im un¬ gestörten Besitz ihrer Lehrsätze und im ruhigen Fortschreiten?
Ich weiß, daß nichts so sehr, wie das gründliche Studium der Philosophie, geschickt ist, Achtung für die Wissenschaft einzuflößen, obgleich diese Achtung für die Wissenschaft nicht immer eben eine Achtung für die Wis¬ senschaften seyn mag, wie sie jetzt sind; und wenn denn nun auch diejenigen, welche in der Philosophie eine Idee der Wahrheit er¬ langt haben, von dem grund- und bo¬ denlosen und unzusammenhängenden Wesen, das ihnen in andern Fächern unter jenem Na¬ men angeboten wird, sich hinweg wenden und das Tiefere, das Begründetere, Zusammen¬ hängendere suchen, so ist ja dies reiner Ge¬ winn für die Wissenschaft selbst.
und in ihr Eins. Es iſt alſo immer nur die Wiſſenſchaft, wie ſie in irgend eines Men¬ ſchen Kopf exiſtiert; und iſt dieſe mit der Wiſſenſchaft aller Wiſſenſchaften im Wider¬ ſtreit, deſto ſchlimmer fuͤr ſie! Warum iſt denn die Geometrie ſeit langen Zeiten im un¬ geſtoͤrten Beſitz ihrer Lehrſaͤtze und im ruhigen Fortſchreiten?
Ich weiß, daß nichts ſo ſehr, wie das gruͤndliche Studium der Philoſophie, geſchickt iſt, Achtung fuͤr die Wiſſenſchaft einzufloͤßen, obgleich dieſe Achtung fuͤr die Wiſſenſchaft nicht immer eben eine Achtung fuͤr die Wiſ¬ ſenſchaften ſeyn mag, wie ſie jetzt ſind; und wenn denn nun auch diejenigen, welche in der Philoſophie eine Idee der Wahrheit er¬ langt haben, von dem grund- und bo¬ denloſen und unzuſammenhaͤngenden Weſen, das ihnen in andern Faͤchern unter jenem Na¬ men angeboten wird, ſich hinweg wenden und das Tiefere, das Begruͤndetere, Zuſammen¬ haͤngendere ſuchen, ſo iſt ja dies reiner Ge¬ winn fuͤr die Wiſſenſchaft ſelbſt.
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und in ihr Eins. Es iſt alſo immer nur die
Wiſſenſchaft, wie ſie in irgend eines Men¬
ſchen Kopf exiſtiert; und iſt dieſe mit der
Wiſſenſchaft aller Wiſſenſchaften im Wider¬
ſtreit, deſto ſchlimmer fuͤr ſie! Warum iſt
denn die Geometrie ſeit langen Zeiten im un¬
geſtoͤrten Beſitz ihrer Lehrſaͤtze und im ruhigen
Fortſchreiten?
Ich weiß, daß nichts ſo ſehr, wie das
gruͤndliche Studium der Philoſophie, geſchickt
iſt, Achtung fuͤr die Wiſſenſchaft einzufloͤßen,
obgleich dieſe Achtung fuͤr die Wiſſenſchaft
nicht immer eben eine Achtung fuͤr die Wiſ¬
ſenſchaften ſeyn mag, wie ſie jetzt ſind; und
wenn denn nun auch diejenigen, welche in
der Philoſophie eine Idee der Wahrheit er¬
langt haben, von dem grund- und bo¬
denloſen und unzuſammenhaͤngenden Weſen,
das ihnen in andern Faͤchern unter jenem Na¬
men angeboten wird, ſich hinweg wenden und
das Tiefere, das Begruͤndetere, Zuſammen¬
haͤngendere ſuchen, ſo iſt ja dies reiner Ge¬
winn fuͤr die Wiſſenſchaft ſelbſt.
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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