solche Wissenschaft sey überhaupt nothwendig, und man kann sicher seyn, beweisen zu können, daß jeder andere Begriff, den man etwa von Philosophie aufstellen möchte, kein Begriff, nicht etwa nur dieser, sondern überhaupt einer möglichen Wissenschaft sey.
Philosophie und Mathematik sind sich da¬ rinn gleich, daß beyde in der absoluten Iden¬ tität des Allgemeinen und Besondern gegrün¬ det, beyde also auch, in wie fern jede Einheit dieser Art Anschauung ist, überhaupt in der Anschauung sind; aber die Anschauung der er¬ sten kann nicht wieder wie die der letzten eine reflectirte seyn, sie ist eine unmittelbare Ver¬ nunft- oder intellectuelle Anschauung, die mit ih¬ rem Gegenstande, dem Urwissen selbst, schlechthin identisch ist. Darstellung in intellectueller An¬ schauung ist philosophische Construction, aber wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde liegt, so können auch die besondern, in deren jeder die gleiche Absolutheit des Urwissens auf¬ genommen wird, nur in der Vernunftanschau¬ ung enthalten seyn und sind in so fern Ideen.
7
ſolche Wiſſenſchaft ſey uͤberhaupt nothwendig, und man kann ſicher ſeyn, beweiſen zu koͤnnen, daß jeder andere Begriff, den man etwa von Philoſophie aufſtellen moͤchte, kein Begriff, nicht etwa nur dieſer, ſondern uͤberhaupt einer moͤglichen Wiſſenſchaft ſey.
Philoſophie und Mathematik ſind ſich da¬ rinn gleich, daß beyde in der abſoluten Iden¬ titaͤt des Allgemeinen und Beſondern gegruͤn¬ det, beyde alſo auch, in wie fern jede Einheit dieſer Art Anſchauung iſt, uͤberhaupt in der Anſchauung ſind; aber die Anſchauung der er¬ ſten kann nicht wieder wie die der letzten eine reflectirte ſeyn, ſie iſt eine unmittelbare Ver¬ nunft- oder intellectuelle Anſchauung, die mit ih¬ rem Gegenſtande, dem Urwiſſen ſelbſt, ſchlechthin identiſch iſt. Darſtellung in intellectueller An¬ ſchauung iſt philoſophiſche Conſtruction, aber wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde liegt, ſo koͤnnen auch die beſondern, in deren jeder die gleiche Abſolutheit des Urwiſſens auf¬ genommen wird, nur in der Vernunftanſchau¬ ung enthalten ſeyn und ſind in ſo fern Ideen.
7
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0106"n="97"/>ſolche Wiſſenſchaft ſey uͤberhaupt nothwendig,<lb/>
und man kann ſicher ſeyn, beweiſen zu koͤnnen,<lb/>
daß jeder andere Begriff, den man etwa von<lb/>
Philoſophie aufſtellen moͤchte, kein Begriff,<lb/>
nicht etwa nur dieſer, ſondern uͤberhaupt einer<lb/>
moͤglichen Wiſſenſchaft ſey.</p><lb/><p>Philoſophie und Mathematik ſind ſich da¬<lb/>
rinn gleich, daß beyde in der abſoluten Iden¬<lb/>
titaͤt des Allgemeinen und Beſondern gegruͤn¬<lb/>
det, beyde alſo auch, in wie fern jede Einheit<lb/>
dieſer Art Anſchauung iſt, uͤberhaupt in der<lb/>
Anſchauung ſind; aber die Anſchauung der er¬<lb/>ſten kann nicht wieder wie die der letzten eine<lb/>
reflectirte ſeyn, ſie iſt eine unmittelbare Ver¬<lb/>
nunft- oder intellectuelle Anſchauung, die mit ih¬<lb/>
rem Gegenſtande, dem Urwiſſen ſelbſt, ſchlechthin<lb/>
identiſch iſt. Darſtellung in intellectueller An¬<lb/>ſchauung iſt philoſophiſche Conſtruction, aber<lb/>
wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde<lb/>
liegt, ſo koͤnnen auch die beſondern, in deren<lb/>
jeder die gleiche Abſolutheit des Urwiſſens auf¬<lb/>
genommen wird, nur in der Vernunftanſchau¬<lb/>
ung enthalten ſeyn und ſind in ſo fern Ideen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">7<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[97/0106]
ſolche Wiſſenſchaft ſey uͤberhaupt nothwendig,
und man kann ſicher ſeyn, beweiſen zu koͤnnen,
daß jeder andere Begriff, den man etwa von
Philoſophie aufſtellen moͤchte, kein Begriff,
nicht etwa nur dieſer, ſondern uͤberhaupt einer
moͤglichen Wiſſenſchaft ſey.
Philoſophie und Mathematik ſind ſich da¬
rinn gleich, daß beyde in der abſoluten Iden¬
titaͤt des Allgemeinen und Beſondern gegruͤn¬
det, beyde alſo auch, in wie fern jede Einheit
dieſer Art Anſchauung iſt, uͤberhaupt in der
Anſchauung ſind; aber die Anſchauung der er¬
ſten kann nicht wieder wie die der letzten eine
reflectirte ſeyn, ſie iſt eine unmittelbare Ver¬
nunft- oder intellectuelle Anſchauung, die mit ih¬
rem Gegenſtande, dem Urwiſſen ſelbſt, ſchlechthin
identiſch iſt. Darſtellung in intellectueller An¬
ſchauung iſt philoſophiſche Conſtruction, aber
wie die allgemeine Einheit, die allen zu Grunde
liegt, ſo koͤnnen auch die beſondern, in deren
jeder die gleiche Abſolutheit des Urwiſſens auf¬
genommen wird, nur in der Vernunftanſchau¬
ung enthalten ſeyn und ſind in ſo fern Ideen.
7
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Vorlesungen über die Methode des academischen Studium. Tübingen, 1803, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_methode_1803/106>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.