a) der Ansicht des Universums als Chaos, welches, im Vorbeigehen gesagt, die Grundanschauung des Erhabenen ist, sofern nämlich in ihm in absoluter Identität alles als eins liegt, b) als der höchsten Schön- heit und Form, weil es eben durch die Absolutheit der Form, oder dadurch, daß in jedes Besondere und jede Form wieder alle Formen, und demnach die absolute Form gebildet ist, Chaos ist. Wir werden von diesen Begriffen in der Folge sehr bestimmten Gebrauch machen. b) Vorzüglich ist der Begriff der absoluten Geschiedenheit des Beson- deren für die Kunst wichtig, da gerade auf dieser Absonderung der Formen ihre größte Wirkung beruht. Aber diese Absonderung ist eben nur dadurch, daß jedes für sich absolut ist.
§. 27. Die besonderen Dinge, sofern sie in ihrer Be- sonderheit absolut, sofern sie also als Besondere zugleich Universa sind, heißen Ideen.
Dieser Satz ist bloße Erklärung, also keines Beweises bedürftig, obwohl es sich zeigen ließe, daß schon der erste Urheber der Lehre von den Ideen, wenn er auch diese nicht gerade so erklärt, doch dasselbe darunter verstanden.
Erläuterung. Jede Idee ist = Universum in der Gestalt des Besonderen. Aber eben deßwegen ist sie nicht als dieses Besondere real. Das Reale ist immer nur das Universum. Jede Idee hat zwei Ein- heiten, die eine, wodurch sie in sich selbst und absolut ist, die also, wodurch das Absolute in ihr Besonderes gebildet ist, und die, wodurch sie als Besonderes in das Absolute als ihr Centrum aufge- nommen wird. Diese gedoppelte Einheit jeder Idee ist eigentlich das Geheimniß, wodurch das Besondere im Absoluten, und gleichwohl wieder als Besonderes begriffen werden kann.
§. 28. Dieselben Ineinsbildungen des Allgemeinen und Besonderen, die an sich selbst betrachtet Ideen, d. h. Bilder des Göttlichen sind, sind real betrachtet Götter. Denn das Wesen, das An-sich von ihnen = Gott. Ideen sind sie nur, inwiefern sie Gott in besonderer Form. Jede Idee ist also = Gott, aber ein besonderer Gott.
α) der Anſicht des Univerſums als Chaos, welches, im Vorbeigehen geſagt, die Grundanſchauung des Erhabenen iſt, ſofern nämlich in ihm in abſoluter Identität alles als eins liegt, β) als der höchſten Schön- heit und Form, weil es eben durch die Abſolutheit der Form, oder dadurch, daß in jedes Beſondere und jede Form wieder alle Formen, und demnach die abſolute Form gebildet iſt, Chaos iſt. Wir werden von dieſen Begriffen in der Folge ſehr beſtimmten Gebrauch machen. b) Vorzüglich iſt der Begriff der abſoluten Geſchiedenheit des Beſon- deren für die Kunſt wichtig, da gerade auf dieſer Abſonderung der Formen ihre größte Wirkung beruht. Aber dieſe Abſonderung iſt eben nur dadurch, daß jedes für ſich abſolut iſt.
§. 27. Die beſonderen Dinge, ſofern ſie in ihrer Be- ſonderheit abſolut, ſofern ſie alſo als Beſondere zugleich Univerſa ſind, heißen Ideen.
Dieſer Satz iſt bloße Erklärung, alſo keines Beweiſes bedürftig, obwohl es ſich zeigen ließe, daß ſchon der erſte Urheber der Lehre von den Ideen, wenn er auch dieſe nicht gerade ſo erklärt, doch dasſelbe darunter verſtanden.
Erläuterung. Jede Idee iſt = Univerſum in der Geſtalt des Beſonderen. Aber eben deßwegen iſt ſie nicht als dieſes Beſondere real. Das Reale iſt immer nur das Univerſum. Jede Idee hat zwei Ein- heiten, die eine, wodurch ſie in ſich ſelbſt und abſolut iſt, die alſo, wodurch das Abſolute in ihr Beſonderes gebildet iſt, und die, wodurch ſie als Beſonderes in das Abſolute als ihr Centrum aufge- nommen wird. Dieſe gedoppelte Einheit jeder Idee iſt eigentlich das Geheimniß, wodurch das Beſondere im Abſoluten, und gleichwohl wieder als Beſonderes begriffen werden kann.
§. 28. Dieſelben Ineinsbildungen des Allgemeinen und Beſonderen, die an ſich ſelbſt betrachtet Ideen, d. h. Bilder des Göttlichen ſind, ſind real betrachtet Götter. Denn das Weſen, das An-ſich von ihnen = Gott. Ideen ſind ſie nur, inwiefern ſie Gott in beſonderer Form. Jede Idee iſt alſo = Gott, aber ein beſonderer Gott.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0066"n="390"/>α) der Anſicht des Univerſums als <hirendition="#g">Chaos</hi>, welches, im Vorbeigehen<lb/>
geſagt, die Grundanſchauung des Erhabenen iſt, ſofern nämlich in ihm<lb/>
in abſoluter Identität alles als eins liegt, β) als der höchſten Schön-<lb/>
heit und Form, weil es eben durch die Abſolutheit der <hirendition="#g">Form</hi>, oder<lb/>
dadurch, daß in jedes Beſondere und jede <hirendition="#g">Form</hi> wieder alle Formen,<lb/>
und demnach die abſolute Form gebildet iſt, Chaos iſt. Wir werden<lb/>
von dieſen Begriffen in der Folge ſehr beſtimmten Gebrauch machen.<lb/><hirendition="#aq">b)</hi> Vorzüglich iſt der Begriff der abſoluten Geſchiedenheit des Beſon-<lb/>
deren für die Kunſt wichtig, da gerade auf dieſer Abſonderung der<lb/>
Formen ihre größte Wirkung beruht. Aber dieſe Abſonderung iſt eben<lb/>
nur dadurch, daß jedes für ſich abſolut iſt.</p><lb/><p>§. 27. <hirendition="#g">Die beſonderen Dinge, ſofern ſie in ihrer Be-<lb/>ſonderheit abſolut, ſofern ſie alſo als Beſondere zugleich<lb/>
Univerſa ſind, heißen <hirendition="#b">Ideen</hi></hi>.</p><lb/><p>Dieſer Satz iſt bloße <hirendition="#g">Erklärung</hi>, alſo keines Beweiſes bedürftig,<lb/>
obwohl es ſich zeigen ließe, daß ſchon der erſte Urheber der Lehre von<lb/>
den Ideen, wenn er auch dieſe nicht gerade <hirendition="#g">ſo</hi> erklärt, doch dasſelbe<lb/>
darunter verſtanden.</p><lb/><p><hirendition="#g">Erläuterung</hi>. Jede Idee iſt = Univerſum in der Geſtalt des<lb/>
Beſonderen. Aber eben deßwegen iſt ſie nicht als dieſes Beſondere real.<lb/>
Das Reale iſt immer nur das Univerſum. Jede Idee hat zwei Ein-<lb/>
heiten, die eine, wodurch ſie <hirendition="#g">in ſich ſelbſt</hi> und <hirendition="#g">abſolut</hi> iſt, die<lb/>
alſo, wodurch das Abſolute in ihr Beſonderes gebildet iſt, und die,<lb/>
wodurch ſie als Beſonderes in das Abſolute als ihr Centrum aufge-<lb/>
nommen wird. Dieſe gedoppelte Einheit jeder Idee iſt eigentlich das<lb/>
Geheimniß, wodurch das Beſondere im Abſoluten, und gleichwohl<lb/>
wieder als Beſonderes begriffen werden kann.</p><lb/><p>§. 28. <hirendition="#g">Dieſelben Ineinsbildungen des Allgemeinen<lb/>
und Beſonderen, die an ſich ſelbſt betrachtet Ideen, d. h.<lb/>
Bilder des Göttlichen ſind, ſind real betrachtet <hirendition="#b">Götter</hi></hi>.<lb/>
Denn das Weſen, das An-ſich von ihnen = <hirendition="#g">Gott</hi>. Ideen ſind ſie<lb/>
nur, inwiefern ſie Gott in beſonderer Form. Jede Idee iſt alſo =<lb/>
Gott, aber ein beſonderer Gott.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[390/0066]
α) der Anſicht des Univerſums als Chaos, welches, im Vorbeigehen
geſagt, die Grundanſchauung des Erhabenen iſt, ſofern nämlich in ihm
in abſoluter Identität alles als eins liegt, β) als der höchſten Schön-
heit und Form, weil es eben durch die Abſolutheit der Form, oder
dadurch, daß in jedes Beſondere und jede Form wieder alle Formen,
und demnach die abſolute Form gebildet iſt, Chaos iſt. Wir werden
von dieſen Begriffen in der Folge ſehr beſtimmten Gebrauch machen.
b) Vorzüglich iſt der Begriff der abſoluten Geſchiedenheit des Beſon-
deren für die Kunſt wichtig, da gerade auf dieſer Abſonderung der
Formen ihre größte Wirkung beruht. Aber dieſe Abſonderung iſt eben
nur dadurch, daß jedes für ſich abſolut iſt.
§. 27. Die beſonderen Dinge, ſofern ſie in ihrer Be-
ſonderheit abſolut, ſofern ſie alſo als Beſondere zugleich
Univerſa ſind, heißen Ideen.
Dieſer Satz iſt bloße Erklärung, alſo keines Beweiſes bedürftig,
obwohl es ſich zeigen ließe, daß ſchon der erſte Urheber der Lehre von
den Ideen, wenn er auch dieſe nicht gerade ſo erklärt, doch dasſelbe
darunter verſtanden.
Erläuterung. Jede Idee iſt = Univerſum in der Geſtalt des
Beſonderen. Aber eben deßwegen iſt ſie nicht als dieſes Beſondere real.
Das Reale iſt immer nur das Univerſum. Jede Idee hat zwei Ein-
heiten, die eine, wodurch ſie in ſich ſelbſt und abſolut iſt, die
alſo, wodurch das Abſolute in ihr Beſonderes gebildet iſt, und die,
wodurch ſie als Beſonderes in das Abſolute als ihr Centrum aufge-
nommen wird. Dieſe gedoppelte Einheit jeder Idee iſt eigentlich das
Geheimniß, wodurch das Beſondere im Abſoluten, und gleichwohl
wieder als Beſonderes begriffen werden kann.
§. 28. Dieſelben Ineinsbildungen des Allgemeinen
und Beſonderen, die an ſich ſelbſt betrachtet Ideen, d. h.
Bilder des Göttlichen ſind, ſind real betrachtet Götter.
Denn das Weſen, das An-ſich von ihnen = Gott. Ideen ſind ſie
nur, inwiefern ſie Gott in beſonderer Form. Jede Idee iſt alſo =
Gott, aber ein beſonderer Gott.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/66>, abgerufen am 04.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.