Herrschaft der Gebildeten zurückgeführt; er vereinigt mit dem Feuer des lyrischen Dichters die Würde eines pythagoreischen Philosophen, wie auch die Sage bekannt ist, daß er die Lehre des Pythagoras geliebt habe. (Das Plastische, gleichsam Dramatische der pindarischen Oden.)
Diese Objektivität der griechischen Lyrik ist es aber doch wieder nur innerhalb des allgemeinen Charakters der Gattung, welcher der der Innerlichkeit, der besonderen und gegenwärtigen Wirklichkeit ist. Das Epos erzählt die Vergangenheit. Das lyrische Gedicht besingt die Gegen- wart, und geht bis zur Verewigung der einzelnsten und vergänglichsten Blüthe derselben herunter, des Genusses, der Schönheit, der Liebe zu einzelnen Jünglingen, wie in dem Gedicht des Alkman und der Sappho, und auch hier wieder bis zur Einzelheit schöner Augen, Haare, ein- zelner Glieder, wie in den Gedichten des Anakreon.
Dionys von Halikarnaß bestimmt als das Ausgezeichnetste des Epos, daß der Dichter nicht erscheine. Die lyrische Kunst dagegen ist die eigentliche Sphäre der Selbstbeschauung und des Selbstbewußtseyns, wie die Musik, wo keine Gestalt, sondern nur ein Gemüth, kein Ge- genstand, sondern nur eine Stimmung sich ausdrückt.
Der Charakter der Differenz, der Scheidung und Sonderung, welcher in der Lyrik an und für sich selbst liegt, drückt sich in der ly- rischen Kunst der Griechen nicht minder bestimmt als alle andern aus. Vollkommene Ausbildung aller rhythmischen Gattungen, so daß dem Drama nichts übrig blieb. Scharfe Absonderung aller Arten, sowohl was die äußeren Verschiedenheiten des Rhythmus, als die innere Di- versität des Stoffs, der Sprache u. s. w. betrifft, scharfe Absonderung endlich in den verschiedenen Stylen der lyrischen Kunst, dem jonischen, dorischen u. d. a.
Wir finden auch in Ansehung der lyrischen Kunst wieder den allgemei- nen Gegensatz des Antiken und Modernen auf gleiche Weise zurückkehren.
Wie die höchste Blüthe der lyrischen Kunst der Griechen in das Entstehen der Republik, der höchsten Blüthe des öffentlichen Lebens fällt, so der erste Beginn der modernen Lyrik im 14. Jahrhundert in die Zeit der öffentlichen Unruhen und der allgemein geschehenden
Herrſchaft der Gebildeten zurückgeführt; er vereinigt mit dem Feuer des lyriſchen Dichters die Würde eines pythagoreiſchen Philoſophen, wie auch die Sage bekannt iſt, daß er die Lehre des Pythagoras geliebt habe. (Das Plaſtiſche, gleichſam Dramatiſche der pindariſchen Oden.)
Dieſe Objektivität der griechiſchen Lyrik iſt es aber doch wieder nur innerhalb des allgemeinen Charakters der Gattung, welcher der der Innerlichkeit, der beſonderen und gegenwärtigen Wirklichkeit iſt. Das Epos erzählt die Vergangenheit. Das lyriſche Gedicht beſingt die Gegen- wart, und geht bis zur Verewigung der einzelnſten und vergänglichſten Blüthe derſelben herunter, des Genuſſes, der Schönheit, der Liebe zu einzelnen Jünglingen, wie in dem Gedicht des Alkman und der Sappho, und auch hier wieder bis zur Einzelheit ſchöner Augen, Haare, ein- zelner Glieder, wie in den Gedichten des Anakreon.
Dionys von Halikarnaß beſtimmt als das Ausgezeichnetſte des Epos, daß der Dichter nicht erſcheine. Die lyriſche Kunſt dagegen iſt die eigentliche Sphäre der Selbſtbeſchauung und des Selbſtbewußtſeyns, wie die Muſik, wo keine Geſtalt, ſondern nur ein Gemüth, kein Ge- genſtand, ſondern nur eine Stimmung ſich ausdrückt.
Der Charakter der Differenz, der Scheidung und Sonderung, welcher in der Lyrik an und für ſich ſelbſt liegt, drückt ſich in der ly- riſchen Kunſt der Griechen nicht minder beſtimmt als alle andern aus. Vollkommene Ausbildung aller rhythmiſchen Gattungen, ſo daß dem Drama nichts übrig blieb. Scharfe Abſonderung aller Arten, ſowohl was die äußeren Verſchiedenheiten des Rhythmus, als die innere Di- verſität des Stoffs, der Sprache u. ſ. w. betrifft, ſcharfe Abſonderung endlich in den verſchiedenen Stylen der lyriſchen Kunſt, dem joniſchen, doriſchen u. d. a.
Wir finden auch in Anſehung der lyriſchen Kunſt wieder den allgemei- nen Gegenſatz des Antiken und Modernen auf gleiche Weiſe zurückkehren.
Wie die höchſte Blüthe der lyriſchen Kunſt der Griechen in das Entſtehen der Republik, der höchſten Blüthe des öffentlichen Lebens fällt, ſo der erſte Beginn der modernen Lyrik im 14. Jahrhundert in die Zeit der öffentlichen Unruhen und der allgemein geſchehenden
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Herrſchaft der Gebildeten zurückgeführt; er vereinigt mit dem Feuer des
lyriſchen Dichters die Würde eines pythagoreiſchen Philoſophen, wie
auch die Sage bekannt iſt, daß er die Lehre des Pythagoras geliebt habe.
(Das Plaſtiſche, gleichſam Dramatiſche der pindariſchen Oden.)
Dieſe Objektivität der griechiſchen Lyrik iſt es aber doch wieder nur
innerhalb des allgemeinen Charakters der Gattung, welcher der der
Innerlichkeit, der beſonderen und gegenwärtigen Wirklichkeit iſt. Das
Epos erzählt die Vergangenheit. Das lyriſche Gedicht beſingt die Gegen-
wart, und geht bis zur Verewigung der einzelnſten und vergänglichſten
Blüthe derſelben herunter, des Genuſſes, der Schönheit, der Liebe zu
einzelnen Jünglingen, wie in dem Gedicht des Alkman und der Sappho,
und auch hier wieder bis zur Einzelheit ſchöner Augen, Haare, ein-
zelner Glieder, wie in den Gedichten des Anakreon.
Dionys von Halikarnaß beſtimmt als das Ausgezeichnetſte des
Epos, daß der Dichter nicht erſcheine. Die lyriſche Kunſt dagegen iſt
die eigentliche Sphäre der Selbſtbeſchauung und des Selbſtbewußtſeyns,
wie die Muſik, wo keine Geſtalt, ſondern nur ein Gemüth, kein Ge-
genſtand, ſondern nur eine Stimmung ſich ausdrückt.
Der Charakter der Differenz, der Scheidung und Sonderung,
welcher in der Lyrik an und für ſich ſelbſt liegt, drückt ſich in der ly-
riſchen Kunſt der Griechen nicht minder beſtimmt als alle andern aus.
Vollkommene Ausbildung aller rhythmiſchen Gattungen, ſo daß dem
Drama nichts übrig blieb. Scharfe Abſonderung aller Arten, ſowohl
was die äußeren Verſchiedenheiten des Rhythmus, als die innere Di-
verſität des Stoffs, der Sprache u. ſ. w. betrifft, ſcharfe Abſonderung
endlich in den verſchiedenen Stylen der lyriſchen Kunſt, dem joniſchen,
doriſchen u. d. a.
Wir finden auch in Anſehung der lyriſchen Kunſt wieder den allgemei-
nen Gegenſatz des Antiken und Modernen auf gleiche Weiſe zurückkehren.
Wie die höchſte Blüthe der lyriſchen Kunſt der Griechen in das
Entſtehen der Republik, der höchſten Blüthe des öffentlichen Lebens
fällt, ſo der erſte Beginn der modernen Lyrik im 14. Jahrhundert in
die Zeit der öffentlichen Unruhen und der allgemein geſchehenden
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/319>, abgerufen am 15.05.2024.
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