§. 133. Der malerische Theil der Plastik, inwiefern er in ihr stattfinden könnte, müßte sich auf die Gruppi- rung oder Zusammensetzung mehrerer Gestalten zu einer gemein- schaftlichen Handlung beziehen. -- Denn da es bei einer beträchtlichen Composition nicht zu vermeiden wäre, daß einzelne Figuren durch andere verdeckt und für Betrachtung des Ganzen ein gewisser, bestimmter Gesichtspunkt nothwendig würde, so würde die Plastik sich dadurch eine der Malerei ähnliche Beschränkung geben. Allein man sieht schon aus der Sache selbst, wie nothwendig die Plastik sich in Rücksicht der Com- position auf wenig Gestalten zu beschränken hat, und sie kann dieß um so eher, da sie die einzige bildende Kunst ist, welcher die Gestalt an und für sich genügt, und die nichts außer ihr bedarf. Die Malerei hat wenigstens den Grund darzustellen, und begnügt sich schon darum weniger mit Einer Gestalt, weil sie dem Raum Bedeutung geben muß. Eben deßwegen aber, weil die Malerei ihren Gegenständen den Grund zugibt, hat sie zugleich das Verbindungsmittel für sie, anstatt daß die Plastik, wo jede Gestalt für sich und von allen Seiten beschlossen ist, wenn sie zu viele Gestalten durch ein äußeres Medium, z. B. den Boden, auf den sie gestellt werden, verbinden wollte, dadurch dem Außerwesentlichen eine zu große Bedeutung geben würde.
Man kann also behaupten, daß eben in der Absolutheit der Plastik der Grund liegt, warum sie sich nicht auf zusammengesetztere Compo- sitionen ausdehnt, indem in Einem oder in Wenigem ihre ganze Größe beschlossen liegt, die nicht auf der Ausdehnung im Raum, sondern allein auf der inneren Vollendung und Beschlossenheit des Gegenstandes beruht, demnach eine Größe ist, die nicht empirisch, sondern der Idee nach geschätzt wird. Wie die Natur zur Vollendung jedes einzelnen ihrer organischen Werke dadurch gelangt, daß sie Länge und Breite aufhebt, und alles concentrisch aufstellt, so schließt auch die bildende Kunst in der Plastik als ihrer Blüthe sich dadurch, daß sie alles gegen den Mittelpunkt zusammenzieht und scheinbar sich beschränkend sich zur Totalität erweitert.
§. 133. Der maleriſche Theil der Plaſtik, inwiefern er in ihr ſtattfinden könnte, müßte ſich auf die Gruppi- rung oder Zuſammenſetzung mehrerer Geſtalten zu einer gemein- ſchaftlichen Handlung beziehen. — Denn da es bei einer beträchtlichen Compoſition nicht zu vermeiden wäre, daß einzelne Figuren durch andere verdeckt und für Betrachtung des Ganzen ein gewiſſer, beſtimmter Geſichtspunkt nothwendig würde, ſo würde die Plaſtik ſich dadurch eine der Malerei ähnliche Beſchränkung geben. Allein man ſieht ſchon aus der Sache ſelbſt, wie nothwendig die Plaſtik ſich in Rückſicht der Com- poſition auf wenig Geſtalten zu beſchränken hat, und ſie kann dieß um ſo eher, da ſie die einzige bildende Kunſt iſt, welcher die Geſtalt an und für ſich genügt, und die nichts außer ihr bedarf. Die Malerei hat wenigſtens den Grund darzuſtellen, und begnügt ſich ſchon darum weniger mit Einer Geſtalt, weil ſie dem Raum Bedeutung geben muß. Eben deßwegen aber, weil die Malerei ihren Gegenſtänden den Grund zugibt, hat ſie zugleich das Verbindungsmittel für ſie, anſtatt daß die Plaſtik, wo jede Geſtalt für ſich und von allen Seiten beſchloſſen iſt, wenn ſie zu viele Geſtalten durch ein äußeres Medium, z. B. den Boden, auf den ſie geſtellt werden, verbinden wollte, dadurch dem Außerweſentlichen eine zu große Bedeutung geben würde.
Man kann alſo behaupten, daß eben in der Abſolutheit der Plaſtik der Grund liegt, warum ſie ſich nicht auf zuſammengeſetztere Compo- ſitionen ausdehnt, indem in Einem oder in Wenigem ihre ganze Größe beſchloſſen liegt, die nicht auf der Ausdehnung im Raum, ſondern allein auf der inneren Vollendung und Beſchloſſenheit des Gegenſtandes beruht, demnach eine Größe iſt, die nicht empiriſch, ſondern der Idee nach geſchätzt wird. Wie die Natur zur Vollendung jedes einzelnen ihrer organiſchen Werke dadurch gelangt, daß ſie Länge und Breite aufhebt, und alles concentriſch aufſtellt, ſo ſchließt auch die bildende Kunſt in der Plaſtik als ihrer Blüthe ſich dadurch, daß ſie alles gegen den Mittelpunkt zuſammenzieht und ſcheinbar ſich beſchränkend ſich zur Totalität erweitert.
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§. 133. Der maleriſche Theil der Plaſtik, inwiefern
er in ihr ſtattfinden könnte, müßte ſich auf die Gruppi-
rung oder Zuſammenſetzung mehrerer Geſtalten zu einer gemein-
ſchaftlichen Handlung beziehen. — Denn da es bei einer beträchtlichen
Compoſition nicht zu vermeiden wäre, daß einzelne Figuren durch andere
verdeckt und für Betrachtung des Ganzen ein gewiſſer, beſtimmter
Geſichtspunkt nothwendig würde, ſo würde die Plaſtik ſich dadurch eine
der Malerei ähnliche Beſchränkung geben. Allein man ſieht ſchon aus
der Sache ſelbſt, wie nothwendig die Plaſtik ſich in Rückſicht der Com-
poſition auf wenig Geſtalten zu beſchränken hat, und ſie kann dieß
um ſo eher, da ſie die einzige bildende Kunſt iſt, welcher die Geſtalt
an und für ſich genügt, und die nichts außer ihr bedarf. Die Malerei
hat wenigſtens den Grund darzuſtellen, und begnügt ſich ſchon darum
weniger mit Einer Geſtalt, weil ſie dem Raum Bedeutung geben
muß. Eben deßwegen aber, weil die Malerei ihren Gegenſtänden
den Grund zugibt, hat ſie zugleich das Verbindungsmittel für ſie,
anſtatt daß die Plaſtik, wo jede Geſtalt für ſich und von allen
Seiten beſchloſſen iſt, wenn ſie zu viele Geſtalten durch ein äußeres
Medium, z. B. den Boden, auf den ſie geſtellt werden, verbinden
wollte, dadurch dem Außerweſentlichen eine zu große Bedeutung geben
würde.
Man kann alſo behaupten, daß eben in der Abſolutheit der Plaſtik
der Grund liegt, warum ſie ſich nicht auf zuſammengeſetztere Compo-
ſitionen ausdehnt, indem in Einem oder in Wenigem ihre ganze Größe
beſchloſſen liegt, die nicht auf der Ausdehnung im Raum, ſondern
allein auf der inneren Vollendung und Beſchloſſenheit des Gegenſtandes
beruht, demnach eine Größe iſt, die nicht empiriſch, ſondern der Idee
nach geſchätzt wird. Wie die Natur zur Vollendung jedes einzelnen
ihrer organiſchen Werke dadurch gelangt, daß ſie Länge und Breite
aufhebt, und alles concentriſch aufſtellt, ſo ſchließt auch die bildende
Kunſt in der Plaſtik als ihrer Blüthe ſich dadurch, daß ſie alles gegen
den Mittelpunkt zuſammenzieht und ſcheinbar ſich beſchränkend ſich
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/303>, abgerufen am 22.11.2024.
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