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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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§. 114. Die Architektur hat, als die Musik der Pla-
stik, wie jene einen rhythmischen, harmonischen und me-
lodischen Theil
. -- Folgt von selbst aus §. 107.

§. 115. Der architektonische Rhythmus drückt sich in
der periodischen Eintheilung des Gleichartigen
, also vor-
nämlich in folgenden Theilen aus: Abnahme und Verjüngung der
Säulen nach oben und unten, Größe der Säulenweite, in der dorischen
Ordnung insbesondere durch Verbindung der Glieder in Gesimse, Zahl
der Triglyphen in einer Säulenweite u. s. w.

Erläuterung. Die Verjüngung der Säule geschieht in der
dorischen Ordnung nach oben in gerader Linie, an der jonischen, der
korinthischen ist die Linie, nach der sie abnehmen, eine Curve. Was
die Säulenweiten betrifft, so war nach Vitruvius 1 bei den Alten fünferlei
gebräuchlich, wovon weder die zu geringe, noch die zu große die
schönste ist, sondern die mittlere, denn jene gibt dem Ganzen ein
zu dickes, diese ein zu mageres Ansehen. Das Rhythmische hierin
einzusehen, müssen wir die Erklärung zurückrufen, daß es in einer
periodischen Eintheilung des Gleichartigen besteht. In der Musik
sind die Weiten Zeitentfernungen, in der Architektur Raumweiten.
Die Zahl der Triglyphen ist abhängig von der Säulenweite, indem
die beiden äußersten in einem Intercolumnium immer genau über
eine Säule zu stehen kommen müssen. Die Glieder des Gesimses sind
die verschiedenen größeren und kleineren Theile, woraus diese zusam-
mengesetzt werden. Die Hauptforderung ist, daß sie rhythmisch geord-
net seyen, d. h. daß die Menge und Verschiedenheit der Glieder weder
das Auge verwirren, noch daß auf der anderen Seite in Ansehung der
Form und Größe derselben zu große Einförmigkeit herrsche. Zwei Glie-
der derselben Art und Größe dürfen daher nicht unmittelbar unter oder über
einander liegen, und das Ganze muß sich gewissermaßen wieder grup-
piren, wie in der Musik auch aus schon zusammengesetzten rhythmischen
Gliedern wieder größere gebildet werden.

1 Lib. III, Cap. 2.

§. 114. Die Architektur hat, als die Muſik der Pla-
ſtik, wie jene einen rhythmiſchen, harmoniſchen und me-
lodiſchen Theil
. — Folgt von ſelbſt aus §. 107.

§. 115. Der architektoniſche Rhythmus drückt ſich in
der periodiſchen Eintheilung des Gleichartigen
, alſo vor-
nämlich in folgenden Theilen aus: Abnahme und Verjüngung der
Säulen nach oben und unten, Größe der Säulenweite, in der doriſchen
Ordnung insbeſondere durch Verbindung der Glieder in Geſimſe, Zahl
der Triglyphen in einer Säulenweite u. ſ. w.

Erläuterung. Die Verjüngung der Säule geſchieht in der
doriſchen Ordnung nach oben in gerader Linie, an der joniſchen, der
korinthiſchen iſt die Linie, nach der ſie abnehmen, eine Curve. Was
die Säulenweiten betrifft, ſo war nach Vitruvius 1 bei den Alten fünferlei
gebräuchlich, wovon weder die zu geringe, noch die zu große die
ſchönſte iſt, ſondern die mittlere, denn jene gibt dem Ganzen ein
zu dickes, dieſe ein zu mageres Anſehen. Das Rhythmiſche hierin
einzuſehen, müſſen wir die Erklärung zurückrufen, daß es in einer
periodiſchen Eintheilung des Gleichartigen beſteht. In der Muſik
ſind die Weiten Zeitentfernungen, in der Architektur Raumweiten.
Die Zahl der Triglyphen iſt abhängig von der Säulenweite, indem
die beiden äußerſten in einem Intercolumnium immer genau über
eine Säule zu ſtehen kommen müſſen. Die Glieder des Geſimſes ſind
die verſchiedenen größeren und kleineren Theile, woraus dieſe zuſam-
mengeſetzt werden. Die Hauptforderung iſt, daß ſie rhythmiſch geord-
net ſeyen, d. h. daß die Menge und Verſchiedenheit der Glieder weder
das Auge verwirren, noch daß auf der anderen Seite in Anſehung der
Form und Größe derſelben zu große Einförmigkeit herrſche. Zwei Glie-
der derſelben Art und Größe dürfen daher nicht unmittelbar unter oder über
einander liegen, und das Ganze muß ſich gewiſſermaßen wieder grup-
piren, wie in der Muſik auch aus ſchon zuſammengeſetzten rhythmiſchen
Gliedern wieder größere gebildet werden.

1 Lib. III, Cap. 2.
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[590/0266] §. 114. Die Architektur hat, als die Muſik der Pla- ſtik, wie jene einen rhythmiſchen, harmoniſchen und me- lodiſchen Theil. — Folgt von ſelbſt aus §. 107. §. 115. Der architektoniſche Rhythmus drückt ſich in der periodiſchen Eintheilung des Gleichartigen, alſo vor- nämlich in folgenden Theilen aus: Abnahme und Verjüngung der Säulen nach oben und unten, Größe der Säulenweite, in der doriſchen Ordnung insbeſondere durch Verbindung der Glieder in Geſimſe, Zahl der Triglyphen in einer Säulenweite u. ſ. w. Erläuterung. Die Verjüngung der Säule geſchieht in der doriſchen Ordnung nach oben in gerader Linie, an der joniſchen, der korinthiſchen iſt die Linie, nach der ſie abnehmen, eine Curve. Was die Säulenweiten betrifft, ſo war nach Vitruvius 1 bei den Alten fünferlei gebräuchlich, wovon weder die zu geringe, noch die zu große die ſchönſte iſt, ſondern die mittlere, denn jene gibt dem Ganzen ein zu dickes, dieſe ein zu mageres Anſehen. Das Rhythmiſche hierin einzuſehen, müſſen wir die Erklärung zurückrufen, daß es in einer periodiſchen Eintheilung des Gleichartigen beſteht. In der Muſik ſind die Weiten Zeitentfernungen, in der Architektur Raumweiten. Die Zahl der Triglyphen iſt abhängig von der Säulenweite, indem die beiden äußerſten in einem Intercolumnium immer genau über eine Säule zu ſtehen kommen müſſen. Die Glieder des Geſimſes ſind die verſchiedenen größeren und kleineren Theile, woraus dieſe zuſam- mengeſetzt werden. Die Hauptforderung iſt, daß ſie rhythmiſch geord- net ſeyen, d. h. daß die Menge und Verſchiedenheit der Glieder weder das Auge verwirren, noch daß auf der anderen Seite in Anſehung der Form und Größe derſelben zu große Einförmigkeit herrſche. Zwei Glie- der derſelben Art und Größe dürfen daher nicht unmittelbar unter oder über einander liegen, und das Ganze muß ſich gewiſſermaßen wieder grup- piren, wie in der Muſik auch aus ſchon zuſammengeſetzten rhythmiſchen Gliedern wieder größere gebildet werden. 1 Lib. III, Cap. 2.

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/266>, abgerufen am 22.11.2024.