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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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durch den Begriff des Organismus vermittelt seyn kann, eine überhaupt
durch Begriff vermittelte Beziehung. Soll sie aber eine absolute
Kunst seyn, so muß sie an sich selbst und ohne Vermittlung in der
Identität mit der Vernunft seyn. Dieß kann nicht dadurch geschehen,
daß in dem Stoff nur überhaupt ein Zweckbegriff ausgedrückt wird.
Denn auch bei dem vollkommensten Ausdruck geht der Zweckbegriff doch,
wie er nicht aus dem Objekt kommt, auch nicht in das Objekt über.
Er ist nicht der unmittelbare Begriff des Objekts selbst, sondern eines
Anderen, das außer ihm liegt. Im Organismus dagegen geht der
Begriff ganz über in das Objekt, so daß Subjektives und Objektives, Un-
endliches und Endliches in ihm wahrhaft eins sind, und er dadurch in sich
selbst und an sich selbst Bild der Vernunft wird. Wenn die Architektur
unmittelbar durch Ausdruck eines Zweckbegriffs schöne Kunst werden
könnte, so sieht man nicht ein, warum dieß nicht auch andern Künsten
freistünde, warum es nicht wie es Baukünstler gibt auch z. B. Kleider-
künstler geben sollte. Es muß also eine innigere, scheinbar aus dem
Objekt selbst kommende Identität, eine wahre Verschmelzung mit dem
Begriff seyn, was die Architektur zur schönen Kunst macht. Bei dem
bloß mechanischen Kunstwerk ist dieser Zusammenhang immer nur sub-
jektiv. (Hiermit ist die letzte Antwort auf jene erste Frage gegeben.)

Ohne Zweifel war es das Gefühl dieses Verhältnisses, was der
herrschenden Meinung über Architektur den Ursprung gab. Nämlich,
solang Architektur dem bloßen Bedürfniß fröhnt und nur nützlich ist,
ist sie auch nur dieses und kann nicht zugleich schön seyn. Dieß wird
sie nur, wenn sie davon unabhängig wird, und weil sie dieß doch nicht
absolut seyn kann, indem sie durch ihre letzte Beziehung immer wieder
an das Bedürfniß grenzt, so wird sie schön nur, indem sie zugleich von
sich selbst unabhängig, gleichsam die Potenz und die freie Nach-
ahmung von sich selbst wird. Alsdann, indem sie mit dem Schein
zugleich die Realität und den Nutzen erreicht, ohne sie doch als Nutzen
und als Realität zu beabsichtigen, wird sie freie und unabhängige Kunst,
und indem sie das schon mit dem Zweckbegriff verbundene Objekt, also
den Zweckbegriff selbst mit dem Objekt zugleich zum Gegenstand macht,

durch den Begriff des Organismus vermittelt ſeyn kann, eine überhaupt
durch Begriff vermittelte Beziehung. Soll ſie aber eine abſolute
Kunſt ſeyn, ſo muß ſie an ſich ſelbſt und ohne Vermittlung in der
Identität mit der Vernunft ſeyn. Dieß kann nicht dadurch geſchehen,
daß in dem Stoff nur überhaupt ein Zweckbegriff ausgedrückt wird.
Denn auch bei dem vollkommenſten Ausdruck geht der Zweckbegriff doch,
wie er nicht aus dem Objekt kommt, auch nicht in das Objekt über.
Er iſt nicht der unmittelbare Begriff des Objekts ſelbſt, ſondern eines
Anderen, das außer ihm liegt. Im Organismus dagegen geht der
Begriff ganz über in das Objekt, ſo daß Subjektives und Objektives, Un-
endliches und Endliches in ihm wahrhaft eins ſind, und er dadurch in ſich
ſelbſt und an ſich ſelbſt Bild der Vernunft wird. Wenn die Architektur
unmittelbar durch Ausdruck eines Zweckbegriffs ſchöne Kunſt werden
könnte, ſo ſieht man nicht ein, warum dieß nicht auch andern Künſten
freiſtünde, warum es nicht wie es Baukünſtler gibt auch z. B. Kleider-
künſtler geben ſollte. Es muß alſo eine innigere, ſcheinbar aus dem
Objekt ſelbſt kommende Identität, eine wahre Verſchmelzung mit dem
Begriff ſeyn, was die Architektur zur ſchönen Kunſt macht. Bei dem
bloß mechaniſchen Kunſtwerk iſt dieſer Zuſammenhang immer nur ſub-
jektiv. (Hiermit iſt die letzte Antwort auf jene erſte Frage gegeben.)

Ohne Zweifel war es das Gefühl dieſes Verhältniſſes, was der
herrſchenden Meinung über Architektur den Urſprung gab. Nämlich,
ſolang Architektur dem bloßen Bedürfniß fröhnt und nur nützlich iſt,
iſt ſie auch nur dieſes und kann nicht zugleich ſchön ſeyn. Dieß wird
ſie nur, wenn ſie davon unabhängig wird, und weil ſie dieß doch nicht
abſolut ſeyn kann, indem ſie durch ihre letzte Beziehung immer wieder
an das Bedürfniß grenzt, ſo wird ſie ſchön nur, indem ſie zugleich von
ſich ſelbſt unabhängig, gleichſam die Potenz und die freie Nach-
ahmung von ſich ſelbſt wird. Alsdann, indem ſie mit dem Schein
zugleich die Realität und den Nutzen erreicht, ohne ſie doch als Nutzen
und als Realität zu beabſichtigen, wird ſie freie und unabhängige Kunſt,
und indem ſie das ſchon mit dem Zweckbegriff verbundene Objekt, alſo
den Zweckbegriff ſelbſt mit dem Objekt zugleich zum Gegenſtand macht,

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[578/0254] durch den Begriff des Organismus vermittelt ſeyn kann, eine überhaupt durch Begriff vermittelte Beziehung. Soll ſie aber eine abſolute Kunſt ſeyn, ſo muß ſie an ſich ſelbſt und ohne Vermittlung in der Identität mit der Vernunft ſeyn. Dieß kann nicht dadurch geſchehen, daß in dem Stoff nur überhaupt ein Zweckbegriff ausgedrückt wird. Denn auch bei dem vollkommenſten Ausdruck geht der Zweckbegriff doch, wie er nicht aus dem Objekt kommt, auch nicht in das Objekt über. Er iſt nicht der unmittelbare Begriff des Objekts ſelbſt, ſondern eines Anderen, das außer ihm liegt. Im Organismus dagegen geht der Begriff ganz über in das Objekt, ſo daß Subjektives und Objektives, Un- endliches und Endliches in ihm wahrhaft eins ſind, und er dadurch in ſich ſelbſt und an ſich ſelbſt Bild der Vernunft wird. Wenn die Architektur unmittelbar durch Ausdruck eines Zweckbegriffs ſchöne Kunſt werden könnte, ſo ſieht man nicht ein, warum dieß nicht auch andern Künſten freiſtünde, warum es nicht wie es Baukünſtler gibt auch z. B. Kleider- künſtler geben ſollte. Es muß alſo eine innigere, ſcheinbar aus dem Objekt ſelbſt kommende Identität, eine wahre Verſchmelzung mit dem Begriff ſeyn, was die Architektur zur ſchönen Kunſt macht. Bei dem bloß mechaniſchen Kunſtwerk iſt dieſer Zuſammenhang immer nur ſub- jektiv. (Hiermit iſt die letzte Antwort auf jene erſte Frage gegeben.) Ohne Zweifel war es das Gefühl dieſes Verhältniſſes, was der herrſchenden Meinung über Architektur den Urſprung gab. Nämlich, ſolang Architektur dem bloßen Bedürfniß fröhnt und nur nützlich iſt, iſt ſie auch nur dieſes und kann nicht zugleich ſchön ſeyn. Dieß wird ſie nur, wenn ſie davon unabhängig wird, und weil ſie dieß doch nicht abſolut ſeyn kann, indem ſie durch ihre letzte Beziehung immer wieder an das Bedürfniß grenzt, ſo wird ſie ſchön nur, indem ſie zugleich von ſich ſelbſt unabhängig, gleichſam die Potenz und die freie Nach- ahmung von ſich ſelbſt wird. Alsdann, indem ſie mit dem Schein zugleich die Realität und den Nutzen erreicht, ohne ſie doch als Nutzen und als Realität zu beabſichtigen, wird ſie freie und unabhängige Kunſt, und indem ſie das ſchon mit dem Zweckbegriff verbundene Objekt, alſo den Zweckbegriff ſelbſt mit dem Objekt zugleich zum Gegenſtand macht,

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/254>, abgerufen am 22.11.2024.