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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Das Gemälde hat nur die innern Forderungen zu erfüllen, wahr,
schön, ausdrucksvoll und allgemein bedeutend zu seyn, so daß es des
zufälligen Reizes, selbst von der Kenntniß der besonderen empirischen
Begebenheit, die es vorstellt, allenfalls entbehren kann. Ebenso fehler-
haft von Seiten der Kunst ist es der Gelehrsamkeit als der Ungelehr-
samkeit zu schmeicheln. Wer sich getrieben fühlt, der Kunst recht zu
genießen und auch diesen höheren Antheil seines Gemüths an einer
bekannten Begebenheit nicht aufzugeben, mag selbst sehen, wie er sich
in den Stand setzt diese stumme Dichtkunst, die immer und nothwendig
entweder allegorisch oder symbolisch bleibt, auch von ihrer historischen
Seite zu verstehen. Sein Gemüth wird dadurch mehr bewegt werden,
die künstlerische Anschauung aber nichts gewinnen, was sie nicht auch
ohne jene Kenntniß hätte erlangen können.

Wir haben die Malerei bis zu ihrer äußersten Höhe der historisch-
symbolischen Darstellung begleitet. Wie aber alles Menschliche, sobald
in Einer Richtung der Gipfel erreicht, sich sogleich auch von der an-
deren Seite wieder herunter neigt, so ist auch die Malerei diesem
Schicksal nicht entgangen. Kurze Zeit nach Erreichung der höchsten
Kunst und auf dem Schauplatz selbst der herrlichsten Denkmäler der-
selben bildete sich die fremdartigste Ausartung des Geschmacks in der
Gattung, welche das historische Gemälde zum Niedrigen und Gemeinen
herunterzieht, der Bambocciade. Den Ursprung gab ihr der Nieder-
länder Peter Laar, genannt il Bamboccio, der im Anfang des sieben-
zehnten Jahrhunderts nach Rom kam und sich durch seine Possen, die
ein glänzendes Colorit und ein frecher Pinselstrich auszeichnete, so großen
Beifall erwarb, daß diese bald allgemeiner Geschmack und von den
Großen eben so sehr begünstigt wurde, als zuvor die ächte Kunst be-
günstigt worden war. Man muß gestehen, daß die ersten Bamboc-
cianten es an kunstvoller Behandlung nicht fehlen ließen, und ihr Ge-
gensatz zu den ernsthaft-gemeinen niederländischen Gemälden war, daß
jene sich selbst nur als Parodien der großen Kunst betrachteten. Die
nothwendige Forderung an den, der mit seiner Kunst scherzen will, ist,
daß er die Meisterschaft in hohem Grade besitze. Die Verirrung ist

Das Gemälde hat nur die innern Forderungen zu erfüllen, wahr,
ſchön, ausdrucksvoll und allgemein bedeutend zu ſeyn, ſo daß es des
zufälligen Reizes, ſelbſt von der Kenntniß der beſonderen empiriſchen
Begebenheit, die es vorſtellt, allenfalls entbehren kann. Ebenſo fehler-
haft von Seiten der Kunſt iſt es der Gelehrſamkeit als der Ungelehr-
ſamkeit zu ſchmeicheln. Wer ſich getrieben fühlt, der Kunſt recht zu
genießen und auch dieſen höheren Antheil ſeines Gemüths an einer
bekannten Begebenheit nicht aufzugeben, mag ſelbſt ſehen, wie er ſich
in den Stand ſetzt dieſe ſtumme Dichtkunſt, die immer und nothwendig
entweder allegoriſch oder ſymboliſch bleibt, auch von ihrer hiſtoriſchen
Seite zu verſtehen. Sein Gemüth wird dadurch mehr bewegt werden,
die künſtleriſche Anſchauung aber nichts gewinnen, was ſie nicht auch
ohne jene Kenntniß hätte erlangen können.

Wir haben die Malerei bis zu ihrer äußerſten Höhe der hiſtoriſch-
ſymboliſchen Darſtellung begleitet. Wie aber alles Menſchliche, ſobald
in Einer Richtung der Gipfel erreicht, ſich ſogleich auch von der an-
deren Seite wieder herunter neigt, ſo iſt auch die Malerei dieſem
Schickſal nicht entgangen. Kurze Zeit nach Erreichung der höchſten
Kunſt und auf dem Schauplatz ſelbſt der herrlichſten Denkmäler der-
ſelben bildete ſich die fremdartigſte Ausartung des Geſchmacks in der
Gattung, welche das hiſtoriſche Gemälde zum Niedrigen und Gemeinen
herunterzieht, der Bambocciade. Den Urſprung gab ihr der Nieder-
länder Peter Laar, genannt il Bamboccio, der im Anfang des ſieben-
zehnten Jahrhunderts nach Rom kam und ſich durch ſeine Poſſen, die
ein glänzendes Colorit und ein frecher Pinſelſtrich auszeichnete, ſo großen
Beifall erwarb, daß dieſe bald allgemeiner Geſchmack und von den
Großen eben ſo ſehr begünſtigt wurde, als zuvor die ächte Kunſt be-
günſtigt worden war. Man muß geſtehen, daß die erſten Bamboc-
cianten es an kunſtvoller Behandlung nicht fehlen ließen, und ihr Ge-
genſatz zu den ernſthaft-gemeinen niederländiſchen Gemälden war, daß
jene ſich ſelbſt nur als Parodien der großen Kunſt betrachteten. Die
nothwendige Forderung an den, der mit ſeiner Kunſt ſcherzen will, iſt,
daß er die Meiſterſchaft in hohem Grade beſitze. Die Verirrung iſt

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[564/0240] Das Gemälde hat nur die innern Forderungen zu erfüllen, wahr, ſchön, ausdrucksvoll und allgemein bedeutend zu ſeyn, ſo daß es des zufälligen Reizes, ſelbſt von der Kenntniß der beſonderen empiriſchen Begebenheit, die es vorſtellt, allenfalls entbehren kann. Ebenſo fehler- haft von Seiten der Kunſt iſt es der Gelehrſamkeit als der Ungelehr- ſamkeit zu ſchmeicheln. Wer ſich getrieben fühlt, der Kunſt recht zu genießen und auch dieſen höheren Antheil ſeines Gemüths an einer bekannten Begebenheit nicht aufzugeben, mag ſelbſt ſehen, wie er ſich in den Stand ſetzt dieſe ſtumme Dichtkunſt, die immer und nothwendig entweder allegoriſch oder ſymboliſch bleibt, auch von ihrer hiſtoriſchen Seite zu verſtehen. Sein Gemüth wird dadurch mehr bewegt werden, die künſtleriſche Anſchauung aber nichts gewinnen, was ſie nicht auch ohne jene Kenntniß hätte erlangen können. Wir haben die Malerei bis zu ihrer äußerſten Höhe der hiſtoriſch- ſymboliſchen Darſtellung begleitet. Wie aber alles Menſchliche, ſobald in Einer Richtung der Gipfel erreicht, ſich ſogleich auch von der an- deren Seite wieder herunter neigt, ſo iſt auch die Malerei dieſem Schickſal nicht entgangen. Kurze Zeit nach Erreichung der höchſten Kunſt und auf dem Schauplatz ſelbſt der herrlichſten Denkmäler der- ſelben bildete ſich die fremdartigſte Ausartung des Geſchmacks in der Gattung, welche das hiſtoriſche Gemälde zum Niedrigen und Gemeinen herunterzieht, der Bambocciade. Den Urſprung gab ihr der Nieder- länder Peter Laar, genannt il Bamboccio, der im Anfang des ſieben- zehnten Jahrhunderts nach Rom kam und ſich durch ſeine Poſſen, die ein glänzendes Colorit und ein frecher Pinſelſtrich auszeichnete, ſo großen Beifall erwarb, daß dieſe bald allgemeiner Geſchmack und von den Großen eben ſo ſehr begünſtigt wurde, als zuvor die ächte Kunſt be- günſtigt worden war. Man muß geſtehen, daß die erſten Bamboc- cianten es an kunſtvoller Behandlung nicht fehlen ließen, und ihr Ge- genſatz zu den ernſthaft-gemeinen niederländiſchen Gemälden war, daß jene ſich ſelbſt nur als Parodien der großen Kunſt betrachteten. Die nothwendige Forderung an den, der mit ſeiner Kunſt ſcherzen will, iſt, daß er die Meiſterſchaft in hohem Grade beſitze. Die Verirrung iſt

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/240>, abgerufen am 24.11.2024.