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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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dem Ebenbilde der in dem Verstande der Gottheit entworfenen ersten
vernünftigen Creatur."

Wir haben zu bestimmen, welche Mittel in der Malerei liegen,
diesem Streben Genüge zu thun und die Ideen darzustellen.

Da die bildende Kunst überhaupt Darstellung des Allgemeinen
durch das Besondere ist, so sind ihr auch nur zwei Möglichkeiten ge-
geben, durch welche sie die Ideen erreichen und in wirklicher und sicht-
barer Gestalt darstellen kann. Entweder daß sie das Allgemeine durch
das Besondere bedeuten läßt, oder daß dieses, indem es jenes bedeutet,
zugleich es selbst ist. Die erste Art der Darstellung ist die allego-
rische
, die andere die symbolische (nach den Erklärungen, die da-
von schon früher gegeben wurden).

Ich werde hier noch einiges von der Allegorie überhaupt nach-
tragen und dann insbesondere von der Allegorie in der Malerei reden.

Die Allegorie kann überhaupt einer allgemeinen Sprache ver-
glichen werden, die nicht, wie die besonderen Sprachen, auf willkür-
lichen, sondern auf natürlichen und objektiv gültigen Zeichen beruht. Sie
ist Bedeutung der Ideen durch wirkliche, concrete Bilder, und demnach
die Sprache der Kunst und der bildenden insbesondere, welche, da sie
nach dem Ausdruck eines Alten eine stumme Dichtkunst ist, ihre Ge-
danken persönlich gleichsam, durch Gestalten, vorstellen lassen muß. Der
strenge Begriff der Allegorie aber, den wir auch hier voraussetzen, ist,
daß das, was dargestellt wird, etwas anderes als sich selbst bedeute,
etwas anzeige, das verschieden von ihm ist.

Die Allegorie ist, wie von der Sprache, ebenso auch von der
Hieroglyphe verschieden. Denn auch diese ist nicht nur überhaupt will-
kürlich und nicht nothwendig an den wesentlichen Zusammenhang dessen,
was bedeutet werden soll, und dessen, wodurch, gebunden, sondern sie
ist auch noch überdieß mehr eine Sache des Bedürfnisses als der
höheren Absicht, die auf Schönheit an und für sich gerichtet ist; da-
her es für die Hieroglyphe genug ist, wenn sie die Sache nur über-
haupt, gleichviel ob auf eine schöne oder widrige Weise, andeutet. Von
der Allegorie dagegen wird gefordert, daß jedes Zeichen oder Bild nicht

dem Ebenbilde der in dem Verſtande der Gottheit entworfenen erſten
vernünftigen Creatur.“

Wir haben zu beſtimmen, welche Mittel in der Malerei liegen,
dieſem Streben Genüge zu thun und die Ideen darzuſtellen.

Da die bildende Kunſt überhaupt Darſtellung des Allgemeinen
durch das Beſondere iſt, ſo ſind ihr auch nur zwei Möglichkeiten ge-
geben, durch welche ſie die Ideen erreichen und in wirklicher und ſicht-
barer Geſtalt darſtellen kann. Entweder daß ſie das Allgemeine durch
das Beſondere bedeuten läßt, oder daß dieſes, indem es jenes bedeutet,
zugleich es ſelbſt iſt. Die erſte Art der Darſtellung iſt die allego-
riſche
, die andere die ſymboliſche (nach den Erklärungen, die da-
von ſchon früher gegeben wurden).

Ich werde hier noch einiges von der Allegorie überhaupt nach-
tragen und dann insbeſondere von der Allegorie in der Malerei reden.

Die Allegorie kann überhaupt einer allgemeinen Sprache ver-
glichen werden, die nicht, wie die beſonderen Sprachen, auf willkür-
lichen, ſondern auf natürlichen und objektiv gültigen Zeichen beruht. Sie
iſt Bedeutung der Ideen durch wirkliche, concrete Bilder, und demnach
die Sprache der Kunſt und der bildenden insbeſondere, welche, da ſie
nach dem Ausdruck eines Alten eine ſtumme Dichtkunſt iſt, ihre Ge-
danken perſönlich gleichſam, durch Geſtalten, vorſtellen laſſen muß. Der
ſtrenge Begriff der Allegorie aber, den wir auch hier vorausſetzen, iſt,
daß das, was dargeſtellt wird, etwas anderes als ſich ſelbſt bedeute,
etwas anzeige, das verſchieden von ihm iſt.

Die Allegorie iſt, wie von der Sprache, ebenſo auch von der
Hieroglyphe verſchieden. Denn auch dieſe iſt nicht nur überhaupt will-
kürlich und nicht nothwendig an den weſentlichen Zuſammenhang deſſen,
was bedeutet werden ſoll, und deſſen, wodurch, gebunden, ſondern ſie
iſt auch noch überdieß mehr eine Sache des Bedürfniſſes als der
höheren Abſicht, die auf Schönheit an und für ſich gerichtet iſt; da-
her es für die Hieroglyphe genug iſt, wenn ſie die Sache nur über-
haupt, gleichviel ob auf eine ſchöne oder widrige Weiſe, andeutet. Von
der Allegorie dagegen wird gefordert, daß jedes Zeichen oder Bild nicht

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[549/0225] dem Ebenbilde der in dem Verſtande der Gottheit entworfenen erſten vernünftigen Creatur.“ Wir haben zu beſtimmen, welche Mittel in der Malerei liegen, dieſem Streben Genüge zu thun und die Ideen darzuſtellen. Da die bildende Kunſt überhaupt Darſtellung des Allgemeinen durch das Beſondere iſt, ſo ſind ihr auch nur zwei Möglichkeiten ge- geben, durch welche ſie die Ideen erreichen und in wirklicher und ſicht- barer Geſtalt darſtellen kann. Entweder daß ſie das Allgemeine durch das Beſondere bedeuten läßt, oder daß dieſes, indem es jenes bedeutet, zugleich es ſelbſt iſt. Die erſte Art der Darſtellung iſt die allego- riſche, die andere die ſymboliſche (nach den Erklärungen, die da- von ſchon früher gegeben wurden). Ich werde hier noch einiges von der Allegorie überhaupt nach- tragen und dann insbeſondere von der Allegorie in der Malerei reden. Die Allegorie kann überhaupt einer allgemeinen Sprache ver- glichen werden, die nicht, wie die beſonderen Sprachen, auf willkür- lichen, ſondern auf natürlichen und objektiv gültigen Zeichen beruht. Sie iſt Bedeutung der Ideen durch wirkliche, concrete Bilder, und demnach die Sprache der Kunſt und der bildenden insbeſondere, welche, da ſie nach dem Ausdruck eines Alten eine ſtumme Dichtkunſt iſt, ihre Ge- danken perſönlich gleichſam, durch Geſtalten, vorſtellen laſſen muß. Der ſtrenge Begriff der Allegorie aber, den wir auch hier vorausſetzen, iſt, daß das, was dargeſtellt wird, etwas anderes als ſich ſelbſt bedeute, etwas anzeige, das verſchieden von ihm iſt. Die Allegorie iſt, wie von der Sprache, ebenſo auch von der Hieroglyphe verſchieden. Denn auch dieſe iſt nicht nur überhaupt will- kürlich und nicht nothwendig an den weſentlichen Zuſammenhang deſſen, was bedeutet werden ſoll, und deſſen, wodurch, gebunden, ſondern ſie iſt auch noch überdieß mehr eine Sache des Bedürfniſſes als der höheren Abſicht, die auf Schönheit an und für ſich gerichtet iſt; da- her es für die Hieroglyphe genug iſt, wenn ſie die Sache nur über- haupt, gleichviel ob auf eine ſchöne oder widrige Weiſe, andeutet. Von der Allegorie dagegen wird gefordert, daß jedes Zeichen oder Bild nicht

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/225>, abgerufen am 24.11.2024.