sich ausführlicher Philosophie der Kunst S. 465 und wiederholt angewendet S. 470, Z. 8 ff. v. o. Ein Passus S. 8 handelt von der Besonderheit, die sich für Originalität halte, die Philo- sophie der Kunst S. 456 aber (cf. S. 447, Z. 14 v. o.) gibt an, worin der Unterschied der Originalität von der Besonderheit bestehe. Ziemlich im Anfang der Abhandlung (S. 4) heißt es: "daß die Philosophie nur Eine ist, und nur Eine seyn kann, beruht darauf, daß die Vernunft nur Eine, und sowenig es verschiedene Vernunften geben kann, ebensowenig kann sich zwischen die Vernunft und ihr Selbsterkennen eine Wand stellen u. s. w." Nun liegt das Frag- ment einer Vorlesung aus dem Jahr 1803 vor mir, welche von der Idee der universellen Philosophie handelt. Hier sagt Schelling in einer auch sonst der Aufbewahrung nicht unwerthen Stelle: Daß diese Idee der universellen Philosophie sich in den späteren Zeiten wissenschaftlich mehr oder weniger verlor, dieß erhellt freilich deut- lich aus den letzten Regungen im Gebiete dieser Wissenschaft. Kant hat in die einzelnen Sphären der Philosophie -- in die theoretische, wie in die praktische -- den ersten Keim einer künftigen die ganze Wissenschaft betreffenden Revolution geworfen, aber er selbst ist nicht bis zu dem Central- punkt vorgedrungen. Er statuirt so viele verschiedene Vernunften, als er verschiedene Kritiken geschrieben hat, und wie in einem bekannten Epigramm einige Kunstrichter, die von verschiedenen Geschmäcken redeten, gefragt wurden: wo dieser Geschmäcke Geschmack sey, so könnte man wohl Kant fragen: Wo ist dieser Vernunften Vernunft? -- Fichte hat es ausdrücklich als seine Absicht erklärt, der theoretischen und praktischen Vernunft ein gemeinschaftliches wissenschaftliches Princip zu geben, allein der eigentliche Indifferenzpunkt beider liegt bei ihm zuletzt nicht im Wissen, sondern im Glauben, und der Gegensatz beider Seiten der Philosophie wird dadurch aufgehoben, daß die eine der anderen untergeordnet und aufgeopfert ist. Sollten nun nicht diese beiden Stellen aus Einer Feder geflossen seyn? und sollte nicht schon die jenen Worten der Abhandlung voran- gehende Zusammenstellung der philosophischen Kritik mit der Kunst- kritik eher auf Schelling als auf Hegel hinweisen? -- Ein Gedanke, der in der Methode des akademischen Studiums (S. 273), in der Abhandlung über das Verhältniß der Naturphilosophie zur Philosophie überhaupt (S. 116) und in der über das Wesen der Kritik S. 15
ſich ausführlicher Philoſophie der Kunſt S. 465 und wiederholt angewendet S. 470, Z. 8 ff. v. o. Ein Paſſus S. 8 handelt von der Beſonderheit, die ſich für Originalität halte, die Philo- ſophie der Kunſt S. 456 aber (cf. S. 447, Z. 14 v. o.) gibt an, worin der Unterſchied der Originalität von der Beſonderheit beſtehe. Ziemlich im Anfang der Abhandlung (S. 4) heißt es: „daß die Philoſophie nur Eine iſt, und nur Eine ſeyn kann, beruht darauf, daß die Vernunft nur Eine, und ſowenig es verſchiedene Vernunften geben kann, ebenſowenig kann ſich zwiſchen die Vernunft und ihr Selbſterkennen eine Wand ſtellen u. ſ. w.“ Nun liegt das Frag- ment einer Vorleſung aus dem Jahr 1803 vor mir, welche von der Idee der univerſellen Philoſophie handelt. Hier ſagt Schelling in einer auch ſonſt der Aufbewahrung nicht unwerthen Stelle: Daß dieſe Idee der univerſellen Philoſophie ſich in den ſpäteren Zeiten wiſſenſchaftlich mehr oder weniger verlor, dieß erhellt freilich deut- lich aus den letzten Regungen im Gebiete dieſer Wiſſenſchaft. Kant hat in die einzelnen Sphären der Philoſophie — in die theoretiſche, wie in die praktiſche — den erſten Keim einer künftigen die ganze Wiſſenſchaft betreffenden Revolution geworfen, aber er ſelbſt iſt nicht bis zu dem Central- punkt vorgedrungen. Er ſtatuirt ſo viele verſchiedene Vernunften, als er verſchiedene Kritiken geſchrieben hat, und wie in einem bekannten Epigramm einige Kunſtrichter, die von verſchiedenen Geſchmäcken redeten, gefragt wurden: wo dieſer Geſchmäcke Geſchmack ſey, ſo könnte man wohl Kant fragen: Wo iſt dieſer Vernunften Vernunft? — Fichte hat es ausdrücklich als ſeine Abſicht erklärt, der theoretiſchen und praktiſchen Vernunft ein gemeinſchaftliches wiſſenſchaftliches Princip zu geben, allein der eigentliche Indifferenzpunkt beider liegt bei ihm zuletzt nicht im Wiſſen, ſondern im Glauben, und der Gegenſatz beider Seiten der Philoſophie wird dadurch aufgehoben, daß die eine der anderen untergeordnet und aufgeopfert iſt. Sollten nun nicht dieſe beiden Stellen aus Einer Feder gefloſſen ſeyn? und ſollte nicht ſchon die jenen Worten der Abhandlung voran- gehende Zuſammenſtellung der philoſophiſchen Kritik mit der Kunſt- kritik eher auf Schelling als auf Hegel hinweiſen? — Ein Gedanke, der in der Methode des akademiſchen Studiums (S. 273), in der Abhandlung über das Verhältniß der Naturphiloſophie zur Philoſophie überhaupt (S. 116) und in der über das Weſen der Kritik S. 15
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[VIII/0016]
ſich ausführlicher Philoſophie der Kunſt S. 465 und wiederholt
angewendet S. 470, Z. 8 ff. v. o. Ein Paſſus S. 8 handelt
von der Beſonderheit, die ſich für Originalität halte, die Philo-
ſophie der Kunſt S. 456 aber (cf. S. 447, Z. 14 v. o.) gibt an,
worin der Unterſchied der Originalität von der Beſonderheit beſtehe.
Ziemlich im Anfang der Abhandlung (S. 4) heißt es: „daß die
Philoſophie nur Eine iſt, und nur Eine ſeyn kann, beruht darauf,
daß die Vernunft nur Eine, und ſowenig es verſchiedene Vernunften
geben kann, ebenſowenig kann ſich zwiſchen die Vernunft und ihr
Selbſterkennen eine Wand ſtellen u. ſ. w.“ Nun liegt das Frag-
ment einer Vorleſung aus dem Jahr 1803 vor mir, welche von
der Idee der univerſellen Philoſophie handelt. Hier ſagt Schelling
in einer auch ſonſt der Aufbewahrung nicht unwerthen Stelle:
Daß dieſe Idee der univerſellen Philoſophie ſich in den ſpäteren
Zeiten wiſſenſchaftlich mehr oder weniger verlor, dieß erhellt freilich deut-
lich aus den letzten Regungen im Gebiete dieſer Wiſſenſchaft. Kant hat
in die einzelnen Sphären der Philoſophie — in die theoretiſche, wie in
die praktiſche — den erſten Keim einer künftigen die ganze Wiſſenſchaft
betreffenden Revolution geworfen, aber er ſelbſt iſt nicht bis zu dem Central-
punkt vorgedrungen. Er ſtatuirt ſo viele verſchiedene Vernunften, als er
verſchiedene Kritiken geſchrieben hat, und wie in einem bekannten Epigramm
einige Kunſtrichter, die von verſchiedenen Geſchmäcken redeten, gefragt
wurden: wo dieſer Geſchmäcke Geſchmack ſey, ſo könnte man wohl Kant
fragen: Wo iſt dieſer Vernunften Vernunft? — Fichte hat es ausdrücklich
als ſeine Abſicht erklärt, der theoretiſchen und praktiſchen Vernunft ein
gemeinſchaftliches wiſſenſchaftliches Princip zu geben, allein der eigentliche
Indifferenzpunkt beider liegt bei ihm zuletzt nicht im Wiſſen, ſondern im
Glauben, und der Gegenſatz beider Seiten der Philoſophie wird dadurch
aufgehoben, daß die eine der anderen untergeordnet und aufgeopfert iſt.
Sollten nun nicht dieſe beiden Stellen aus Einer Feder gefloſſen
ſeyn? und ſollte nicht ſchon die jenen Worten der Abhandlung voran-
gehende Zuſammenſtellung der philoſophiſchen Kritik mit der Kunſt-
kritik eher auf Schelling als auf Hegel hinweiſen? — Ein Gedanke,
der in der Methode des akademiſchen Studiums (S. 273), in der
Abhandlung über das Verhältniß der Naturphiloſophie zur Philoſophie
überhaupt (S. 116) und in der über das Weſen der Kritik S. 15
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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/16>, abgerufen am 23.11.2024.
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