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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859.

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Es ist jetzt hinlänglich erläutert, inwiefern das Erhabene Einbil-
dung des Unendlichen im Endlichen, nur daß das Endliche immer selbst
als ein relativ Unendliches erscheine (denn nur in diesem Fall wird
das wahrhaft Unendliche als solches unterschieden) als relativ
Unendliches, es sey nun für die Auffassung, oder für die physische Macht,
oder für das Gemüth, wie in der Tragödie, wo es durch das Unend-
liche der moralischen Gesinnung besiegt wird.

Ich will hier nur noch in Bezug auf das Erhabene Eine Bemer-
kung machen, die aus unserer bisherigen Darstellung folgt, nämlich,
daß nur in der Kunst das Objekt selbst erhaben ist, da es die Natur
nicht an sich ist, weil hier die Gesinnung oder das Princip, durch
welches das Endliche zum Symbol des Unendlichen herabgesetzt wird,
doch nur in das Subjekt fällt.

Im Erhabenen, sagten wir, werde das sinnlich Unendliche durch
das wahre Unendliche bezwungen. Im Schönen darf das Endliche
sich wieder zeigen, indem es im Schönen nicht anders als selbst schon
eingebildet dem Unendlichen erscheint. Dort (im Erhabenen) zeigt sich
das Endliche noch gleichsam in der Empörung gegen das Unendliche,
obgleich es in diesem Verhältniß selbst zum Symbol von ihm wird.
Hier (im Schönen) ist es ihm ursprünglich versöhnt. Daß dieß das
Verhältniß des Schönen zum Erhabenen seyn müsse, inwiefern beide
einander entgegengesetzt werden, geht übrigens durch den Gegensatz aus
dem hervor, was von dem Erhabenen bewiesen worden ist. Allein eben
daraus das Folgende.

§. 66. Das Erhabene in seiner Absolutheit begreift
das Schöne, wie das Schöne in seiner Absolutheit das
Erhabene begreift
.

Dieß ist allgemein schon daraus einzusehen, daß das Verhält-
niß beider wie das der beiden Einheiten ist, von denen aber jede gleich-
falls in ihrer Absolutheit selbst die andere begreift. Das Erhabene,
inwiefern es nicht schön, wird aus diesem Grunde auch nicht erhaben,
sondern nur ungeheuer oder abenteuerlich seyn. Ebenso muß die absolute
Schönheit mehr oder weniger immer zugleich auch die furchtbare

Es iſt jetzt hinlänglich erläutert, inwiefern das Erhabene Einbil-
dung des Unendlichen im Endlichen, nur daß das Endliche immer ſelbſt
als ein relativ Unendliches erſcheine (denn nur in dieſem Fall wird
das wahrhaft Unendliche als ſolches unterſchieden) als relativ
Unendliches, es ſey nun für die Auffaſſung, oder für die phyſiſche Macht,
oder für das Gemüth, wie in der Tragödie, wo es durch das Unend-
liche der moraliſchen Geſinnung beſiegt wird.

Ich will hier nur noch in Bezug auf das Erhabene Eine Bemer-
kung machen, die aus unſerer bisherigen Darſtellung folgt, nämlich,
daß nur in der Kunſt das Objekt ſelbſt erhaben iſt, da es die Natur
nicht an ſich iſt, weil hier die Geſinnung oder das Princip, durch
welches das Endliche zum Symbol des Unendlichen herabgeſetzt wird,
doch nur in das Subjekt fällt.

Im Erhabenen, ſagten wir, werde das ſinnlich Unendliche durch
das wahre Unendliche bezwungen. Im Schönen darf das Endliche
ſich wieder zeigen, indem es im Schönen nicht anders als ſelbſt ſchon
eingebildet dem Unendlichen erſcheint. Dort (im Erhabenen) zeigt ſich
das Endliche noch gleichſam in der Empörung gegen das Unendliche,
obgleich es in dieſem Verhältniß ſelbſt zum Symbol von ihm wird.
Hier (im Schönen) iſt es ihm urſprünglich verſöhnt. Daß dieß das
Verhältniß des Schönen zum Erhabenen ſeyn müſſe, inwiefern beide
einander entgegengeſetzt werden, geht übrigens durch den Gegenſatz aus
dem hervor, was von dem Erhabenen bewieſen worden iſt. Allein eben
daraus das Folgende.

§. 66. Das Erhabene in ſeiner Abſolutheit begreift
das Schöne, wie das Schöne in ſeiner Abſolutheit das
Erhabene begreift
.

Dieß iſt allgemein ſchon daraus einzuſehen, daß das Verhält-
niß beider wie das der beiden Einheiten iſt, von denen aber jede gleich-
falls in ihrer Abſolutheit ſelbſt die andere begreift. Das Erhabene,
inwiefern es nicht ſchön, wird aus dieſem Grunde auch nicht erhaben,
ſondern nur ungeheuer oder abenteuerlich ſeyn. Ebenſo muß die abſolute
Schönheit mehr oder weniger immer zugleich auch die furchtbare

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[468/0144] Es iſt jetzt hinlänglich erläutert, inwiefern das Erhabene Einbil- dung des Unendlichen im Endlichen, nur daß das Endliche immer ſelbſt als ein relativ Unendliches erſcheine (denn nur in dieſem Fall wird das wahrhaft Unendliche als ſolches unterſchieden) als relativ Unendliches, es ſey nun für die Auffaſſung, oder für die phyſiſche Macht, oder für das Gemüth, wie in der Tragödie, wo es durch das Unend- liche der moraliſchen Geſinnung beſiegt wird. Ich will hier nur noch in Bezug auf das Erhabene Eine Bemer- kung machen, die aus unſerer bisherigen Darſtellung folgt, nämlich, daß nur in der Kunſt das Objekt ſelbſt erhaben iſt, da es die Natur nicht an ſich iſt, weil hier die Geſinnung oder das Princip, durch welches das Endliche zum Symbol des Unendlichen herabgeſetzt wird, doch nur in das Subjekt fällt. Im Erhabenen, ſagten wir, werde das ſinnlich Unendliche durch das wahre Unendliche bezwungen. Im Schönen darf das Endliche ſich wieder zeigen, indem es im Schönen nicht anders als ſelbſt ſchon eingebildet dem Unendlichen erſcheint. Dort (im Erhabenen) zeigt ſich das Endliche noch gleichſam in der Empörung gegen das Unendliche, obgleich es in dieſem Verhältniß ſelbſt zum Symbol von ihm wird. Hier (im Schönen) iſt es ihm urſprünglich verſöhnt. Daß dieß das Verhältniß des Schönen zum Erhabenen ſeyn müſſe, inwiefern beide einander entgegengeſetzt werden, geht übrigens durch den Gegenſatz aus dem hervor, was von dem Erhabenen bewieſen worden iſt. Allein eben daraus das Folgende. §. 66. Das Erhabene in ſeiner Abſolutheit begreift das Schöne, wie das Schöne in ſeiner Abſolutheit das Erhabene begreift. Dieß iſt allgemein ſchon daraus einzuſehen, daß das Verhält- niß beider wie das der beiden Einheiten iſt, von denen aber jede gleich- falls in ihrer Abſolutheit ſelbſt die andere begreift. Das Erhabene, inwiefern es nicht ſchön, wird aus dieſem Grunde auch nicht erhaben, ſondern nur ungeheuer oder abenteuerlich ſeyn. Ebenſo muß die abſolute Schönheit mehr oder weniger immer zugleich auch die furchtbare

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Zitationshilfe: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von: Philosophie der Kunst (in: Sämtliche Werke. Abt. 1, Bd. 5). Stuttgart, 1859, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schelling_kunst_1859/144>, abgerufen am 25.11.2024.