Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

deste Unterstützung erhalten. David Neu-
mann besaß gar kein eignes Vermögen, ob
gleich sein Vater als Seemann in Jndien
gewesen war, und mein Secretairgehalt hatte
kaum zur Befriedigung meiner Kleidungs-
bedürfnisse hingereicht, es fand sich indessen
doch beym längst verstorbenen Commerzien-
rath F -- Rath, ohne daß ich nöthig hatte
von meinem System über das Schuldenma-
chen abzugehen; und wie dem Tanzlustigen
die kleinste Pfeife gnügt, so gingen auch wir
mit nicht sonderlich gefüllter Börse, aber
jeder mit einem Exemplar von Abts Schrift
über den Tod fürs Vaterland in
der Tasche, unter vielen Wagnissen zur preußi-
schen Armee. Neumann, dem ich mein Reit-
pferd abgetreten, mußte auf Nebenwegen
nach Danzig zu kommen suchen, ich hatte
mir durch einen russischen Staatsrath einen
Paß auf den Namen Rast geschafft und
fuhr auf der Post dahin ab.

Die Neigung zum Soldatenwesen scheint
allen Menschen, besonders jungen Leuten von
irgend einigem Geiste, ganz eigen zu seyn
und bey den mehresten unter der Asche zu
glimmen, um beym Schall der Kriegstrom-
pete in Flamme auszubrechen. Außer dem,

was

deſte Unterſtuͤtzung erhalten. David Neu-
mann beſaß gar kein eignes Vermoͤgen, ob
gleich ſein Vater als Seemann in Jndien
geweſen war, und mein Secretairgehalt hatte
kaum zur Befriedigung meiner Kleidungs-
beduͤrfniſſe hingereicht, es fand ſich indeſſen
doch beym laͤngſt verſtorbenen Commerzien-
rath F — Rath, ohne daß ich noͤthig hatte
von meinem Syſtem uͤber das Schuldenma-
chen abzugehen; und wie dem Tanzluſtigen
die kleinſte Pfeife gnuͤgt, ſo gingen auch wir
mit nicht ſonderlich gefuͤllter Boͤrſe, aber
jeder mit einem Exemplar von Abts Schrift
uͤber den Tod fuͤrs Vaterland in
der Taſche, unter vielen Wagniſſen zur preußi-
ſchen Armee. Neumann, dem ich mein Reit-
pferd abgetreten, mußte auf Nebenwegen
nach Danzig zu kommen ſuchen, ich hatte
mir durch einen ruſſiſchen Staatsrath einen
Paß auf den Namen Raſt geſchafft und
fuhr auf der Poſt dahin ab.

Die Neigung zum Soldatenweſen ſcheint
allen Menſchen, beſonders jungen Leuten von
irgend einigem Geiſte, ganz eigen zu ſeyn
und bey den mehreſten unter der Aſche zu
glimmen, um beym Schall der Kriegstrom-
pete in Flamme auszubrechen. Außer dem,

was
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="80"/>
de&#x017F;te Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung erhalten. David <hi rendition="#g">Neu-<lb/>
mann</hi> be&#x017F;aß gar kein eignes Vermo&#x0364;gen, ob<lb/>
gleich &#x017F;ein Vater als Seemann in Jndien<lb/>
gewe&#x017F;en war, und mein Secretairgehalt hatte<lb/>
kaum zur Befriedigung meiner Kleidungs-<lb/>
bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e hingereicht, es fand &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
doch beym la&#x0364;ng&#x017F;t ver&#x017F;torbenen Commerzien-<lb/>
rath F &#x2014; Rath, ohne daß ich no&#x0364;thig hatte<lb/>
von meinem Sy&#x017F;tem u&#x0364;ber das Schuldenma-<lb/>
chen abzugehen; und wie dem Tanzlu&#x017F;tigen<lb/>
die klein&#x017F;te Pfeife gnu&#x0364;gt, &#x017F;o gingen auch wir<lb/>
mit nicht &#x017F;onderlich gefu&#x0364;llter Bo&#x0364;r&#x017F;e, aber<lb/>
jeder mit einem Exemplar von <hi rendition="#g">Abts</hi> Schrift<lb/><hi rendition="#g">u&#x0364;ber den Tod fu&#x0364;rs Vaterland</hi> in<lb/>
der Ta&#x017F;che, unter vielen Wagni&#x017F;&#x017F;en zur preußi-<lb/>
&#x017F;chen Armee. Neumann, dem ich mein Reit-<lb/>
pferd abgetreten, mußte auf Nebenwegen<lb/>
nach Danzig zu kommen &#x017F;uchen, ich hatte<lb/>
mir durch einen ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Staatsrath einen<lb/>
Paß auf den Namen Ra&#x017F;t ge&#x017F;chafft und<lb/>
fuhr auf der Po&#x017F;t dahin ab.</p><lb/>
        <p>Die Neigung zum Soldatenwe&#x017F;en &#x017F;cheint<lb/>
allen Men&#x017F;chen, be&#x017F;onders jungen Leuten von<lb/>
irgend einigem Gei&#x017F;te, ganz eigen zu &#x017F;eyn<lb/>
und bey den mehre&#x017F;ten unter der A&#x017F;che zu<lb/>
glimmen, um beym Schall der Kriegstrom-<lb/>
pete in Flamme auszubrechen. Außer dem,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">was</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0097] deſte Unterſtuͤtzung erhalten. David Neu- mann beſaß gar kein eignes Vermoͤgen, ob gleich ſein Vater als Seemann in Jndien geweſen war, und mein Secretairgehalt hatte kaum zur Befriedigung meiner Kleidungs- beduͤrfniſſe hingereicht, es fand ſich indeſſen doch beym laͤngſt verſtorbenen Commerzien- rath F — Rath, ohne daß ich noͤthig hatte von meinem Syſtem uͤber das Schuldenma- chen abzugehen; und wie dem Tanzluſtigen die kleinſte Pfeife gnuͤgt, ſo gingen auch wir mit nicht ſonderlich gefuͤllter Boͤrſe, aber jeder mit einem Exemplar von Abts Schrift uͤber den Tod fuͤrs Vaterland in der Taſche, unter vielen Wagniſſen zur preußi- ſchen Armee. Neumann, dem ich mein Reit- pferd abgetreten, mußte auf Nebenwegen nach Danzig zu kommen ſuchen, ich hatte mir durch einen ruſſiſchen Staatsrath einen Paß auf den Namen Raſt geſchafft und fuhr auf der Poſt dahin ab. Die Neigung zum Soldatenweſen ſcheint allen Menſchen, beſonders jungen Leuten von irgend einigem Geiſte, ganz eigen zu ſeyn und bey den mehreſten unter der Aſche zu glimmen, um beym Schall der Kriegstrom- pete in Flamme auszubrechen. Außer dem, was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/97
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/97>, abgerufen am 03.05.2024.