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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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den Horaz und die Aesthetik, ließ uns
Uebersetzungen aus dem Horaz in gleichen
Sylbenmaaßen, und Nachahmungen und Pa-
raphrasirungen Hiobscher Beschreibungen in
Hexametern machen, ob wir gleich nichts von
Rythmik, Prosodie etc. verstanden. Unter
den Zuhörern befand sich auch der Anno
1810. gestorbene schwedisch pommersche Ge-
neralsuperintendent Schlegel, der sich da-
mals aber nicht auszeichnete und seiner er-
langten Würden und nicht sparsamen Schrift-
stellerey ungeachtet das bekannte urit matu-
re, quod vult urtica manere
eben nicht
Lügen gestraft haben soll.

Die meisten Collegia, doch wahrlich nicht
am besten, hörten wir bey unserm Haus-
herrn, unter andern das Jus naturae über
Hobbes de cive, den er nach dem, was
ich in spätern Jahren einsehen lernte, wohl
nicht am richtigsten verstanden haben mag.
Vor Hobbes Leviathan warnte er uns aber
sehr ernstlich, so daß ich diesen erst lange
nachher zu lesen wagte. Reminiscenzen aus
ihm erklären mir aber, warum in unsrer
Zeit Herr Friedrich Buchholz so viel
leviathanisirt hat.

den Horaz und die Aeſthetik, ließ uns
Ueberſetzungen aus dem Horaz in gleichen
Sylbenmaaßen, und Nachahmungen und Pa-
raphraſirungen Hiobſcher Beſchreibungen in
Hexametern machen, ob wir gleich nichts von
Rythmik, Proſodie ꝛc. verſtanden. Unter
den Zuhoͤrern befand ſich auch der Anno
1810. geſtorbene ſchwediſch pommerſche Ge-
neralſuperintendent Schlegel, der ſich da-
mals aber nicht auszeichnete und ſeiner er-
langten Wuͤrden und nicht ſparſamen Schrift-
ſtellerey ungeachtet das bekannte urit matu-
re, quod vult urtica manere
eben nicht
Luͤgen geſtraft haben ſoll.

Die meiſten Collegia, doch wahrlich nicht
am beſten, hoͤrten wir bey unſerm Haus-
herrn, unter andern das Jus naturae uͤber
Hobbes de cive, den er nach dem, was
ich in ſpaͤtern Jahren einſehen lernte, wohl
nicht am richtigſten verſtanden haben mag.
Vor Hobbes Leviathan warnte er uns aber
ſehr ernſtlich, ſo daß ich dieſen erſt lange
nachher zu leſen wagte. Reminiscenzen aus
ihm erklaͤren mir aber, warum in unſrer
Zeit Herr Friedrich Buchholz ſo viel
leviathaniſirt hat.

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[60/0077] den Horaz und die Aeſthetik, ließ uns Ueberſetzungen aus dem Horaz in gleichen Sylbenmaaßen, und Nachahmungen und Pa- raphraſirungen Hiobſcher Beſchreibungen in Hexametern machen, ob wir gleich nichts von Rythmik, Proſodie ꝛc. verſtanden. Unter den Zuhoͤrern befand ſich auch der Anno 1810. geſtorbene ſchwediſch pommerſche Ge- neralſuperintendent Schlegel, der ſich da- mals aber nicht auszeichnete und ſeiner er- langten Wuͤrden und nicht ſparſamen Schrift- ſtellerey ungeachtet das bekannte urit matu- re, quod vult urtica manere eben nicht Luͤgen geſtraft haben ſoll. Die meiſten Collegia, doch wahrlich nicht am beſten, hoͤrten wir bey unſerm Haus- herrn, unter andern das Jus naturae uͤber Hobbes de cive, den er nach dem, was ich in ſpaͤtern Jahren einſehen lernte, wohl nicht am richtigſten verſtanden haben mag. Vor Hobbes Leviathan warnte er uns aber ſehr ernſtlich, ſo daß ich dieſen erſt lange nachher zu leſen wagte. Reminiscenzen aus ihm erklaͤren mir aber, warum in unſrer Zeit Herr Friedrich Buchholz ſo viel leviathaniſirt hat.

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/77>, abgerufen am 25.11.2024.