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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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Natur bestimmt sey? Was er geworden? Weshalb nicht
mehr? Was ihn daran verhindert? Was ihm dazu
geholfen? Fragen, deren sich keiner überheben sollte.
Jede Pflanze, jeder Baum hätte, wenn er Vernunft
besäße, das Recht also zu fragen; in seinem Namen
thut das der Naturforscher, der Haushalter. Natur-
forscher und Haushalter über uns selbst sind wir mit
angebornen unveräusserlichen Naturrechten.

2) Sogleich treten uns bey diesen Fragen eine
Menge Gegenstände vor, die unsre Aufmerksamkeit
fordern. Wir gaben und versagten uns unsre Fähig-
keiten und Neigungen nicht selbst. Wir riesen uns
nicht an die Stelle, wo wir von Kindheit auf unsre
Bildung oder Mißbildung erhielten, was uns hier
förderte oder aufhielt, wirkte auf das ganze Leben;
die Hindernisse, die uns in den Weg treten, samt
dem Schaden, der uns daher erwuchs, sind unersetzbar,
sie dauern fort, drücken vielleicht auch andre und mis-
bilden sie. Das sie abgethan werden, dazu sind wir
ihnen also unsre Beyhülfe schuldig. Wenn mit
Nennung der Namen, mit treuer Beziehung der Lage
der Sache, der Umstände, sich hundert anklagende
Stimmen erheben, so bestürmen, so zerreißen sie,
hart wie es sey, das Ohr der tauben Fühllosigkeit
endlich. Gedrängt wird sie, aus öffentlicher Beschä-
tnung zu thun, was sie aus edelfreyem Willen nicht
thun mochte. Sie muß die drückendsten Hindernisse
der Menschenbildung hinwegthun, sie muß bessern.
Die aus dem Fegfeuer jügendlicher Qualen ertönenden
Stimmen haben sie dazu gezwungen, ja überwältigt.

3) Dankbar zeichne der Selbstbiographie die Schutz-
engel seines Lebens
aus, die ihm, meistens so
unvermuthet, trostreich begegneten, ihn retteten, ihm

Natur beſtimmt ſey? Was er geworden? Weshalb nicht
mehr? Was ihn daran verhindert? Was ihm dazu
geholfen? Fragen, deren ſich keiner uͤberheben ſollte.
Jede Pflanze, jeder Baum haͤtte, wenn er Vernunft
beſaͤße, das Recht alſo zu fragen; in ſeinem Namen
thut das der Naturforſcher, der Haushalter. Natur-
forſcher und Haushalter uͤber uns ſelbſt ſind wir mit
angebornen unveraͤuſſerlichen Naturrechten.

2) Sogleich treten uns bey dieſen Fragen eine
Menge Gegenſtaͤnde vor, die unſre Aufmerkſamkeit
fordern. Wir gaben und verſagten uns unſre Faͤhig-
keiten und Neigungen nicht ſelbſt. Wir rieſen uns
nicht an die Stelle, wo wir von Kindheit auf unſre
Bildung oder Mißbildung erhielten, was uns hier
foͤrderte oder aufhielt, wirkte auf das ganze Leben;
die Hinderniſſe, die uns in den Weg treten, ſamt
dem Schaden, der uns daher erwuchs, ſind unerſetzbar,
ſie dauern fort, druͤcken vielleicht auch andre und mis-
bilden ſie. Das ſie abgethan werden, dazu ſind wir
ihnen alſo unſre Beyhuͤlfe ſchuldig. Wenn mit
Nennung der Namen, mit treuer Beziehung der Lage
der Sache, der Umſtaͤnde, ſich hundert anklagende
Stimmen erheben, ſo beſtuͤrmen, ſo zerreißen ſie,
hart wie es ſey, das Ohr der tauben Fuͤhlloſigkeit
endlich. Gedraͤngt wird ſie, aus oͤffentlicher Beſchaͤ-
tnung zu thun, was ſie aus edelfreyem Willen nicht
thun mochte. Sie muß die druͤckendſten Hinderniſſe
der Menſchenbildung hinwegthun, ſie muß beſſern.
Die aus dem Fegfeuer juͤgendlicher Qualen ertoͤnenden
Stimmen haben ſie dazu gezwungen, ja uͤberwaͤltigt.

3) Dankbar zeichne der Selbſtbiographie die Schutz-
engel ſeines Lebens
aus, die ihm, meiſtens ſo
unvermuthet, troſtreich begegneten, ihn retteten, ihm

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[0539] Natur beſtimmt ſey? Was er geworden? Weshalb nicht mehr? Was ihn daran verhindert? Was ihm dazu geholfen? Fragen, deren ſich keiner uͤberheben ſollte. Jede Pflanze, jeder Baum haͤtte, wenn er Vernunft beſaͤße, das Recht alſo zu fragen; in ſeinem Namen thut das der Naturforſcher, der Haushalter. Natur- forſcher und Haushalter uͤber uns ſelbſt ſind wir mit angebornen unveraͤuſſerlichen Naturrechten. 2) Sogleich treten uns bey dieſen Fragen eine Menge Gegenſtaͤnde vor, die unſre Aufmerkſamkeit fordern. Wir gaben und verſagten uns unſre Faͤhig- keiten und Neigungen nicht ſelbſt. Wir rieſen uns nicht an die Stelle, wo wir von Kindheit auf unſre Bildung oder Mißbildung erhielten, was uns hier foͤrderte oder aufhielt, wirkte auf das ganze Leben; die Hinderniſſe, die uns in den Weg treten, ſamt dem Schaden, der uns daher erwuchs, ſind unerſetzbar, ſie dauern fort, druͤcken vielleicht auch andre und mis- bilden ſie. Das ſie abgethan werden, dazu ſind wir ihnen alſo unſre Beyhuͤlfe ſchuldig. Wenn mit Nennung der Namen, mit treuer Beziehung der Lage der Sache, der Umſtaͤnde, ſich hundert anklagende Stimmen erheben, ſo beſtuͤrmen, ſo zerreißen ſie, hart wie es ſey, das Ohr der tauben Fuͤhlloſigkeit endlich. Gedraͤngt wird ſie, aus oͤffentlicher Beſchaͤ- tnung zu thun, was ſie aus edelfreyem Willen nicht thun mochte. Sie muß die druͤckendſten Hinderniſſe der Menſchenbildung hinwegthun, ſie muß beſſern. Die aus dem Fegfeuer juͤgendlicher Qualen ertoͤnenden Stimmen haben ſie dazu gezwungen, ja uͤberwaͤltigt. 3) Dankbar zeichne der Selbſtbiographie die Schutz- engel ſeines Lebens aus, die ihm, meiſtens ſo unvermuthet, troſtreich begegneten, ihn retteten, ihm

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/539>, abgerufen am 26.11.2024.