Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf gute Wohnung hab ich von jeher ge-
halten, so wie auf Ordnung in meiner Stu-
be, auf der man daher nie sogenannte Stu-
dentenwirthschaft, vielmehr alles bestmög-
lichst aufgefliehen und unbestaubt antraf.
Jn manchen Stücken bin ich ein wahrer
Ordnungspedant, der sich bisweilen ärgert,
wenn man Gräten und Knochen auf den

richteten Zuhörer auf die Hauptgedanken der Pre-
digt zu führen, die Knaben selbst zum Auffassen
der Disposition zu gewöhnen, manchen neuen Ge-
danken aus dem Prediger selbst hervorzulocken,
der in dem Vortrage selbst ihm nicht beygefallen,
und erst durch die Antwort des Knaben veran-
laßt worden, zu Befolgung der Lehre aber oft
das glücklichste Hausmittel lieferte, zu dem sich
die homiletische Apotheke zu vornehm hielt.
Wie mancher Eltern Herz wurde nicht beym
Anhbren der Wiederholungen durch die Ueberzeu-
gung von den Fähigkeiten ihrer Kinder höchlich
erbaut und erfreut. Da bekanntlich für 3/4 der
Zuhörer die Predigt leerer Schall bleibt, wie sehr
könnte diesem Uebel durch solche Wiederholungen,
allenfalls mit den Catechumenen abgeholfen werden!
Verschiedentlich hab ich für ihre Wiedereinfüh-
rung gesprochen, doch ohne Erfolg -- sollte sie
nicht die Hausandächt befördern? -- doch Haus-
andacht! wo bist du Sonne blieben; der Wahn
in einem Tage zu leben, der keiner Sonne be-
darf, hat dich vertrieben!

Auf gute Wohnung hab ich von jeher ge-
halten, ſo wie auf Ordnung in meiner Stu-
be, auf der man daher nie ſogenannte Stu-
dentenwirthſchaft, vielmehr alles beſtmoͤg-
lichſt aufgefliehen und unbeſtaubt antraf.
Jn manchen Stuͤcken bin ich ein wahrer
Ordnungspedant, der ſich bisweilen aͤrgert,
wenn man Graͤten und Knochen auf den

richteten Zuhoͤrer auf die Hauptgedanken der Pre-
digt zu fuͤhren, die Knaben ſelbſt zum Auffaſſen
der Dispoſition zu gewoͤhnen, manchen neuen Ge-
danken aus dem Prediger ſelbſt hervorzulocken,
der in dem Vortrage ſelbſt ihm nicht beygefallen,
und erſt durch die Antwort des Knaben veran-
laßt worden, zu Befolgung der Lehre aber oft
das gluͤcklichſte Hausmittel lieferte, zu dem ſich
die homiletiſche Apotheke zu vornehm hielt.
Wie mancher Eltern Herz wurde nicht beym
Anhbren der Wiederholungen durch die Ueberzeu-
gung von den Faͤhigkeiten ihrer Kinder hoͤchlich
erbaut und erfreut. Da bekanntlich fuͤr ¾ der
Zuhoͤrer die Predigt leerer Schall bleibt, wie ſehr
koͤnnte dieſem Uebel durch ſolche Wiederholungen,
allenfalls mit den Catechumenen abgeholfen werden!
Verſchiedentlich hab ich fuͤr ihre Wiedereinfuͤh-
rung geſprochen, doch ohne Erfolg — ſollte ſie
nicht die Hausandaͤcht befoͤrdern? — doch Haus-
andacht! wo biſt du Sonne blieben; der Wahn
in einem Tage zu leben, der keiner Sonne be-
darf, hat dich vertrieben!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0053" n="36"/>
        <p>Auf gute Wohnung hab ich von jeher ge-<lb/>
halten, &#x017F;o wie auf Ordnung in meiner Stu-<lb/>
be, auf der man daher nie &#x017F;ogenannte Stu-<lb/>
dentenwirth&#x017F;chaft, vielmehr alles be&#x017F;tmo&#x0364;g-<lb/>
lich&#x017F;t aufgefliehen und unbe&#x017F;taubt antraf.<lb/>
Jn manchen Stu&#x0364;cken bin ich ein wahrer<lb/>
Ordnungspedant, der &#x017F;ich bisweilen a&#x0364;rgert,<lb/>
wenn man Gra&#x0364;ten und Knochen auf den<lb/><note xml:id="seg2pn_6_2" prev="#seg2pn_6_1" place="foot" n="*)">richteten Zuho&#x0364;rer auf die Hauptgedanken der Pre-<lb/>
digt zu fu&#x0364;hren, die Knaben &#x017F;elb&#x017F;t zum Auffa&#x017F;&#x017F;en<lb/>
der Dispo&#x017F;ition zu gewo&#x0364;hnen, manchen neuen Ge-<lb/>
danken aus dem Prediger &#x017F;elb&#x017F;t hervorzulocken,<lb/>
der in dem Vortrage &#x017F;elb&#x017F;t ihm nicht beygefallen,<lb/>
und er&#x017F;t durch die Antwort des Knaben veran-<lb/>
laßt worden, zu Befolgung der Lehre aber oft<lb/>
das glu&#x0364;cklich&#x017F;te Hausmittel lieferte, zu dem &#x017F;ich<lb/>
die homileti&#x017F;che Apotheke zu vornehm hielt.<lb/>
Wie mancher Eltern Herz wurde nicht beym<lb/>
Anhbren der Wiederholungen durch die Ueberzeu-<lb/>
gung von den Fa&#x0364;higkeiten ihrer Kinder ho&#x0364;chlich<lb/>
erbaut und erfreut. Da bekanntlich fu&#x0364;r ¾ der<lb/>
Zuho&#x0364;rer die Predigt leerer Schall bleibt, wie &#x017F;ehr<lb/>
ko&#x0364;nnte die&#x017F;em Uebel durch &#x017F;olche Wiederholungen,<lb/>
allenfalls mit den Catechumenen abgeholfen werden!<lb/>
Ver&#x017F;chiedentlich hab ich fu&#x0364;r ihre Wiedereinfu&#x0364;h-<lb/>
rung ge&#x017F;prochen, doch ohne Erfolg &#x2014; &#x017F;ollte &#x017F;ie<lb/>
nicht die Hausanda&#x0364;cht befo&#x0364;rdern? &#x2014; doch Haus-<lb/>
andacht! wo bi&#x017F;t du Sonne blieben; der Wahn<lb/>
in einem <hi rendition="#g">Tage</hi> zu leben, der keiner Sonne be-<lb/>
darf, hat dich vertrieben!</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0053] Auf gute Wohnung hab ich von jeher ge- halten, ſo wie auf Ordnung in meiner Stu- be, auf der man daher nie ſogenannte Stu- dentenwirthſchaft, vielmehr alles beſtmoͤg- lichſt aufgefliehen und unbeſtaubt antraf. Jn manchen Stuͤcken bin ich ein wahrer Ordnungspedant, der ſich bisweilen aͤrgert, wenn man Graͤten und Knochen auf den *) *) richteten Zuhoͤrer auf die Hauptgedanken der Pre- digt zu fuͤhren, die Knaben ſelbſt zum Auffaſſen der Dispoſition zu gewoͤhnen, manchen neuen Ge- danken aus dem Prediger ſelbſt hervorzulocken, der in dem Vortrage ſelbſt ihm nicht beygefallen, und erſt durch die Antwort des Knaben veran- laßt worden, zu Befolgung der Lehre aber oft das gluͤcklichſte Hausmittel lieferte, zu dem ſich die homiletiſche Apotheke zu vornehm hielt. Wie mancher Eltern Herz wurde nicht beym Anhbren der Wiederholungen durch die Ueberzeu- gung von den Faͤhigkeiten ihrer Kinder hoͤchlich erbaut und erfreut. Da bekanntlich fuͤr ¾ der Zuhoͤrer die Predigt leerer Schall bleibt, wie ſehr koͤnnte dieſem Uebel durch ſolche Wiederholungen, allenfalls mit den Catechumenen abgeholfen werden! Verſchiedentlich hab ich fuͤr ihre Wiedereinfuͤh- rung geſprochen, doch ohne Erfolg — ſollte ſie nicht die Hausandaͤcht befoͤrdern? — doch Haus- andacht! wo biſt du Sonne blieben; der Wahn in einem Tage zu leben, der keiner Sonne be- darf, hat dich vertrieben!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/53
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/53>, abgerufen am 04.05.2024.