schienen sich zu verjüngen, was mich sehr freut. Sie sollten immer noch herkömmen, wenigstens rechne ich darauf, daß, wenn ich verkrüppelter Jnvalide mich 100 Meilen nach R. zu schleichen suchen will, sie doch wohl 7 Meilen bis dahin werden zurücklegen können -- das, lieber S., könnte ein herrliches Fest abgeben, bis dahin können wir noch herr iche Nachrichten aus Frankreich haben. -- Fühlend den Unterschied zwischen 1806 und jetzt, opfern wir dann Speise und Trank und gießen zusammen, wahrscheinlich zum letztenmal, eine Libation zum Andenken derer, die uns so werth waren und nicht mehr sind, und derer, die noch sind, und wahrscheinlich auch nicht lange mehr sein werden. Sollten sich dabey Thränen als Zeichen reiner Gefühle des diesseitigen Menschen in unsre Augen drängen, so wollen wir sie für Winke halten, die uns der Hie- rophant jenseitiger Geheimnisse giebt, der jedes reine Gefühl noch weniger wie jedes Haar vom Haupt verloren gehen läßt.
Den 6ten Juny.
Ueber Publica schreib ich Jhnen am Ende dieses Briefes. -- Was Sie mir von innern Einrichtungen und diesem Thun und Treiben sagen, so läßt sich da- rauf schwerer antworten, als einen Commentar zur Offenbarung Johannis machen. Schon vor einigen Jahren sagte ich: ich fürchte mich weniger vor Napo- leon, als vor unsern inländischen X und Q Zugen, und dies um so mehr, als am Tage liegt, daß von den vielen, muthwillig aus Trümmern zusammengesetz- ten Gebäuden in kurzem wieder kein Stein auf dem andern bleiben kann. *) Einen Hiram, dieses zu ordnen, kann nur Gott senden -- das Komische bey der Sache ist, daß jeder dieser Baumeister mit den andern unzufrieden ist. -- --
*)Si un homme, dont la maison se seroit ecrou- lee, impatient de se mettre a couvert, en construisoit aussitot une nouvelle sur les de- combres memes de l'ancienne, dispose a peu- pres comme sa chaute les auroit laisses, le voya-
ſchienen ſich zu verjuͤngen, was mich ſehr freut. Sie ſollten immer noch herkoͤmmen, wenigſtens rechne ich darauf, daß, wenn ich verkruͤppelter Jnvalide mich 100 Meilen nach R. zu ſchleichen ſuchen will, ſie doch wohl 7 Meilen bis dahin werden zuruͤcklegen koͤnnen — das, lieber S., koͤnnte ein herrliches Feſt abgeben, bis dahin koͤnnen wir noch herr iche Nachrichten aus Frankreich haben. — Fuͤhlend den Unterſchied zwiſchen 1806 und jetzt, opfern wir dann Speiſe und Trank und gießen zuſammen, wahrſcheinlich zum letztenmal, eine Libation zum Andenken derer, die uns ſo werth waren und nicht mehr ſind, und derer, die noch ſind, und wahrſcheinlich auch nicht lange mehr ſein werden. Sollten ſich dabey Thraͤnen als Zeichen reiner Gefuͤhle des diesſeitigen Menſchen in unſre Augen draͤngen, ſo wollen wir ſie fuͤr Winke halten, die uns der Hie- rophant jenſeitiger Geheimniſſe giebt, der jedes reine Gefuͤhl noch weniger wie jedes Haar vom Haupt verloren gehen laͤßt.
Den 6ten Juny.
Ueber Publica ſchreib ich Jhnen am Ende dieſes Briefes. — Was Sie mir von innern Einrichtungen und dieſem Thun und Treiben ſagen, ſo laͤßt ſich da- rauf ſchwerer antworten, als einen Commentar zur Offenbarung Johannis machen. Schon vor einigen Jahren ſagte ich: ich fuͤrchte mich weniger vor Napo- leon, als vor unſern inlaͤndiſchen X und Q Zugen, und dies um ſo mehr, als am Tage liegt, daß von den vielen, muthwillig aus Truͤmmern zuſammengeſetz- ten Gebaͤuden in kurzem wieder kein Stein auf dem andern bleiben kann. *) Einen Hiram, dieſes zu ordnen, kann nur Gott ſenden — das Komiſche bey der Sache iſt, daß jeder dieſer Baumeiſter mit den andern unzufrieden iſt. — —
*)Si un homme, dont la maiſon ſe ſeroit ecrou- lèe, impatient de ſe mettre à couvert, en conſtruiſoit auſſitot une nouvelle ſur les de- combres mêmes de l’ancienne, diſpoſé à peu- pres comme ſa chûte les auroit laiſſés, le voya-
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ſchienen ſich zu verjuͤngen, was mich ſehr freut. Sie
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100 Meilen nach R. zu ſchleichen ſuchen will, ſie doch
wohl 7 Meilen bis dahin werden zuruͤcklegen koͤnnen
— das, lieber S., koͤnnte ein herrliches Feſt abgeben,
bis dahin koͤnnen wir noch herr iche Nachrichten aus
Frankreich haben. — Fuͤhlend den Unterſchied zwiſchen
1806 und jetzt, opfern wir dann Speiſe und Trank
und gießen zuſammen, wahrſcheinlich zum letztenmal,
eine Libation zum Andenken derer, die uns ſo werth
waren und nicht mehr ſind, und derer, die noch ſind,
und wahrſcheinlich auch nicht lange mehr ſein werden.
Sollten ſich dabey Thraͤnen als Zeichen reiner Gefuͤhle
des diesſeitigen Menſchen in unſre Augen draͤngen,
ſo wollen wir ſie fuͤr Winke halten, die uns der Hie-
rophant jenſeitiger Geheimniſſe giebt, der jedes reine
Gefuͤhl noch weniger wie jedes Haar vom Haupt
verloren gehen laͤßt.
Den 6ten Juny.
Ueber Publica ſchreib ich Jhnen am Ende dieſes
Briefes. — Was Sie mir von innern Einrichtungen
und dieſem Thun und Treiben ſagen, ſo laͤßt ſich da-
rauf ſchwerer antworten, als einen Commentar zur
Offenbarung Johannis machen. Schon vor einigen
Jahren ſagte ich: ich fuͤrchte mich weniger vor Napo-
leon, als vor unſern inlaͤndiſchen X und Q Zugen,
und dies um ſo mehr, als am Tage liegt, daß von
den vielen, muthwillig aus Truͤmmern zuſammengeſetz-
ten Gebaͤuden in kurzem wieder kein Stein auf dem
andern bleiben kann. *) Einen Hiram, dieſes zu ordnen,
kann nur Gott ſenden — das Komiſche bey der
Sache iſt, daß jeder dieſer Baumeiſter mit den andern
unzufrieden iſt. — —
*) Si un homme, dont la maiſon ſe ſeroit ecrou-
lèe, impatient de ſe mettre à couvert, en
conſtruiſoit auſſitot une nouvelle ſur les de-
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pres comme ſa chûte les auroit laiſſés, le voya-
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/510>, abgerufen am 22.11.2024.
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