Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite
Eilen und weilen zu leben
Das sey der Sterblichen Streben!
Eilen, die Schwingen des Geistes zu mehren,
Weilen, am Erbe des Lebens zu zehren.
Sehet, der glückliche Weise,
Der unserm feyrenden Kreise
Jährlich den Seegen ertheilt,
Er hat geeilt und geweilt.


Den 12ten December 1814.

Nie hab ich der Welt einen zweyten
Tacitus herzlicher gewünscht, als in diesem
Wienerkongreß-Jahr; die Geschichte hat keine
ihr gleiche,*) obwohl dem tridentinischen we-
nigstens in einigen Leiblichkeiten ähnliche,
Versammlung und höherer Zwecke wegen
aufzuweisen, denn noch nie lebten drey so
große Fürsten so lange, in solcher Lage
mit einander wie Franz, Alexander

*) So eben las ich den 16ten Febr. 1815 in der
Königsbergschen Hartungschen Zeitung, es habe
Anno 1515 ein Celeberrimus regum congressus
in Wien statt gefunden, zu Beylegung aller Unei-
nigkeiten zwischen den christlichen Regenten, worin
gesessen hätten Kaiser Maximilian, die Kö-
nige Siegmund von Pohlen, Ludwig von
Böhmen, Wladislaus von Ungaru, einige
Königinnen und Bothschaften von England, Spa-
nien und Rom etc.
Eilen und weilen zu leben
Das ſey der Sterblichen Streben!
Eilen, die Schwingen des Geiſtes zu mehren,
Weilen, am Erbe des Lebens zu zehren.
Sehet, der gluͤckliche Weiſe,
Der unſerm feyrenden Kreiſe
Jaͤhrlich den Seegen ertheilt,
Er hat geeilt und geweilt.


Den 12ten December 1814.

Nie hab ich der Welt einen zweyten
Tacitus herzlicher gewuͤnſcht, als in dieſem
Wienerkongreß-Jahr; die Geſchichte hat keine
ihr gleiche,*) obwohl dem tridentiniſchen we-
nigſtens in einigen Leiblichkeiten aͤhnliche,
Verſammlung und hoͤherer Zwecke wegen
aufzuweiſen, denn noch nie lebten drey ſo
große Fuͤrſten ſo lange, in ſolcher Lage
mit einander wie Franz, Alexander

*) So eben las ich den 16ten Febr. 1815 in der
Koͤnigsbergſchen Hartungſchen Zeitung, es habe
Anno 1515 ein Celeberrimus regum congreſſus
in Wien ſtatt gefunden, zu Beylegung aller Unei-
nigkeiten zwiſchen den chriſtlichen Regenten, worin
geſeſſen haͤtten Kaiſer Maximilian, die Koͤ-
nige Siegmund von Pohlen, Ludwig von
Boͤhmen, Wladislaus von Ungaru, einige
Koͤniginnen und Bothſchaften von England, Spa-
nien und Rom ꝛc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0492" n="475"/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#g">Eilen</hi> und <hi rendition="#g">weilen</hi> zu leben</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;ey der Sterblichen Streben!</l><lb/>
            <l><hi rendition="#g">Eilen,</hi> die Schwingen des Gei&#x017F;tes zu mehren,</l><lb/>
            <l><hi rendition="#g">Weilen,</hi> am Erbe des Lebens zu zehren.</l><lb/>
            <l>Sehet, der glu&#x0364;ckliche Wei&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Der un&#x017F;erm feyrenden Krei&#x017F;e</l><lb/>
            <l>Ja&#x0364;hrlich den Seegen ertheilt,</l><lb/>
            <l>Er hat <hi rendition="#g">geeilt</hi> und <hi rendition="#g">geweilt.</hi></l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head>Den 12ten December 1814.</head><lb/>
          <p>Nie hab ich der Welt einen zweyten<lb/><hi rendition="#aq">Tacitus</hi> herzlicher gewu&#x0364;n&#x017F;cht, als in die&#x017F;em<lb/>
Wienerkongreß-Jahr; die Ge&#x017F;chichte hat keine<lb/>
ihr gleiche,<note place="foot" n="*)">So eben las ich den 16ten Febr. 1815 in der<lb/>
Ko&#x0364;nigsberg&#x017F;chen Hartung&#x017F;chen Zeitung, es habe<lb/><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1515 ein <hi rendition="#aq">Celeberrimus regum congre&#x017F;&#x017F;us</hi><lb/>
in Wien &#x017F;tatt gefunden, zu Beylegung aller Unei-<lb/>
nigkeiten zwi&#x017F;chen den chri&#x017F;tlichen Regenten, worin<lb/>
ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tten Kai&#x017F;er <hi rendition="#g">Maximilian,</hi> die Ko&#x0364;-<lb/>
nige <hi rendition="#g">Siegmund</hi> von Pohlen, <hi rendition="#g">Ludwig</hi> von<lb/>
Bo&#x0364;hmen, <hi rendition="#g">Wladislaus</hi> von Ungaru, einige<lb/>
Ko&#x0364;niginnen und Both&#x017F;chaften von England, Spa-<lb/>
nien und Rom &#xA75B;c.</note> obwohl dem tridentini&#x017F;chen we-<lb/>
nig&#x017F;tens in einigen Leiblichkeiten a&#x0364;hnliche,<lb/>
Ver&#x017F;ammlung und ho&#x0364;herer Zwecke wegen<lb/>
aufzuwei&#x017F;en, denn noch nie lebten drey &#x017F;o<lb/>
große Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;o lange, in &#x017F;olcher Lage<lb/>
mit einander wie <hi rendition="#g">Franz, Alexander</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0492] Eilen und weilen zu leben Das ſey der Sterblichen Streben! Eilen, die Schwingen des Geiſtes zu mehren, Weilen, am Erbe des Lebens zu zehren. Sehet, der gluͤckliche Weiſe, Der unſerm feyrenden Kreiſe Jaͤhrlich den Seegen ertheilt, Er hat geeilt und geweilt. Den 12ten December 1814. Nie hab ich der Welt einen zweyten Tacitus herzlicher gewuͤnſcht, als in dieſem Wienerkongreß-Jahr; die Geſchichte hat keine ihr gleiche, *) obwohl dem tridentiniſchen we- nigſtens in einigen Leiblichkeiten aͤhnliche, Verſammlung und hoͤherer Zwecke wegen aufzuweiſen, denn noch nie lebten drey ſo große Fuͤrſten ſo lange, in ſolcher Lage mit einander wie Franz, Alexander *) So eben las ich den 16ten Febr. 1815 in der Koͤnigsbergſchen Hartungſchen Zeitung, es habe Anno 1515 ein Celeberrimus regum congreſſus in Wien ſtatt gefunden, zu Beylegung aller Unei- nigkeiten zwiſchen den chriſtlichen Regenten, worin geſeſſen haͤtten Kaiſer Maximilian, die Koͤ- nige Siegmund von Pohlen, Ludwig von Boͤhmen, Wladislaus von Ungaru, einige Koͤniginnen und Bothſchaften von England, Spa- nien und Rom ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/492
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/492>, abgerufen am 17.05.2024.