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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

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vermocht, daß ich durch mein Geradsehtalent
die Zimmerleute, wenn sie das Bleymaaß zu
brauchen vergessen hatten, überrascht habe.

Bey Gelegenheit der Correktionsmethode
meiner Mutter muß ich noch anführen, daß
ich nur einmal im ganzen Leben von meinem
hochverehrten Vater körperlich gezüchtiget
bin. Diese im dritten Jahre empfangenen
Ruthenstreiche blieben mir unvergeßlich. Alle
Hausleute waren in die Kirche gegangen,
und mein Vater las still vor sich eine Pre-
digt, während daß sein Hanns, so wurd
ich jederzeit genannt, mit dem großen Hü-
nerhunde auf der ausgespreiteten Bärendecke,
die damals die Stelle der jetzigen Teppiche
vertrat, so laut sein Spiel trieb, daß der
Vater, da auf seine Jnterdikte nicht geach-
tet wurde, zur Ruthe greifen mußte und
sie gewiß auch recht derb gebrauchte.

So blöd und zahm ich mehrentheils war,
so war ich doch stoßweiße auch wild, und
wundert es mich, daß ich ohne Verstümme-
lung geblieben bin und bloß die Narbe von
einem spitzigen Zimmermannshammer trage,
den ich mir beym Fallen in den Kopf schlug,
welche Verwundung mir aber so wenig als
der Sturz aus dem Fenster zum offnen Kopfe

vermocht, daß ich durch mein Geradſehtalent
die Zimmerleute, wenn ſie das Bleymaaß zu
brauchen vergeſſen hatten, uͤberraſcht habe.

Bey Gelegenheit der Correktionsmethode
meiner Mutter muß ich noch anfuͤhren, daß
ich nur einmal im ganzen Leben von meinem
hochverehrten Vater koͤrperlich gezuͤchtiget
bin. Dieſe im dritten Jahre empfangenen
Ruthenſtreiche blieben mir unvergeßlich. Alle
Hausleute waren in die Kirche gegangen,
und mein Vater las ſtill vor ſich eine Pre-
digt, waͤhrend daß ſein Hanns, ſo wurd
ich jederzeit genannt, mit dem großen Huͤ-
nerhunde auf der ausgeſpreiteten Baͤrendecke,
die damals die Stelle der jetzigen Teppiche
vertrat, ſo laut ſein Spiel trieb, daß der
Vater, da auf ſeine Jnterdikte nicht geach-
tet wurde, zur Ruthe greifen mußte und
ſie gewiß auch recht derb gebrauchte.

So bloͤd und zahm ich mehrentheils war,
ſo war ich doch ſtoßweiße auch wild, und
wundert es mich, daß ich ohne Verſtuͤmme-
lung geblieben bin und bloß die Narbe von
einem ſpitzigen Zimmermannshammer trage,
den ich mir beym Fallen in den Kopf ſchlug,
welche Verwundung mir aber ſo wenig als
der Sturz aus dem Fenſter zum offnen Kopfe

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[31/0048] vermocht, daß ich durch mein Geradſehtalent die Zimmerleute, wenn ſie das Bleymaaß zu brauchen vergeſſen hatten, uͤberraſcht habe. Bey Gelegenheit der Correktionsmethode meiner Mutter muß ich noch anfuͤhren, daß ich nur einmal im ganzen Leben von meinem hochverehrten Vater koͤrperlich gezuͤchtiget bin. Dieſe im dritten Jahre empfangenen Ruthenſtreiche blieben mir unvergeßlich. Alle Hausleute waren in die Kirche gegangen, und mein Vater las ſtill vor ſich eine Pre- digt, waͤhrend daß ſein Hanns, ſo wurd ich jederzeit genannt, mit dem großen Huͤ- nerhunde auf der ausgeſpreiteten Baͤrendecke, die damals die Stelle der jetzigen Teppiche vertrat, ſo laut ſein Spiel trieb, daß der Vater, da auf ſeine Jnterdikte nicht geach- tet wurde, zur Ruthe greifen mußte und ſie gewiß auch recht derb gebrauchte. So bloͤd und zahm ich mehrentheils war, ſo war ich doch ſtoßweiße auch wild, und wundert es mich, daß ich ohne Verſtuͤmme- lung geblieben bin und bloß die Narbe von einem ſpitzigen Zimmermannshammer trage, den ich mir beym Fallen in den Kopf ſchlug, welche Verwundung mir aber ſo wenig als der Sturz aus dem Fenſter zum offnen Kopfe

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Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/48>, abgerufen am 29.03.2024.