Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Wohlgefallen am Vernichten und Quälen
zu beschönigen. Scheint es doch, als glaube
man, es liege im Druck neuer Lasten Kraft,
die alten desto geduldiger zu tragen.

Wer Gelegenheit hat die französische
Armee näher zu beschauen, wird finden, daß
in dem Zwischenraum vom letzten Kriege
bis zur Verbindung mit Preussen, selbst die
gemeinen Soldaten roues geworden sind, die
das Schwelgerische und Aergerliche jener Orle-
ansschen Umgebungen wiederholen. Die
mehrsten ihrer schnell hochgestiegnen Befehls-
haber scheinen in die gemeine Natur ihrer
erziehungslosen Jugend zurückzufallen, und
den Soldaten Beyspiele der Grobheit, Hab-
sucht, Freude an Zerstörung und sinnloser
Frivolität zu geben. Der Geistes- und Her-
zens-Sanseülotismus hat mit der Beklei-
dungspracht der Armee um die Wette zuge-
nommen, und die Einfachheit der vorigen
Heereinrichtung sticht gegen die Putz- nnd
Equipagenvermehrung der jetzigen so augen-
scheinlich ab, als sie die Landeslasten zu
Befriedigung dieser Bedürfnisse vergrößert.
Bivouaks, ununterbrochne Märsche, bis-
weiliger Mangel an Sold und Lebensmitteln
härten den Soldaten keinesweges ab, wenn

Wohlgefallen am Vernichten und Quaͤlen
zu beſchoͤnigen. Scheint es doch, als glaube
man, es liege im Druck neuer Laſten Kraft,
die alten deſto geduldiger zu tragen.

Wer Gelegenheit hat die franzoͤſiſche
Armee naͤher zu beſchauen, wird finden, daß
in dem Zwiſchenraum vom letzten Kriege
bis zur Verbindung mit Preuſſen, ſelbſt die
gemeinen Soldaten roués geworden ſind, die
das Schwelgeriſche und Aergerliche jener Orle-
ansſchen Umgebungen wiederholen. Die
mehrſten ihrer ſchnell hochgeſtiegnen Befehls-
haber ſcheinen in die gemeine Natur ihrer
erziehungsloſen Jugend zuruͤckzufallen, und
den Soldaten Beyſpiele der Grobheit, Hab-
ſucht, Freude an Zerſtoͤrung und ſinnloſer
Frivolitaͤt zu geben. Der Geiſtes- und Her-
zens-Sanseuͤlotismus hat mit der Beklei-
dungspracht der Armee um die Wette zuge-
nommen, und die Einfachheit der vorigen
Heereinrichtung ſticht gegen die Putz- nnd
Equipagenvermehrung der jetzigen ſo augen-
ſcheinlich ab, als ſie die Landeslaſten zu
Befriedigung dieſer Beduͤrfniſſe vergroͤßert.
Bivouaks, ununterbrochne Maͤrſche, bis-
weiliger Mangel an Sold und Lebensmitteln
haͤrten den Soldaten keinesweges ab, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0454" n="437"/>
Wohlgefallen am Vernichten und Qua&#x0364;len<lb/>
zu be&#x017F;cho&#x0364;nigen. Scheint es doch, als glaube<lb/>
man, es liege im Druck neuer La&#x017F;ten Kraft,<lb/>
die alten de&#x017F;to geduldiger zu tragen.</p><lb/>
          <p>Wer Gelegenheit hat die franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Armee na&#x0364;her zu be&#x017F;chauen, wird finden, daß<lb/>
in dem Zwi&#x017F;chenraum vom letzten Kriege<lb/>
bis zur Verbindung mit Preu&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
gemeinen Soldaten <hi rendition="#aq">roués</hi> geworden &#x017F;ind, die<lb/>
das Schwelgeri&#x017F;che und Aergerliche jener Orle-<lb/>
ans&#x017F;chen Umgebungen wiederholen. Die<lb/>
mehr&#x017F;ten ihrer &#x017F;chnell hochge&#x017F;tiegnen Befehls-<lb/>
haber &#x017F;cheinen in die gemeine Natur ihrer<lb/>
erziehungslo&#x017F;en Jugend zuru&#x0364;ckzufallen, und<lb/>
den Soldaten Bey&#x017F;piele der Grobheit, Hab-<lb/>
&#x017F;ucht, Freude an Zer&#x017F;to&#x0364;rung und &#x017F;innlo&#x017F;er<lb/>
Frivolita&#x0364;t zu geben. Der Gei&#x017F;tes- und Her-<lb/>
zens-Sanseu&#x0364;lotismus hat mit der Beklei-<lb/>
dungspracht der Armee um die Wette zuge-<lb/>
nommen, und die Einfachheit der vorigen<lb/>
Heereinrichtung &#x017F;ticht gegen die Putz- nnd<lb/>
Equipagenvermehrung der jetzigen &#x017F;o augen-<lb/>
&#x017F;cheinlich ab, als &#x017F;ie die Landesla&#x017F;ten zu<lb/>
Befriedigung die&#x017F;er Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e vergro&#x0364;ßert.<lb/>
Bivouaks, ununterbrochne Ma&#x0364;r&#x017F;che, bis-<lb/>
weiliger Mangel an Sold und Lebensmitteln<lb/>
ha&#x0364;rten den Soldaten keinesweges ab, wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0454] Wohlgefallen am Vernichten und Quaͤlen zu beſchoͤnigen. Scheint es doch, als glaube man, es liege im Druck neuer Laſten Kraft, die alten deſto geduldiger zu tragen. Wer Gelegenheit hat die franzoͤſiſche Armee naͤher zu beſchauen, wird finden, daß in dem Zwiſchenraum vom letzten Kriege bis zur Verbindung mit Preuſſen, ſelbſt die gemeinen Soldaten roués geworden ſind, die das Schwelgeriſche und Aergerliche jener Orle- ansſchen Umgebungen wiederholen. Die mehrſten ihrer ſchnell hochgeſtiegnen Befehls- haber ſcheinen in die gemeine Natur ihrer erziehungsloſen Jugend zuruͤckzufallen, und den Soldaten Beyſpiele der Grobheit, Hab- ſucht, Freude an Zerſtoͤrung und ſinnloſer Frivolitaͤt zu geben. Der Geiſtes- und Her- zens-Sanseuͤlotismus hat mit der Beklei- dungspracht der Armee um die Wette zuge- nommen, und die Einfachheit der vorigen Heereinrichtung ſticht gegen die Putz- nnd Equipagenvermehrung der jetzigen ſo augen- ſcheinlich ab, als ſie die Landeslaſten zu Befriedigung dieſer Beduͤrfniſſe vergroͤßert. Bivouaks, ununterbrochne Maͤrſche, bis- weiliger Mangel an Sold und Lebensmitteln haͤrten den Soldaten keinesweges ab, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/454
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/454>, abgerufen am 17.05.2024.