auch ihm ein Ende macht, die Hauptur- sache der Abneigung und Unfähigkeit des Greisenalters gegen und zu Freundschaften, zu suchen seyn.
Außer dem Eigensinn mischt sich viel- leicht noch ins Spiel eine Art von Argwohn, die aus dem Gefühl eigner Schwachheit und aus der Besorgniß entsteht, dieser Schwach- heit wegen von andern wenig, oder gar nicht, oder nur zum Schein geachtet zu werden. Dieses Mistrauen, das man die Hektik der Freundschaft nennen könnte, hält den Greis ab, die ihm von andern dargebotene Hand anzunehmen und ihre Darbietung mit einem herzlichen Druck zu erwiedern.
Es kann aber diese Abneigung und Un- vermögenheit des Greises auch in dem Um- stande liegen, daß er den Menschen abge- merkt hat, wie sie beynah alles nur für sich selbst thun, und daß die ihm schon feh- lende Kraft oder Zeit, andre für sich zu be- nutzen, ihn abgeneigt macht, sich von ihnen benutzen zu lassen.
Gleichalte Menschen scheinen, wo nicht einen förmlichen Widerwillen gegen einander zu haben, so doch aus dem Gefühl eignes
auch ihm ein Ende macht, die Hauptur- ſache der Abneigung und Unfaͤhigkeit des Greiſenalters gegen und zu Freundſchaften, zu ſuchen ſeyn.
Außer dem Eigenſinn miſcht ſich viel- leicht noch ins Spiel eine Art von Argwohn, die aus dem Gefuͤhl eigner Schwachheit und aus der Beſorgniß entſteht, dieſer Schwach- heit wegen von andern wenig, oder gar nicht, oder nur zum Schein geachtet zu werden. Dieſes Mistrauen, das man die Hektik der Freundſchaft nennen koͤnnte, haͤlt den Greis ab, die ihm von andern dargebotene Hand anzunehmen und ihre Darbietung mit einem herzlichen Druck zu erwiedern.
Es kann aber dieſe Abneigung und Un- vermoͤgenheit des Greiſes auch in dem Um- ſtande liegen, daß er den Menſchen abge- merkt hat, wie ſie beynah alles nur fuͤr ſich ſelbſt thun, und daß die ihm ſchon feh- lende Kraft oder Zeit, andre fuͤr ſich zu be- nutzen, ihn abgeneigt macht, ſich von ihnen benutzen zu laſſen.
Gleichalte Menſchen ſcheinen, wo nicht einen foͤrmlichen Widerwillen gegen einander zu haben, ſo doch aus dem Gefuͤhl eignes
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auch ihm ein Ende macht, die Hauptur-
ſache der Abneigung und Unfaͤhigkeit des
Greiſenalters gegen und zu Freundſchaften,
zu ſuchen ſeyn.
Außer dem Eigenſinn miſcht ſich viel-
leicht noch ins Spiel eine Art von Argwohn,
die aus dem Gefuͤhl eigner Schwachheit und
aus der Beſorgniß entſteht, dieſer Schwach-
heit wegen von andern wenig, oder gar
nicht, oder nur zum Schein geachtet zu
werden. Dieſes Mistrauen, das man
die Hektik der Freundſchaft nennen koͤnnte,
haͤlt den Greis ab, die ihm von andern
dargebotene Hand anzunehmen und ihre
Darbietung mit einem herzlichen Druck zu
erwiedern.
Es kann aber dieſe Abneigung und Un-
vermoͤgenheit des Greiſes auch in dem Um-
ſtande liegen, daß er den Menſchen abge-
merkt hat, wie ſie beynah alles nur fuͤr
ſich ſelbſt thun, und daß die ihm ſchon feh-
lende Kraft oder Zeit, andre fuͤr ſich zu be-
nutzen, ihn abgeneigt macht, ſich von ihnen
benutzen zu laſſen.
Gleichalte Menſchen ſcheinen, wo nicht
einen foͤrmlichen Widerwillen gegen einander
zu haben, ſo doch aus dem Gefuͤhl eignes
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/431>, abgerufen am 22.11.2024.
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