er frug mich, ob ich mir nicht bey Zeiten einen Wasiansky *) zulegen wollte? "Sie "glauben es nicht, wie vortreflich es ist, "einen Freund gefunden zu haben, dem "man sein ganzes Hauswesen überlassen "kann, mit voller Ueberzeugung, er werde "es wie sein eignes verwalten," ich war aber damals so wenig wie jetzt der Meinung des philosophischen Erzvaters, der doch auch manches kleine Hausgeschäft, bis ganz zu- letzt, selbst persönlich übernahm, weil ich den bloßen Entschluß zu solcher Hingebung für ein Zeichen halte, daß das Gefühl der höchsten Schwäche zum Durchbruch zu kom- men auf dem Sprunge stehe, und daß man diesem so lange als möglich vor oder auszu- beugen trachten müsse. Kann nicht in sol- chem Dienstfordern und Leisten die Freund- schaft vom Forderer als Herrschaft gemiß- braucht werden? Muß Sie nicht den Leister bis zur Dienerschaft erniedrigen?
Meine
gehörige Blutwärme ist auch in der Schriftstelle- rey gar nicht unwichtig.
*) Pfarrer bey der Tragheimschen Kirche, dem Kant alle seine Geschäfte uneingeschränkt übergeben hatte, wie man aus Wasianskys Schrift über Kant umständlicher ersehen kann.
er frug mich, ob ich mir nicht bey Zeiten einen Waſiansky *) zulegen wollte? „Sie „glauben es nicht, wie vortreflich es iſt, „einen Freund gefunden zu haben, dem „man ſein ganzes Hausweſen uͤberlaſſen „kann, mit voller Ueberzeugung, er werde „es wie ſein eignes verwalten,“ ich war aber damals ſo wenig wie jetzt der Meinung des philoſophiſchen Erzvaters, der doch auch manches kleine Hausgeſchaͤft, bis ganz zu- letzt, ſelbſt perſoͤnlich uͤbernahm, weil ich den bloßen Entſchluß zu ſolcher Hingebung fuͤr ein Zeichen halte, daß das Gefuͤhl der hoͤchſten Schwaͤche zum Durchbruch zu kom- men auf dem Sprunge ſtehe, und daß man dieſem ſo lange als moͤglich vor oder auszu- beugen trachten muͤſſe. Kann nicht in ſol- chem Dienſtfordern und Leiſten die Freund- ſchaft vom Forderer als Herrſchaft gemiß- braucht werden? Muß Sie nicht den Leiſter bis zur Dienerſchaft erniedrigen?
Meine
gehoͤrige Blutwaͤrme iſt auch in der Schriftſtelle- rey gar nicht unwichtig.
*) Pfarrer bey der Tragheimſchen Kirche, dem Kant alle ſeine Geſchaͤfte uneingeſchraͤnkt uͤbergeben hatte, wie man aus Waſianskys Schrift uͤber Kant umſtaͤndlicher erſehen kann.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0417"n="400"/>
er frug mich, ob ich mir nicht bey Zeiten<lb/>
einen Waſiansky <noteplace="foot"n="*)">Pfarrer bey der Tragheimſchen Kirche, dem Kant<lb/>
alle ſeine Geſchaͤfte uneingeſchraͤnkt uͤbergeben<lb/>
hatte, wie man aus Waſianskys Schrift <hirendition="#g">uͤber<lb/>
Kant</hi> umſtaͤndlicher erſehen kann.</note> zulegen wollte? <cit><quote>„Sie<lb/>„glauben es nicht, wie vortreflich es iſt,<lb/>„einen Freund gefunden zu haben, dem<lb/>„man ſein ganzes Hausweſen uͤberlaſſen<lb/>„kann, mit voller Ueberzeugung, er werde<lb/>„es wie ſein eignes verwalten,“</quote></cit> ich war<lb/>
aber damals ſo wenig wie jetzt der Meinung<lb/>
des philoſophiſchen Erzvaters, der doch auch<lb/>
manches kleine Hausgeſchaͤft, bis ganz zu-<lb/>
letzt, ſelbſt perſoͤnlich uͤbernahm, weil ich<lb/>
den bloßen Entſchluß zu ſolcher Hingebung<lb/>
fuͤr ein Zeichen halte, daß das Gefuͤhl der<lb/>
hoͤchſten Schwaͤche zum Durchbruch zu kom-<lb/>
men auf dem Sprunge ſtehe, und daß man<lb/>
dieſem ſo lange als moͤglich vor oder auszu-<lb/>
beugen trachten muͤſſe. Kann nicht in ſol-<lb/>
chem Dienſtfordern und Leiſten die Freund-<lb/>ſchaft vom <hirendition="#g">Forderer</hi> als Herrſchaft gemiß-<lb/>
braucht werden? Muß Sie nicht den Leiſter<lb/>
bis zur Dienerſchaft erniedrigen?</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Meine</fw><lb/><p><notexml:id="seg2pn_35_2"prev="#seg2pn_35_1"place="foot"n="**)">gehoͤrige Blutwaͤrme iſt auch in der Schriftſtelle-<lb/>
rey gar nicht unwichtig.</note></p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[400/0417]
er frug mich, ob ich mir nicht bey Zeiten
einen Waſiansky *) zulegen wollte? „Sie
„glauben es nicht, wie vortreflich es iſt,
„einen Freund gefunden zu haben, dem
„man ſein ganzes Hausweſen uͤberlaſſen
„kann, mit voller Ueberzeugung, er werde
„es wie ſein eignes verwalten,“ ich war
aber damals ſo wenig wie jetzt der Meinung
des philoſophiſchen Erzvaters, der doch auch
manches kleine Hausgeſchaͤft, bis ganz zu-
letzt, ſelbſt perſoͤnlich uͤbernahm, weil ich
den bloßen Entſchluß zu ſolcher Hingebung
fuͤr ein Zeichen halte, daß das Gefuͤhl der
hoͤchſten Schwaͤche zum Durchbruch zu kom-
men auf dem Sprunge ſtehe, und daß man
dieſem ſo lange als moͤglich vor oder auszu-
beugen trachten muͤſſe. Kann nicht in ſol-
chem Dienſtfordern und Leiſten die Freund-
ſchaft vom Forderer als Herrſchaft gemiß-
braucht werden? Muß Sie nicht den Leiſter
bis zur Dienerſchaft erniedrigen?
Meine
**)
*) Pfarrer bey der Tragheimſchen Kirche, dem Kant
alle ſeine Geſchaͤfte uneingeſchraͤnkt uͤbergeben
hatte, wie man aus Waſianskys Schrift uͤber
Kant umſtaͤndlicher erſehen kann.
**) gehoͤrige Blutwaͤrme iſt auch in der Schriftſtelle-
rey gar nicht unwichtig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/417>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.