erklären, und ob ich gleich mit schönen und klu- gen Weibern manchen Straus hatte über die mir aus Gewohnheit zur Natur oder aus Natur zur Gewohnheit gewordne. Spötterey im Ton oder in der Miene, wenn ich Da- men etwas verbindliches sage, so ist doch nie eine Frau meine wirkliche Feindin gewe- sen, und der Umgang mit dem andern Ge- schlecht hat mich zu mancher Verstandsübung und Sittenverfeinerung getrieben, an die ich ohne den Handels-Verkehr mit ihm viel- leicht nicht gedacht, noch weniger sie besser ausgebildet hätte.
Wieland, der nun auch schon am 23. Januar 1813. gestorben, sagt, als Stell- vertreter des Apollonius von Thyana: "der "Hang zur Wollust, durch Vernunft verä- "delt, geläutert und gemäßigt, kann glück- "lich organisirte und unter günstigen Ge- "stirnen, wie man sagt, geborne Menschen "auf einem sehr angenehmen Wege zu einem "nicht gemeinen Grad von sittlicher Voll- "kommenheit, innrer Harmonie, Zufrieden- "heit und Lebensgenuß führen." (Wielands Schrift. 32. B. Agathodäm. 1. B. n. 6.) und die Richtigkeit dieser Bemerkung bezeug ich Wielanden in meinem jetzigen hohen Alter.
erklaͤren, und ob ich gleich mit ſchoͤnen und klu- gen Weibern manchen Straus hatte uͤber die mir aus Gewohnheit zur Natur oder aus Natur zur Gewohnheit gewordne. Spoͤtterey im Ton oder in der Miene, wenn ich Da- men etwas verbindliches ſage, ſo iſt doch nie eine Frau meine wirkliche Feindin gewe- ſen, und der Umgang mit dem andern Ge- ſchlecht hat mich zu mancher Verſtandsuͤbung und Sittenverfeinerung getrieben, an die ich ohne den Handels-Verkehr mit ihm viel- leicht nicht gedacht, noch weniger ſie beſſer ausgebildet haͤtte.
Wieland, der nun auch ſchon am 23. Januar 1813. geſtorben, ſagt, als Stell- vertreter des Apollonius von Thyana: „der „Hang zur Wolluſt, durch Vernunft veraͤ- „delt, gelaͤutert und gemaͤßigt, kann gluͤck- „lich organiſirte und unter guͤnſtigen Ge- „ſtirnen, wie man ſagt, geborne Menſchen „auf einem ſehr angenehmen Wege zu einem „nicht gemeinen Grad von ſittlicher Voll- „kommenheit, innrer Harmonie, Zufrieden- „heit und Lebensgenuß fuͤhren.“ (Wielands Schrift. 32. B. Agathodaͤm. 1. B. n. 6.) und die Richtigkeit dieſer Bemerkung bezeug ich Wielanden in meinem jetzigen hohen Alter.
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erklaͤren, und ob ich gleich mit ſchoͤnen und klu-
gen Weibern manchen Straus hatte uͤber die
mir aus Gewohnheit zur Natur oder aus
Natur zur Gewohnheit gewordne. Spoͤtterey
im Ton oder in der Miene, wenn ich Da-
men etwas verbindliches ſage, ſo iſt doch
nie eine Frau meine wirkliche Feindin gewe-
ſen, und der Umgang mit dem andern Ge-
ſchlecht hat mich zu mancher Verſtandsuͤbung
und Sittenverfeinerung getrieben, an die
ich ohne den Handels-Verkehr mit ihm viel-
leicht nicht gedacht, noch weniger ſie beſſer
ausgebildet haͤtte.
Wieland, der nun auch ſchon am
23. Januar 1813. geſtorben, ſagt, als Stell-
vertreter des Apollonius von Thyana: „der
„Hang zur Wolluſt, durch Vernunft veraͤ-
„delt, gelaͤutert und gemaͤßigt, kann gluͤck-
„lich organiſirte und unter guͤnſtigen Ge-
„ſtirnen, wie man ſagt, geborne Menſchen
„auf einem ſehr angenehmen Wege zu einem
„nicht gemeinen Grad von ſittlicher Voll-
„kommenheit, innrer Harmonie, Zufrieden-
„heit und Lebensgenuß fuͤhren.“ (Wielands
Schrift. 32. B. Agathodaͤm. 1. B. n. 6.)
und die Richtigkeit dieſer Bemerkung bezeug
ich Wielanden in meinem jetzigen hohen Alter.
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Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/381>, abgerufen am 25.11.2024.
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