Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

kühr zu plagen, welches im Preußischen
nicht Statt fand.

Auch bin ich ein eingefleischter Preuße,
so daß ich, das Clima etwa abgerechnet, die-
ses mein Vaterland über alles liebe und
nicht einsehe, wie man ihm andre Länder
an Justitz, Moralität und politischer Frey-
heit vorziehen kann. Jn der letzten Zeit
hat sich zwar manches geändert, mancher
Text scheint verloren gegangen und blos
durch Melodietriller ersetzt zu seyn; allein
es wird sich hoffentlich alles wieder zurecht
finden, wenn die Menschen werden gelerut
haben, mit fester Besonnenheit von man-
cher guten Einrichtung, oder vielmehr erst
guten Verordnung zur erstern, Gebrauch zu
machen. Jch pflegte daher vor einigen Jah-
ren meinen stöhnenden Freunden zum Schwei-
gen zu rathen, damit nicht unbillige Staats-
haushalter durch vieles Nachfragen erführen,
wie mild es in Preußen hergeht. Das si
tacuisses philosophus mansisses
läßt sich öf-
ter anwenden, wie man denkt; in spätern
Zeiten ist es indessen so ziemlich zu einer,
wenn gleich vielen nicht behagenden, Pa-
rität gekommen.

kuͤhr zu plagen, welches im Preußiſchen
nicht Statt fand.

Auch bin ich ein eingefleiſchter Preuße,
ſo daß ich, das Clima etwa abgerechnet, die-
ſes mein Vaterland uͤber alles liebe und
nicht einſehe, wie man ihm andre Laͤnder
an Juſtitz, Moralitaͤt und politiſcher Frey-
heit vorziehen kann. Jn der letzten Zeit
hat ſich zwar manches geaͤndert, mancher
Text ſcheint verloren gegangen und blos
durch Melodietriller erſetzt zu ſeyn; allein
es wird ſich hoffentlich alles wieder zurecht
finden, wenn die Menſchen werden gelerut
haben, mit feſter Beſonnenheit von man-
cher guten Einrichtung, oder vielmehr erſt
guten Verordnung zur erſtern, Gebrauch zu
machen. Jch pflegte daher vor einigen Jah-
ren meinen ſtoͤhnenden Freunden zum Schwei-
gen zu rathen, damit nicht unbillige Staats-
haushalter durch vieles Nachfragen erfuͤhren,
wie mild es in Preußen hergeht. Das ſi
tacuiſſes philoſophus manſiſſes
laͤßt ſich oͤf-
ter anwenden, wie man denkt; in ſpaͤtern
Zeiten iſt es indeſſen ſo ziemlich zu einer,
wenn gleich vielen nicht behagenden, Pa-
ritaͤt gekommen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0367" n="350"/>
ku&#x0364;hr zu plagen, welches im Preußi&#x017F;chen<lb/>
nicht Statt fand.</p><lb/>
        <p>Auch bin ich ein eingeflei&#x017F;chter Preuße,<lb/>
&#x017F;o daß ich, das Clima etwa abgerechnet, die-<lb/>
&#x017F;es mein Vaterland u&#x0364;ber alles liebe und<lb/>
nicht ein&#x017F;ehe, wie man ihm andre La&#x0364;nder<lb/>
an Ju&#x017F;titz, Moralita&#x0364;t und politi&#x017F;cher Frey-<lb/>
heit vorziehen kann. Jn der letzten Zeit<lb/>
hat &#x017F;ich zwar manches gea&#x0364;ndert, mancher<lb/>
Text &#x017F;cheint verloren gegangen und blos<lb/>
durch Melodietriller er&#x017F;etzt zu &#x017F;eyn; allein<lb/>
es wird &#x017F;ich hoffentlich alles wieder zurecht<lb/>
finden, wenn die Men&#x017F;chen werden gelerut<lb/>
haben, mit fe&#x017F;ter Be&#x017F;onnenheit von man-<lb/>
cher guten Einrichtung, oder vielmehr er&#x017F;t<lb/>
guten Verordnung zur er&#x017F;tern, Gebrauch zu<lb/>
machen. Jch pflegte daher vor einigen Jah-<lb/>
ren meinen &#x017F;to&#x0364;hnenden Freunden zum Schwei-<lb/>
gen zu rathen, damit nicht unbillige Staats-<lb/>
haushalter durch vieles Nachfragen erfu&#x0364;hren,<lb/>
wie mild es in Preußen hergeht. Das <hi rendition="#aq">&#x017F;i<lb/>
tacui&#x017F;&#x017F;es philo&#x017F;ophus man&#x017F;i&#x017F;&#x017F;es</hi> la&#x0364;ßt &#x017F;ich o&#x0364;f-<lb/>
ter anwenden, wie man denkt; in &#x017F;pa&#x0364;tern<lb/>
Zeiten i&#x017F;t es inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o ziemlich zu einer,<lb/>
wenn gleich vielen nicht behagenden, Pa-<lb/>
rita&#x0364;t gekommen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0367] kuͤhr zu plagen, welches im Preußiſchen nicht Statt fand. Auch bin ich ein eingefleiſchter Preuße, ſo daß ich, das Clima etwa abgerechnet, die- ſes mein Vaterland uͤber alles liebe und nicht einſehe, wie man ihm andre Laͤnder an Juſtitz, Moralitaͤt und politiſcher Frey- heit vorziehen kann. Jn der letzten Zeit hat ſich zwar manches geaͤndert, mancher Text ſcheint verloren gegangen und blos durch Melodietriller erſetzt zu ſeyn; allein es wird ſich hoffentlich alles wieder zurecht finden, wenn die Menſchen werden gelerut haben, mit feſter Beſonnenheit von man- cher guten Einrichtung, oder vielmehr erſt guten Verordnung zur erſtern, Gebrauch zu machen. Jch pflegte daher vor einigen Jah- ren meinen ſtoͤhnenden Freunden zum Schwei- gen zu rathen, damit nicht unbillige Staats- haushalter durch vieles Nachfragen erfuͤhren, wie mild es in Preußen hergeht. Das ſi tacuiſſes philoſophus manſiſſes laͤßt ſich oͤf- ter anwenden, wie man denkt; in ſpaͤtern Zeiten iſt es indeſſen ſo ziemlich zu einer, wenn gleich vielen nicht behagenden, Pa- ritaͤt gekommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/367
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/367>, abgerufen am 24.11.2024.